Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug von Schulgeld als Sonderausgabe, Schule in einem anderen Mitgliedstaat, Verbot der Beschränkung des Abzugsrechts auf Schulgeld für inländische Schulen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule schicken, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet und im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert wird, ist Art. 49 EG dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Privatschulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

2. Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EG fallen, steht Art. 18 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

 

Normenkette

EGV Art. 49, 18

 

Beteiligte

Schwarz und Gootjes-Schwarz

Herbert Schwarz

Marga Gootjes-Schwarz

Finanzamt Bergisch Gladbach

 

Verfahrensgang

FG Köln (Beschluss vom 27.01.2005; Aktenzeichen 10 K 7404/01)

 

Tatbestand

„Art. 8a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 18 EG) ‐ Unionsbürgerschaft ‐ Art. 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 49 EG) ‐ Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Einkommensteuerrecht ‐ Schulgeld ‐ Abzugsrecht nur für Schulgeldzahlungen an private inländische Einrichtungen“

In der Rechtssache C-76/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Januar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Februar 2005, in dem Verfahren

Herbert Schwarz,

Marga Gootjes-Schwarz

gegen

Finanzamt Bergisch Gladbach

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter) und K. Lenaerts, des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič und J. Malenovský,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Schwarz und Frau Gootjes-Schwarz, vertreten durch Rechtsanwalt W. Meilicke,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und R. Lyal als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. September 2006

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8a Abs. 1, 48, 52 und 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 18 Abs. 1 EG, 39 EG, 43 EG und 49 EG).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Eheleute Herr Schwarz und Frau Gootjes-Schwarz (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), in Deutschland wohnende deutsche Staatsangehörige, gegen das Finanzamt Bergisch Gladbach (im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, ihnen für das Schulgeld, dass sie für den Schulbesuch ihrer Kinder in anderen Mitgliedstaaten zahlen, eine steuerliche Vergünstigung zu gewähren. Das deutsche Einkommensteuerrecht sieht die Gewährung dieser Vergünstigung nur für Steuerpflichtige vor, die Schulgeld an bestimmte deutsche Privatschulen gezahlt haben.

Nationales Recht

3

Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (im Folgenden: Grundgesetz) bestimmt:

„(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.“

4

§ 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes in der im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung (BGBl. 1997 I S. 821) (im Folgenden: EStG) lautet:

„Sonderausgaben [die zum Abzug im Rahmen der Einkommensteuer berechtigen] sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind:

1. …

9. 30 vom Hundert des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den ...

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