Auf das weiter zu zahlende Entgelt sind die Beträge anzurechnen, die der Arbeitnehmer infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 615 Satz 2 BGB). Diese Anrechnung tritt automatisch ein. Sie ist nicht davon abhängig, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung wie etwa bei einer Aufrechnung von Forderungen abgibt. Im Übrigen ist § 615 Satz 2 BGB ebenso wie § 615 Satz 1 BGB disponibel. Von der Regelung kann sowohl zugunsten des Arbeitnehmers als auch zugunsten des Arbeitgebers abgewichen werden.

Anrechenbar sind nach § 615 Satz 2 BGB (nicht nach § 11 KSchG) Ersparnisse des Arbeitnehmers. Alles, was er an Ausgaben erspart, weil er die Leistung beim Arbeitgeber im Annahmeverzug nicht erbringt, kann vom fortzuzahlenden Arbeitsentgelt abgezogen werden.

 
Praxis-Beispiel

Ersparnisse des Arbeitnehmers

Fahrtkosten, Mehrkosten der Verpflegung, vom Arbeitnehmer zu tragende Kosten der Berufskleidung (Reinigung, Neuanschaffung) oder Arbeitsausrüstung.

Anrechenbar ist ferner ein Zwischenverdienst, den der Arbeitnehmer deswegen erlangt, weil er bei seinem Arbeitgeber wegen Annahmeverzugs nicht gearbeitet hat.[1] Die Anrechnung bemisst sich nach dem erzielten Bruttoeinkommen.

 
Praxis-Beispiel

Anrechenbares Einkommen bei Annahmeverzug

Anrechenbar wäre das Einkommen aus

  • einer Beschäftigung, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsausfall aufgenommen wird,
  • einer dauerhaft neben dem Arbeitsverhältnis ausgeübten Teilzeitbeschäftigung, soweit diese Beschäftigung wegen des Ausfalls der Hauptarbeit aufgestockt wird.

Nicht anrechenbar wäre das Entgelt aus einer Nebenbeschäftigung in Teilzeit, die der Arbeitnehmer auch während seiner Hauptbeschäftigung bei dem in Annahmeverzug befindlichen Arbeitgeber – also dauerhaft – ausübt.

Öffentlich-rechtliche Leistungen wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe führen nicht zu einer Minderung des Annahmeverzugslohns. Soweit Leistungen wie die vorgenannten gezahlt wurden, geht der Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger über.[2] Dies führt dazu, dass der Arbeitgeber dem Leistungsträger die gezahlten Leistungen zu erstatten hat. Dafür kann der Arbeitgeber den Annahmeverzugslohn des Arbeitnehmers um die gleiche Summe gekürzt auszahlen.

Anzurechnen ist auf den Annahmeverzugslohn auch, was der Arbeitnehmer böswillig zu erwerben unterlässt. "Böswillig" ist ein Verhalten des Arbeitnehmers, das in Kenntnis

  • der objektiven Umstände,
  • der Zumutbarkeit der Arbeit und
  • der Nachteile des Untätigbleibens für den Arbeitgeber

an den Tag gelegt wird.[3] Ein böswilliges Unterlassen eines anderweitigen Verdienstes kommt bezüglich der "objektiven Umstände" nur in Betracht, wenn es mindestens eine konkrete Erwerbsmöglichkeit gab, die dem Arbeitnehmer in dem Zeitraum bekannt war, für den er Verzugslohn verlangt. Dafür genügt der Verweis des Arbeitgebers auf einen für den Arbeitnehmer günstigen Arbeitsmarkt nicht. Selbst die Behauptung des Arbeitgebers, bei bestimmten Arbeitgebern seien für den Arbeitnehmer geeignete Stellen zu besetzen gewesen, genügt nur, wenn festgestellt werden kann, dass dem Arbeitnehmer diese offenen Stellen im fraglichen Zeitraum bekannt gewesen sind.[4] Für die Zumutbarkeit der anderweitigen Beschäftigung gibt es keine konkreten, fassbaren Kriterien. Die Rechtsprechung beurteilt sie unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben.[5] Bei der Abwägung der Zumutbarkeit zu betrachten sind demzufolge unter anderem Arbeitsumfang, Vergütung einschließlich Art und Umfang der Sozialleistungen, Inhalt der Tätigkeit, Tätigkeitsort und die Gefährlichkeit der Arbeit.[6]

Für einen Annahmeverzug nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Kündigung enthält § 11 KSchG eine Sonderbestimmung, die § 615 Satz 2 BGB insoweit vorgeht. Praktisch relevant wird diese Bestimmung folglich, wenn sich herausstellt, dass die Kündigung unwirksam war, das Arbeitsverhältnis also fortbesteht. Inhaltlich stimmt die Sonderregelung weitgehend und mit der Grundregel überein. Anzurechnen ist nach § 11 KSchG,

  • was der Arbeitnehmer durch anderweitige Arbeit verdient hat,
  • was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen, und
  • was ihm an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge der Arbeitslosigkeit aus der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitslosenhilfe oder der Sozialhilfe für die Zeit des Annahmeverzugs ab (vermeintlicher) Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden ist. Diese letztgenannten Beträge hat der Arbeitgeber der Stelle zu erstatten, die sie geleistet hat.

Der praktische Unterschied zwischen § 11 KSchG und § 615 Satz 2 BGB liegt in der Einschränkung, dass nach § 11 KSchG dasjenige nicht anzurechnen ist, was der Arbeitnehmer infolge des Ausfalls der Arbeit erspart.

Bei Annahmeverzug während eines Kündigungsrechtsstreits kann die Weiterarbeit beim b...

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