rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftung des Drückerkolonnenchefs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zeitschriftenwerber, die im Rahmen einer Drückerkolonne mit erheblicher persönlicher und wirtschaftlichen Abhängigkeit beschäftigt werden, sind Arbeitnehmer.

2. Der Arbeitgeber haftet für die abzuführenden Lohnsteuern. Die Haftungsschuld darf nach Lohnsteuerklasse VI geschätzt werden, wenn eine individuelle Ermittlung der Lohnsteuern ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Antragstellerin für nicht erklärte Lohnsteuern als Arbeitgeber haftet und hier, ob für den ergangenen Haftungsbescheid Aussetzung der Vollziehung (AdV) zu gewähren ist.

Der Antragsgegner – das Finanzamt (FA) – ist als Betriebsstättenfinanzamt zuständig für die Erhebung der Lohnsteuer im Betrieb der Antragstellerin.

Der Antragsteller war im streitgegenständlichen Zeitraum (von 2005 bis 2008) nach den Ermittlungen des Hauptzollamtes München und der Lohnsteuer-(LSt-)außenprüfung Arbeitgeber einer nicht genau bekannten Anzahl von Arbeitnehmern (etwa 200), die als Zeitschriftenwerber in Drückerkolonnen Abonnements an Haustüren vertrieben haben. Aufgrund von Zeugenaussagen über die Anwerbung und die Betriebsabläufe ging die LSt-Außenprüfung und ihm folgend das FA davon aus, dass die Werber Arbeitnehmer des Antragstellers waren und nicht – wie von letzterem dargestellt – selbständige Handelsvertreter. Auf die Vernehmungsprotokolle in der LSt-Akte wird verwiesen. Für die nicht erklärte oder abgeführte LSt des Zeitraums Januar 2005 bis Dezember 2008 nahm das FA die Antragstellerin mit Haftungsbescheid vom 10. September 2009 in Anspruch. Die Lohnsumme entnahm das FA den Salden der Sachkonten der Finanzbuchhaltung der Antragstellerin, in denen die Provisionsund Bonuszahlungen an die Werber verbucht waren. Die Lohnsteuer schätzte es mit 15% hieraus, dem Eingangssteuersatz der LSt-Klasse VI, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern folgerichtig auf derselben Basis (wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 26. August 2009 verwiesen). Für die Lohnsteuer der Teamleiter nahm das FA die Antragstellerin nicht in Anspruch.

Über den Einspruch der Antragstellerin ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf AdV hat das FA abgelehnt.

Ihren Antrag auf AdV an das Gericht begründet die Antragstellerin wie schon den Einspruch damit, sie sei nicht Arbeitgeberin der Werber gewesen. Vielmehr seien diese selbständig tätig gewesen. Darüber hinaus sei die Höhe der Haftungsschuld falsch geschätzt und die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Haftungsschuldnerin ermessensfehlerhaft. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des LSt-Haftungs- und Nachforderungsbescheides für Januar 2005 bis Dezember 2008 vom 10. September 2009 in folgender Höhe auszusetzen:

– LSt:

98.083,42 EUR

– Solidaritätszuschlag:

5.394,55 EUR

– Evang. Kirchensteuer:

2.342,70 EUR

– Röm.-Kath. Kirchensteuer

5.466,28 EUR.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es bekräftigt seine Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse als nichtselbständig. Die Schätzung mit 15% der Lohnsumme sei zutreffend und berücksichtige die Verhältnisse des konkreten Betriebes, da die nachzuversteuernden Löhne nicht den einzelnen Arbeitnehmern hätten zugeordnet werden können.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist nicht begründet.

Bei der im AdV-Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Beurteilung anhand der präsenten Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der AdV-Antrag ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; und vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

a) Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Nach ...

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