Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutter-Tochter-Richtlinie, Quellensteuerbefreiung, Dividendenzahlung an gebietsfremde Gesellschaft, Steuerbefreiung, Quellensteuerabzug, OECD-Musterabkommen, Steuergestaltungsmissbrauch

 

Normenkette

EWGRL 435/90 Art. 5, 1 Abs. 2

 

Beteiligte

Skatteministeriet

Y Denmark Aps

T Danmark

 

Verfahrensgang

Østre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 19.02.2016; Abl.EU 2016, Nr. C 270/20)

 

Tenor

1. Die Rechtssachen C-116/16 und C-117/16 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2. Der allgemeine Grundsatz des Unionsrechts, dass man sich nicht betrügerisch oder missbräuchlich auf die Vorschriften des Unionsrechts berufen kann, ist dahin auszulegen, dass die nationalen Behörden und Gerichte einem Steuerpflichtigen die Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle der von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne gemäß Art. 5 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in der durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 geänderten Fassung bei Betrug oder Missbrauch auch dann zu verwehren haben, wenn dies nicht in einzelstaatlichen oder vertraglichen Bestimmungen vorgesehen ist.

3. Der Nachweis eines Rechtsmissbrauchs setzt zum einen eine Gesamtheit objektiver Umstände voraus, aus denen sich ergibt, dass das Ziel der Unionsregelung, obwohl deren Voraussetzungen formal erfüllt sind, nicht erreicht worden ist, und zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, aus der Unionsregelung, indem künstlich die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden, einen Vorteil zu erlangen. Aus dem Zusammentreffen einer Reihe von Indizien kann, sofern diese objektiv und übereinstimmend sind, geschlossen werden, dass ein Missbrauch vorliegt. Als solche Indizien kommen insbesondere die Existenz von Durchleitungsgesellschaften, für die es keine wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und der Pro-forma-Charakter der Konzernstruktur, der Steuergestaltung und der Darlehen in Betracht.

4. Eine nationale Behörde muss, wenn sie eine Gesellschaft nicht als Nutzungsberechtigte von Dividenden anerkennen oder einen Rechtsmissbrauch nachweisen will, nicht bestimmen, wer ihrer Auffassung nach Nutzungsberechtigter der Dividenden ist.

5. In einem Fall, in dem die Regelung der Quellensteuerbefreiung der Richtlinie 90/435 in der durch die Richtlinie 2003/123 geänderten Fassung bei Dividenden, die eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft zahlt, wegen der Feststellung eines Betrugs oder Missbrauchs im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie nicht anwendbar ist, kann sich die betreffende Gesellschaft nicht auf die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten berufen, um die im Quellenmitgliedstaat geltende Regelung über die Besteuerung der Dividenden anzugreifen.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Oberlandesgericht Ost, Dänemark) mit Entscheidungen vom 19. Februar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2016, in den Verfahren

Skatteministeriet

gegen

T Danmark (C-116/16),

Y Denmark Aps (C-117/16)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin C. Toader und des Kammerpräsidenten F. Biltgen sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter), M. Ilešič, L. Bay Larsen, M. Safjan, C. G. Fernlund, C. Vajda und S. Rodin,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von T Danmark, vertreten durch A. M. Ottosen und S. Andersen, advokater,
  • der Y Denmark Aps, vertreten durch L. E. Christensen und H. S. Hansen, advokater,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning, J. Nymann-Lindegren und M. S. Wolff als Bevollmächtigte im Beistand von J. S. Horsbøl Jensen, advokat,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. De Socio, avvocato dello Stato,
  • der luxemburgischen Regierung, vertreten durch D. Holderer als Bevollmächtigte im Beistand von P.-E. Partsch und T. Lesage, avocats,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev, U. Persson, N. Otte Widgren und F. Bergius als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels, R. Lyal und L. Grønfeldt als Bevollmächtigte im Beistand von H. Peytz, avocat,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. März 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen ...

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