Rz. 16

Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach Ende der Probezeit vorzeitig beendet und liegt kein Fall des § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG vor, kann nach § 23 Abs. 1 BBiG ein Schadensersatzanspruch gegen die schuldhaft handelnde Vertragspartei bestehen. Der Anspruch muss nach § 23 Abs. 2 BBiG innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht werden. § 23 Abs. 1 BBiG ist gegenüber § 628 Abs. 2 die speziellere Norm, lässt jedoch allgemeine schadensrechtliche Grundsätze unberührt.[1]

Die Norm hat daher 4 Voraussetzungen:

  • Eine Partei des Ausbildungsvertrags hat das Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst.
  • Der Anspruchsgegner hat die Auflösung verursacht.
  • Der Anspruchsgegner hat den Grund für die Auflösung zu vertreten.
  • Es muss ein Schaden beim Anspruchsteller entstanden sein.

Für die vorzeitige Lösung (erste Voraussetzung) genügt es, dass das Berufsausbildungsverhältnis tatsächlich beendet wurde.[2] Ob es überhaupt (wirksam) gekündigt wurde, es einen Aufhebungsvertrag gab[3] oder das Ausbildungsverhältnis faktisch nicht fortgeführt wurde, ist ohne Belang.[4] Ob ein Auszubildender eine Kündigungsschutzklage erheben muss, wenn er Schadensersatzansprüche nach § 23 Abs. 1 BBiG geltend machen will, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden.[5] Dafür spricht der Zweck der §§ 4, 7 KSchG: Nach Ablauf der Frist soll die Kündigung mit allen Konsequenzen von der Rechtsordnung gebilligt werden und die zugrunde liegenden Fragen nicht im Rahmen einer Klage nach § 23 Abs. 1 BBiG aufgerollt werden müssen. Dagegen spricht allerdings, dass dieses Erfordernis in § 23 BBiG nicht genannt ist und nicht einmal eine (wirksame) Kündigung Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ist. Zudem ist nicht einzusehen, warum ein Auszubildender, der schnell eine neue Ausbildungsstelle findet und daher kein Interesse an einer Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses hat, keinen Schadensersatzanspruch geltend machen können soll.

Weiterhin muss ein Verhalten des Vertragspartners ursächlich für die Lösung des Ausbildungsverhältnisses sein (zweite Voraussetzung). Meist wird man die Motivation aus dem Kündigungsschreiben ziehen können. Theoretisch ist aber denkbar, dass ein Auszubildender, der zwar wegen bereits abgemahnten Zahlungsverzugs ein Kündigungsrecht und Anspruch auf Schadensersatz hätte, dennoch aus ganz anderen Gründen kündigt. In diesem Fall besteht kein Anspruch auf Schadensersatz.

Drittens setzt der Schadensersatzanspruch eine schuldhafte Verletzung der Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis voraus. Hier kommen diejenigen Gründe in Betracht, die zu einer verhaltensbedingten Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG berechtigen, unabhängig davon, ob sie auch zur Kündigung geführt haben oder zum Beispiel zu einem Aufhebungsvertrag.[6]

Eine schuldhafte Pflichtverletzung kann auch in einer gesetzeswidrigen Kündigung liegen.

Die vierte Voraussetzung liegt darin, dass ein Schaden entstanden sein muss. Der Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens. Dies ist der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass das Ausbildungsverhältnis vorzeitig beendet wurde, also etwa Aufwendungen für die Begründung eines neuen Berufsausbildungsverhältnisses und die Mehrkosten, die durch die Ausbildung an einem anderen Ort entstehen.[7] Dazu gehört für den kündigenden Auszubildenden v.a. auch die geschuldete Ausbildungsvergütung bis zur Aufnahme einer neuen Ausbildung oder die Vergütungsdifferenz, wenn die neue Ausbildung geringer vergütet wird.[8]

Löst der Ausbildende das Ausbildungsverhältnis, kommen zwar theoretisch auch Schadensersatzansprüche in Betracht. Allerdings ist die Darlegung eines konkreten Schadens regelmäßig schwierig, weil die Leistung eines Auszubildenden nicht derjenigen eines Arbeitnehmers entspricht.[9]

Schließlich ist die Ausschlussfrist nach § 23 Abs. 2 BBiG zu beachten. Es handelt sich nicht um eine Verjährungsfrist, sondern einen im Streitfall vom Gericht von Amts wegen zu beachtenden Umstand. Der Ablauf der Frist führt zum endgültigen Untergang des Anspruchs. Anders als in § 23 Abs. 1 BBiG knüpft § 23 Abs. 2 BBiG für den Fristbeginn an das vertragsgemäße rechtliche Ende des Ausbildungsverhältnisses an, nicht an die tatsächliche Auflösung.[10]

 

Beispiel

Das Ausbildungsverhältnis beginnt am 1.8.2022 und soll bis zum 31.7.2025 andauern. Der Auszubildende kündigt nach Abmahnung wegen fortgesetzten Zahlungsverzugs im Hinblick auf die geschuldete Ausbildungsvergütung am 23.1.2023. Einen etwaigen Schadensersatzanspruch muss er spätestens bis zum 31.10.2025 geltend machen.

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