Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Berechnung der Höhe des Krankengelds entsprechend dem durch die Steuerklasse bestimmten Nettoeinkommen. Amtliche Einreihung eines Wanderarbeitnehmers, dessen Ehegatte in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in eine ungünstige Steuerklasse. Änderung der Steuerklasse nur auf Antrag des Wanderarbeitnehmers. Nichtberücksichtigung einer nachträglichen Änderung der Steuerklasse aufgrund des Familienstands des betreffenden Arbeitnehmers. Gleichbehandlungsgrundsatz. Verstoß

 

Beteiligte

Celozzi

Aldo Celozzi

Innungskrankenkasse Baden-Württemberg

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung steht der Anwendung einer von einem Mitgliedstaat durchgeführten Krankengeldregelung wie der im Ausgangsverfahren betroffenen entgegen,

  • wonach ein Wanderarbeitnehmer, dessen Ehegatte in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, von Amts wegen in eine Steuerklasse eingereiht wird, die weniger günstig ist als die eines verheirateten inländischen Arbeitnehmers, dessen Ehegatte im betreffenden Mitgliedstaat wohnt und nicht erwerbstätig ist, und
  • die nicht zulässt, dass für die Höhe des Krankengelds, die vom Nettoarbeitsentgelt abhängt, das sich wiederum nach der Steuerklasse richtet, rückwirkend eine nachträgliche Berichtigung der Steuerklasse berücksichtigt wird, die auf einen ausdrücklichen Antrag des Wanderarbeitnehmers hin erfolgt, der auf seinen tatsächlichen Familienstand gestützt ist.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundessozialgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. Juli 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 12. September 2005, in dem Verfahren

Aldo Celozzi

gegen

Innungskrankenkasse Baden-Württemberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen (Berichterstatter), P. Kūris, J. Makarczyk und G. Arestis,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Innungskrankenkasse Baden-Württemberg, vertreten durch Rechtsanwalt R. Kitzberger,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und I. Kaufmann-Bühler als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung sowie von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) und von Art. 39 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Celozzi und der Innungskrankenkasse Baden-Württemberg (im Folgenden: Innungskrankenkasse) wegen deren Weigerung, bei der Berechnung der Höhe des Krankengelds, das dem Kläger des Ausgangsverfahrens nach deutschem Recht zuerkannt worden war, rückwirkend die Änderung seiner Steuerklasse zu berücksichtigen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

„Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.”

4 Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 genießt ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten „die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer”.

Nationales Recht

5 § 47 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (im Folgenden: SGB V) lautet:

„(1) Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Das Regelentgelt wird nach den Absätzen 2, 4 und 6 berechnet. Das Krankengeld wird f...

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