Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit. Art. 39 EG. Angehöriger eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung sucht. Gleichbehandlung. Überbrückungsgeld für junge Menschen auf der Suche nach einer ersten Beschäftigung. Gewährung unter der Voraussetzung, mindestens sechs Ausbildungsjahre im Aufnahmestaat zurückgelegt zu haben

 

Beteiligte

Prete

Déborah Prete

Office national de l'emploi

 

Tenor

Art. 39 EG steht einer nationalen Vorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen, die den Anspruch auf Überbrückungsgeld junger Menschen, die auf der Suche nach ihrer ersten Beschäftigung sind, an die Bedingung knüpft, dass der Betroffene mindestens sechs Ausbildungsjahre an einer Bildungseinrichtung des Aufnahmemitgliedstaats zurückgelegt hat, da diese Bedingung die Berücksichtigung anderer repräsentativer Gesichtspunkte verhindert, die geeignet sind, das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung zwischen der Person, die das Überbrückungsgeld beantragt, und dem betreffenden räumlichen Arbeitsmarkt zu belegen, und dadurch über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit der genannten Vorschrift verfolgten Ziels, das Bestehen einer solchen Verbindung zu gewährleisten, erforderlich ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Belgien) mit Entscheidung vom 27. Juni 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juli 2011, in dem Verfahren

Déborah Prete

gegen

Office national de l'emploi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Richters J.-C. Bonichot, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Prete, vertreten durch J. Oosterbosch, avocate,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. A. Foriers, avocat,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und D. Hadroušek als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und G. Rozet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Juli 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 EG, 17 EG, 18 EG und 39 EG.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Prete und dem Office national de l'emploi (im Folgenden: ONEM) wegen dessen Entscheidung, der Klägerin die Gewährung des im belgischen Recht vorgesehenen Überbrückungsgelds zu verweigern.

Belgisches Recht

Rz. 3

Das belgische Recht sieht für junge Menschen, die ihre Schulausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben und auf der Suche nach einer ersten Beschäftigung sind, die Gewährung einer als „Überbrückungsgeld” bezeichneten Unterstützung vor, die ihnen den Übergang von der Ausbildung zum Arbeitsmarkt erleichtern soll.

Rz. 4

Art. 36 Abs. 1 Unterabs. 1 des Königlichen Erlasses vom 25. November 1991 zur Regelung der Arbeitslosigkeit (Moniteur belge vom 31. Dezember 1991, S. 29888) in der durch den Königlichen Erlass vom 11. Februar 2003 (Moniteur belge vom 19. Februar 2003, S. 8026) geänderten Fassung (im Folgenden: Königlicher Erlass) bestimmt:

„Der junge Arbeitnehmer hat Anspruch auf Überbrückungsgeld, wenn er folgende Voraussetzungen erfüllt:

2 a) er hat eine Schulausbildung mit Vollzeitunterricht der Sekundarstufe II oder das dritte Jahr des Vollzeitunterrichts in der technischen, künstlerischen oder berufsbildenden Sekundarstufe an einer von einer Gemeinschaft errichteten, bezuschussten oder anerkannten Bildungseinrichtung abgeschlossen;

b) oder er hat vor dem zuständigen Prüfungsausschuss einer Gemeinschaft ein Diplom oder Zeugnis für die unter Buchstabe a genannte Ausbildung erworben;

h) oder er hat ein Studium oder eine Ausbildung in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums absolviert, sofern folgende Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  • Er legt Unterlagen vor, aus denen sich ergibt, dass das Studium oder die Ausbildung den in den vorstehenden Buchstaben genannten gleichrangig und gleichwertig ist;
  • er ist zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Überbrückungsgeld unterhaltsberechtigtes Kind in Belgien wohnender Wanderarbeitnehmer im Sinne des Artikels [39 EG];

j) oder er besitzt eine von einer Gemeinschaft ausgestellte Bescheinigung, aus der sich die Gleichwertigkeit mit dem Zeugnis im Sinne von Buchstabe b ergibt, oder eine Bescheinigung, die Zugang zur tertiären Bildung verschafft; dieser Buchstabe findet nur dann Anwendung, wenn zuvor mindestens sechs Ausbildungsjahre an einer von einer Gemeinschaft errichteten, anerkannten oder bezuschussten Bildungseinrichtung abgeschlossen worden sind.

…”

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 5

Frau Pre...

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