Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG – Verfassungswidrigkeit aufgrund normativen oder strukturellen Vollzugsdefizits

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Hinsichtlich der Pflichtveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG im Falle der Steuerklassenkombination III/V besteht kein verfassungsrechtlich bedeutsames normatives oder strukturelles Vollzugsdefizit.
  2. Für die Verfassungswidrigkeit einer materiellen Steuernorm aufgrund eines normativen Vollzugsdefizits kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Finanzbehörden von gesetzlich eingerichteten Kontrollverfahren tatsächlich Gebrauch machen und ob dieser Gebrauch fehlerlos funktioniert.
  3. Jenseits eines normativen Erhebungsdefizits ist ein verfassungsrechtlich bedeutsames strukturelles Vollzugsdefizit ausnahmsweise nur dann denkbar, wenn die – eine effektive Erhebung ermöglichende – rechtliche Struktur aus politischen Gründen nicht vollzogen wird oder in einer Anlaufphase erkennbare Umsetzungsprobleme nicht gelöst werden.
 

Normenkette

EStG §§ 41b, 46 Abs. 2 Nr. 3a; GG Art. 3 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2007

 

Tatbestand

Die Kläger sind verheiratet und erzielen im Streitjahr (2007) beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Einkünfte des Klägers unterlagen während des Veranlagungszeitraums dem Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse III, die der Klägerin nach der Steuerklasse V.

Am 01.04.2008 setzte der Beklagte, das Finanzamt (FA), die Einkommensteuer für 2007 auf 16.495 EUR fest. Hierbei folgte das FA den Angaben der Kläger lt. Steuererklärung vom 10.03.2008.

Gegen den Steuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein und begehrten, den Einkommensteuerbescheid aufzuheben. Zur Begründung gaben sie an, es komme bekanntermaßen bei der Steuerklassenkombination III/V zu Steuernachzahlungen, so auch bei ihnen. Diese Nachzahlung wäre nicht angefallen, wenn sie sich gesetzeswidrig verhalten hätten und keine Steuererklärung abgegeben hätten. Die zutreffende Besteuerung hänge bei der Steuerklassenkombination III/V in erster Linie von der Mitwirkungs- und Erklärungsbereitschaft der Steuerpflichtigen ab. Tatsächlich dürften eine große Anzahl Steuerpflichtiger von der Möglichkeit der Nichtabgabe einer entsprechenden Steuererklärung Gebrauch machen. Dies werde von Seiten der Verwaltung nicht unterbunden, obwohl die Ausgabe der entsprechenden Steuerkarten bekannt sei. Seit 2004 hätten die Finanzbehörden Erkenntnisse über die erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aller Arbeitnehmer. Eine Auswertung der Daten und eine Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen in gleich gelagerten Fällen erfolge dennoch nicht. Diese Handhabe verstoße – ebenso wie die Handhabe der Verwaltung bei den Spekulationsgewinnen und bei der Besteuerung der Renten - gegen die Verfassung.

Das FA wies den Einspruch am 14.07.2008 als unbegründet zurück. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Besteuerung der Spekulationseinkünfte und auf die Sachlage bei der Rentenbesteuerung sei nicht einschlägig. Diese Sachverhalte seien anders gelagert.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 01.04.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.07.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt ergänzend vor, mit der Übermittlung der Lohnsteuerdaten seitens der Arbeitgeber an die amtlich bestimmte Übermittlungsstelle gemäß § 41b EStG habe der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass innerhalb der Festsetzungsfrist die Daten bekannt würden und die steuerrechtlichen Konsequenzen gezogen würden, wenn die Steuerpflichtigen ihrer nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG obliegenden Erklärungspflicht nicht nachkämen. Den Finanzbehörden sei durch die Übermittlung ein ausreichend umfangreiches Kontrollmaterial eingeräumt, das eine lückenlose Kontrolle ermögliche. Ein strukturelles Vollzugsdefizit sei daher nicht ersichtlich. Im Übrigen sei den Finanzämtern nicht bekannt, in welchen Fällen die Lohnsteuerkarten in der Kombination III/V ausgestellt würden, denn die Ausgabe erfolge durch die Gemeinden und eine Mitteilung der Gemeinden über die ausgegebenen Lohnsteuerkarten und den darauf eingetragenen Merkmalen bzw. Steuerklassen erfolge im Regelfall nicht.

Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren beigezogen. Auf diese und auf die Schriftsätze der Beteiligten im vorliegenden Verfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

1) Das FA hat bei der Steuerfestsetzung die Angaben der Kläger gemäß ihrer Steuererklärung berücksichtigt. Anhaltspunkte dafür, dass die erklärten Besteuerungsgrundlagen unzutreffend in Ansatz gebracht worden sind, sind weder vorgetragen, noch sonst aus den Akten ersichtlich.

2) Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Steuerfestsetzung auch nicht aufgrund eines etwaigen Vollzu...

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