Der Arbeitsvertrag ist der in der Praxis wichtigste Unterfall des Dienstvertrags[1]; deshalb ist jeder Arbeitsvertrag ein Dienstvertrag i. S. d. § 611 BGB, aber nicht jeder Dienstvertrag ist ein Arbeitsvertrag. Beiden Vertragsarten gemeinsam ist die Verpflichtung zu höchstpersönlicher Tätigkeit (vgl. § 613 BGB). Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Verträgen besteht in der persönlichen Beziehung zwischen den Vertragsparteien. Während der Dienstverpflichtete gemäß § 611 BGB selbstständig tätig ist, leistet der Arbeitnehmer i. S. v. § 611a BGB seine Tätigkeit fremdbestimmt. Keine entscheidende Rolle spielt dagegen der Gegenstand der geschuldeten Leistung – fast jede Tätigkeit kann sowohl selbstständig als auch fremdbestimmt erbracht werden. Die Abgrenzung zwischen selbstbestimmter, "freier" Dienstverpflichtung und fremdbestimmter Arbeitsleistung erfolgt über den Begriff des Arbeitnehmers. Gemäß § 611a BGB liegt ein Arbeitsvertrag vor, wenn "der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet" wird. Ob der Dienstvertrag ein Arbeitsvertrag oder ein sog. "freier" Dienstvertrag ist, hängt allein davon ab, ob die beschäftigte Person abhängige, insbesondere weisungsgebundene Tätigkeit als Arbeitnehmer leistet oder ob die Tätigkeit in persönlicher Selbstständigkeit ohne Einbindung in die betriebliche Organisation des Dienstberechtigten ausgeführt werden soll.[2]

 
Kriterien für die Tätigkeit im Rahmen eines freien Dienstvertrags Kriterien für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags
  • Unternehmerisches Auftreten am Markt
  • Tätigkeit für mehrere Vertragspartner
  • Verwirklichung eigener wirtschaftlicher Chancen und Risiken
  • Vorhandensein eigener Betriebsstätte
  • Eigene und freie Gestaltung von Arbeitszeit und Inhalt der Tätigkeit (vgl. dazu auch § 84 HGB)
  • Erbringung der Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit
  • Weisungsrecht in zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Hinsicht (vgl. dazu auch § 106 GewO)
  • Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses
  • Fremdbestimmung
  • Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers
  • Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation

Die Abgrenzung ist insbesondere dann schwierig, wenn der Dienstverpflichtete dauerhaft nur für einen Vertragspartner tätig ist. Dabei kann ein mehrjähriger Dienstleistungsaustausch gegen Vergütung auf Basis einzelner Dienstverträge oder Auftragsverhältnisse zur konkludenten Begründung eines durchlaufenden Arbeitsverhältnisses führen.[3]

Beschäftigungsverhältnisse von Organmitgliedern

Typischerweise als Dienstvertrag zu qualifizieren sind Beschäftigungsverhältnisse von Organmitgliedern wie Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern. Bei diesen Personen fehlt es regelmäßig an der persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers, zudem nehmen sie originär Arbeitgeberfunktionen wahr. Dennoch kann bei entsprechender Ausgestaltung und/oder praktischer Handhabung im Hinblick auf eine Verdichtung von Weisungsbefugnissen ausnahmsweise auch ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer im Vertrag als "leitender Angestellter" bezeichnet wird.[4] Schließlich kann ein (Fremd-)Geschäftsführer auch als arbeitnehmerähnliche Person zu qualifizieren sein.[5] Bei einem Wechsel von einem Arbeitsvertrag als leitender Angestellter in einen Dienstvertrag als Gesellschaftsorgan wird der Arbeitsvertrag im Zweifel unwiderruflich aufgehoben.[6] Eine andere Auslegung des Geschäftsführer-Dienstvertrags kommt nur bei konkreten und ausreichend deutlichen Anhaltspunkten in Betracht.

 
Wichtig

Bezeichnung des Vertrags

Bei der Bezeichnung des Vertrags ist zu unterscheiden:

  • Wird entgegen der tatsächlichen Durchführung von den Parteien der Vertrag als "Arbeitsvertrag" bezeichnet, ist aufgrund der insoweit zulässigen Vertragstypenwahl von einem Arbeitsvertrag auszugehen.
  • Umgekehrt ist es nicht möglich, eine tatsächlich als Arbeitsvertrag zu qualifizierende Beschäftigung durch die Bezeichnung als "Dienstvertrag" dem Anwendungsbereich arbeitsrechtlicher Vorschriften zu entziehen. Eine solche Vertragstypenwahl aus dem Arbeitsvertrag heraus in einen freien Dienstvertrag ist nicht möglich.[7]

Abgrenzung vom Werkvertrag

Vom Dienst-, aber auch vom Arbeitsvertrag i. S. d. § 611a BGB ist der Werkvertrag abzugrenzen. Beim Werkvertrag[8] ist die Herstellung eines materiellen oder immateriellen Werkes als Erfolg geschuldet. Dagegen wird beim Dienst- und Arbeitsvertrag die Tätigkeit als solche innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit (Arbeitsstunde, Arbeitstag) geschuldet, nicht die Herbeiführung des Erfolgs. Die Grenzen zwischen beiden Vertragstypen sind fließend.

[1] Auch die Einführung von § 611a BGB änderte an dieser Einordnung nichts.
[5] Vgl. BAG, Urteil v. 21.1.2019, 9 AZB 23/18, i.E. abgelehnt; vgl. auch die strengere Position des EuGH, Urteil v. 11.11.2010, C-232/09 "Danosa".

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