Rz. 53

Eine weitere Abweichungsmöglichkeit besteht nach § 7 Abs. 2a. Diese kann ebenfalls in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung erfolgen. Die Vorschriften, von denen abgewichen werden kann, sind die Regelungen über die werktägliche Arbeitszeit, sowohl für Tag- als auch Nachtarbeitnehmer, und über die Ruhezeit. Damit sind sehr weitreichende Abweichungen vom ArbZG möglich.

Voraussetzung für eine Abweichung ist zum einen, dass in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt. Zum anderen muss durch besondere Regelungen sichergestellt werden, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

4.1 Voraussetzungen

4.1.1 Arbeitsbereitschaft/Rufbereitschaft

 

Rz. 54

Zu den Einzelheiten der ersten Voraussetzung – das regelmäßige und in erheblichem Umfang Vorliegen von Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst – kann auf die Kommentierung im Rahmen von § 7 Abs. 1 Nr. 1a verwiesen werden.

4.1.2 Gesundheitsschutz durch besondere Regelungen

 

Rz. 55

Ist außerdem sichergestellt, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird, ist ein Ausgleich – abweichend von § 7 Abs. 1 Nr. 1a – nicht erforderlich.

Diese Sicherstellung muss durch "besondere Regelungen" erfolgen, die von den Tarifvertragsparteien aufzustellen sind. Allgemeine Vorgaben des Arbeitsschutzrechts, wie etwa die Erstellung einer Gefährdungsanalyse gem. § 5 ArbSchG, reichen nicht aus.[1] Der Schutz muss also über den gesetzlich vorgegebenen hinausgehen.

 
Praxis-Beispiel

Eine besondere Regelung in diesem Sinn könnte die Anordnung von regelmäßigen Untersuchungen der Arbeitnehmer sein oder zusätzliche Pausen.

Durch den Gesetzgeber vorgeschlagene Regelungen sind die Begrenzung der Möglichkeit zur Arbeitszeitverlängerung auf einen bestimmten Personenkreis, die Vereinbarung verlängerter Ruhezeiten oder einer besonderen arbeitsmedizinischen Betreuung der Betroffenen.[2]

[2] BT-Drucks. 15/1587 S. 31.

4.1.3 Einwilligung der Arbeitnehmer

 

Rz. 56

Weitere Voraussetzung für die Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit in diesem Sinn ist die schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers sowie die Widerrufsmöglichkeit, die in Abs. 7 geregelt ist.

4.1.4 Besonderheiten für die Ruhezeit

 

Rz. 57

Zusätzlich zu den Anforderungen nach Abs. 2a gilt durch Abs. 9, dass keine Kürzung der Ruhezeit erfolgen darf, wenn die tägliche Arbeitszeit auf über 12 Stunden verlängert wird. Sie muss dann 11 Stunden betragen. Außerdem muss die Ruhezeit spätestens nach 24 Stunden gewährt werden.

4.2 Europarechtliche Bedenken

 

Rz. 58

Gegen die Vereinbarkeit des Abs. 2a mit den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG, der vorsieht, dass eine Abweichung nur möglich ist, sofern durch den Mitgliedstaat sichergestellt wird, dass der Arbeitnehmer nicht in seiner Gesundheit gefährdet wird, werden Bedenken geäußert.[1] Die Übertragung dieser Aufgabe an die Tarifvertragsparteien oder Betriebsparteien ist daher als Verstoß gegen die Arbeitszeit Richtlinie zu werten.[2]

[1] Neumann/Biebl, § 7 ArbZG, Rz. 19a.
[2] Buschmann/Ulber, § 7 ArbZG, Rz. 43.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge