rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Integrierte Steuerberechnung bei Zusammentreffen der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelregelung) mit dem negativen Progressionsvorbehalt unterliegenden Einnahmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Trifft bei der Einkommensteuerveranlagung eine Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG (hier: Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) mit dem negativen Progressionsvorbehalt unterliegenden Einnahmen (im Streitfall: Rückzahlung von ursprünglich nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreiem Arbeitslosengeld) zusammen, sind beide Tarifbegünstigungen nicht additiv, sondern integriert zu berechnen.

2. Eine integrierte Steuerberechnung kann methodisch auf zweierlei Wegen bewerkstelligt werden; entweder kann der negative Progressionsvorbehalt im Rahmen der Ermittlung des Steuerbetrags für die außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG steuersatzmindernd zu berücksichtigen sein oder die Tarifmilderung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 ff. EStG wird bei der Ermittlung des für die Progressionseinnahmen geltenden „besonderen Steuersatzes” berücksichtigt. Beide Rechenmethoden sind zulässig, wobei allerdings im Einzelfall derjenigen Methode der Vorrang einzuräumen ist, die für den Steuerpflichtigen zu einer geringeren Steuerbelastung führt (Anschluss an BFH, Urteil v. 15.11.2007, VI R 66/03, BStBl 2008 II S. 375 und BFH, Urteil v. 11.12.2012, IX R 23/11, BStBl 2013 II S. 370; Berechnungsbeispiele zu beiden Methoden).

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 32a Abs. 1, § 32b Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 34 Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 2 Nr. 2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Der ledige Kläger wurde im Veranlagungszeitraum 2017 (Streitjahr) mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünften aus Vermietung und Verpachtung antragsgemäß einzeln zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. In dem Bruttoarbeitslohn i. H. v. 120.635 EUR ist eine aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs erstrittene Abfindung (Entlassungsentschädigung/Arbeitslohn für mehrere Jahre) i. H. v. 70.200 EUR enthalten, die von der damaligen Arbeitgeberin (B… GmbH) ausweislich der Lohnsteuerbescheinigung für 2017 (Bl. 42 ESt-Akte) nicht ermäßigt lohnversteuert worden war und welche unstreitig die Voraussetzungen der §§ 24 Nr. 1a, 34 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt. Ferner zahlte der Kläger im Streitjahr an die Agentur für Arbeit einen Betrag – zwischen den Beteiligten unstrittig – i. H. v. von 17.330 EUR für zuvor erhaltenes Arbeitslosengeld zurück (Bl. 45b, 45c, 47 ESt-Akte).

Mit Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 04.06.2018 (Bl. 25 ff. Streitakte) setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 20.973 EUR wie folgt fest (Beträge in EUR).

zu versteuerndes Einkommen (zvE)

93.352

zu versteuern nach dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) nach dem Grundtarif mit 19,3919 % aus 95.352

18.490

(tarifliche ESt)

abzüglich Ermäßigung für Handwerkerleistungen

23

verbleiben

18.467

zuzüglich

Altersvorsorgezulage

154

Kindergeld (Kigeld) für das am 20.06.1999

geborene Kind

1.176

Kigeld für das am 06.02.2013 geborene Kind

1.176

Festzusetzende ESt

20.973

Gegen die Einkommensteuerfestsetzung für 2017 legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein, mit dem er beantragte, die tarifliche ESt auf den Betrag von 9.658 EUR herabzusetzen.

Nach seinen Berechnungen würde sich anstelle des vom Beklagten ermittelten Steuersatzes ein solcher von 13,759 % ergeben. Angewandt auf ein Fünftel der Abfindung von 14.040 EUR betrage die tarifliche ESt lediglich 9.658 EUR.

Nachdem der Beklagte erwidert hatte, dass die Abfindung mit dem ermäßigten Steuersatz (§ 34 Abs. 1 EStG) besteuert und das vom Kläger zurückgezahlte Arbeitslosengeld beim negativen Progressionsvorbehalt berücksichtigt worden sei und eine weitere Reduzierung der festgesetzten ESt ausscheide, ermittelte der Kläger nunmehr eine tarifliche ESt von

14.501 EUR, die auf folgender Berechnung beruht (Beträge in EUR):

zvE

95.352

abzüglich Abfindung

70.200

korrigiertes zvE

25.152

zuzüglich 1/5 Abfindung

14.040

fiktives zvE

39.192

darauf entfallende ESt

8.096 (20,657 % * 5 = 103,286 %)

Angewandt auf 1/5 der Abfindung von 14.040 EUR würde sich deshalb eine tarifliche ESt von 14.501 EUR ergeben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.08.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, im angefochtenen Bescheid sei das tatsächliche zvE mit dem für den Kläger günstigsten Steuersatz (19,3919 %) besteuert worden. Unterlägen die Einkünfte wie im Streitfall sowohl der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG als auch dem negativen Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 und 2 EStG sei nach R 34.3 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) eine integrierte Steuerberechnung nach dem Günstigkeitsprinzip vorzunehmen. Danach seien die maßgeblichen Ermäßigungsvorschriften in der Reihenfolge anzuwenden, die zu einer geringeren Steuerbelastung führe, als dies bei ausschließlicher An...

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