Grundsätzlich muss ein Arbeitgeber den Arbeitslohn fortzahlen, wenn er sich im Annahmeverzug befindet oder das Risiko des Arbeitsausfalls trägt ("Betriebsrisiko").[1] Nach der Betriebsrisikolehre und den neuen Entscheidungen des BAG zur Corona-Krise[2] muss hierzu voraussichtlich folgendermaßen unterschiedenen werden:

Schließt der Arbeitgeber den Betrieb, weil die Energie knapp und teuer ist und deshalb aktuell keine wirtschaftliche Fortführung möglich ist, so entscheidet er autonom und es liegt ein Fall des § 615 Satz 1 BGB vor. Der Arbeitgeber möchte die Leistung des Arbeitnehmers nicht annehmen. Er hat in diesen Fällen den Arbeitslohn fortzuzahlen.

Liegt der Schließung des Betriebes ein Akt höherer Gewalt zugrunde, also z. B. bei Stromausfällen aufgrund eines Netzzusammenbruches, so verwirklicht sich auch hier voraussichtlich das Betriebsrisiko, welches der Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 BGB zu tragen hat. Dasselbe gilt voraussichtlich bei einem Mangel an Öl, Gas oder sonstigen Energieträgern.[3]

Spannend ist nach oben genannter Corona-Entscheidung des BAG die Fallgruppe einer behördlichen Anordnung. Allein die Schließung des Betriebes durch eine Behörde reicht nicht aus, um die Lohnfortzahlung nach § 615 BGB auszuschließen. Vielmehr wird es voraussichtlich darauf ankommen, ob sich die im Betrieb liegende Gefahr realisiert oder nicht. Das ist z. B. der Fall, wenn das Gesundheitsamt aufgrund von Hygienemängeln einen Betrieb schließt. Bei der Corona-Entscheidung differenzierte das BAG ebenfalls danach, ob die behördliche Anordnung bspw. wegen des im Betrieb vorhandenen hohen Ansteckungspotenzials erfolgte oder aber ein allgemeines staatliches Konzept der Pandemiebekämpfung verfolgt wurde. Im ersteren Fall liegt wiederum ein Fall des Betriebsrisikos vor, welches sich realisiert hat. Im letzteren Fall ist dies nicht gegeben.

Auf die Energiekrise übertragen könnte dies bedeuten, dass Arbeitgeber nur dann zur Lohnfortzahlung verpflichtet sind, wenn eine allgemeine Schließung der Betriebe staatlich angeordnet wird, um Energie einzusparen. Dies ist nach aktuellem Stand jedoch nicht (mehr) zu erwarten. Sollte sich die Lage im Winter wieder ändern und z. B. die Notfallstufe in Bezug auf die Gasversorgung ausgerufen werden, kommt ein solches allgemeines Konzept gegebenenfalls zum Tragen. Bei einer Schließung von ausschließlich energieintensiven Betrieben durch betriebliche Anordnung könnte jedoch wiederum lediglich das Betriebsrisiko verwirklicht sein. Im Ergebnis wird man sich die Gründe der erfolgten hoheitlichen Maßnahmen konkret ansehen müssen, um dies entscheiden zu können.[4]

Zudem muss nach der Entscheidung des BAG zur Corona-Krise beachtet werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Möglichkeit zur Beantragung von Kurzarbeitergeld in Betracht zu ziehen, bevor er die Lohnfortzahlung einstellt.[5]

[3] Preis, ErfK, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB, Rz. 131; BAG, Urteil v. 13.10.2021, 5 AZR 211/21, Rz. 25, wobei das Gericht ausdrücklich offenlässt, ob es zukünftig eine Grenze darin sehen würde, wenn das Betriebsrisiko zur Existenzbedrohung führt. In solchen Fällen könnte ggf. eine Ausnahme von der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei Akten höherer Gewalt gemacht werden.
[4] Vgl. ausführlich Köhler/Schürgers, NZA 2022, S. 1433; Thüsing/Bleckmann, BB 2022, I.

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