Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 23.07.1993)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 1993 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Im Revisionsverfahren ist noch streitig, ob die Klägerin von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) die Übernahme von Lehrgangsgebühren und Kosten für Lernmittel beanspruchen kann, die anläßlich ihrer Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung angefallen sind.

Die 1956 geborene Klägerin war vom 15. September 1976 bis zum 30. Juni 1977 als kaufmännische Angestellte in einem Verlag beschäftigt. Anschließend absolvierte sie bis Mai 1985 ein Studium im Fachbereich Neuere Philologien, das sie erfolgreich mit der Magisterprüfung abschloß. Seit dem 2. Januar 1986 stand sie als Verkaufsleiterin in einer von vornherein bis zum 31. Dezember 1988 befristeten Beschäftigung bei der P. … GmbH, F. … Da sich der Klägerin ab 1. September 1988 eine Beschäftigung bei der Werbeagentur K. S. & Partner GmbH, H., … bot, wurde dieses Arbeitsverhältnis vorzeitig aufgelöst. Ab Oktober 1989 wechselte die Klägerin erneut zu der P. … GmbH.

Vom 10. Oktober 1987 bis 26. März 1988 und vom 9. April 1988 bis zum 7. Oktober 1989 nahm sie an einer berufsbegleitenden Bildungsmaßnahme „Fachkaufmann für Marketing” teil. Ihren Antrag, Lehrgangsgebühren, Lernmittelkosten und die Prüfungsgebühr zu übernehmen, lehnte das Arbeitsamt (ArbA) ab, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Förderung nicht gegeben seien. Sie erfülle den Grundtatbestand des § 46 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wonach der Antragsteller vor Maßnahmebeginn mindestens zwei Jahre lang innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld (Alg) bezogen haben müsse, ebensowenig wie die Leistungsvoraussetzungen nach § 46 Abs 3 AFG iVm § 44 Abs 2 Satz 2 AFG. Insbesondere lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG nicht vor, da sie im Hinblick auf das bis zum 31. Dezember 1988 befristete Beschäftigungsverhältnis bei der P. … GmbH im Zeitpunkt des Beginns der Bildungsmaßnahme nicht von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht gewesen sei (Bescheid vom 14. März 1988, Widerspruchsbescheid vom 1. August 1988; Bescheid vom 13. September 1988 und undatierter Widerspruchsbescheid – Geschäftszeichen: W 1656/88).

Im Klageverfahren hat die Klägerin ua geltend gemacht, wegen der zeitlichen Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bei der P. … GmbH habe sie sich bemüht, rechtzeitig eine neue Arbeitsstelle zu finden. Sie habe sich deshalb bei verschiedenen Firmen beworben und schließlich von der Werbeagentur K. S. & … Partner GmbH die Zusage erhalten, sie ab September 1988 einzustellen. Von seiten dieses Arbeitgebers sei jedoch die Bedingung gestellt worden, daß sie sich zur Marketing-Kauffrau ausbilden lasse. Dementsprechend habe sie im Oktober 1987 mit der Maßnahme begonnen und sei nach der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses bei der P. … GmbH ab 1. September 1988 bei der Werbeagentur tätig gewesen.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 29. Juni 1992 die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 23. Juli 1993 die Berufung der Klägerin wegen der Prüfungsgebühr als unzulässig verworfen und das Rechtsmittel im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Es hat im Ergebnis die Rechtsauffassung des SG bestätigt und ausgeführt, die Klägerin erfülle weder die in § 46 Abs 1 AFG genannten Beitrags- oder Bezugszeiten noch liege bei ihr ein Fall der unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG vor. Trotz der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sei sie zum Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme im Oktober 1987 mehr als ein Jahr vor Ende des Arbeitsverhältnisses nicht „unmittelbar” von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen, zumal sich ihr schon zum 1. September 1988 eine neue Beschäftigung geboten habe. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 44 Abs 2 Satz 3 AFG berufen, da die dort genannten Fallgestaltungen nicht gegeben seien, dh weder eine Kündigung ausgesprochen noch die Eröffnung eines Konkursverfahrens beantragt worden sei. § 44 Abs 2 Satz 3 AFG enthalte zwar keine abschließende Aufzählung; der Vorschrift könne jedoch entnommen werden, daß nur solche Fälle von § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG erfaßt sein sollten, in denen die drohende Arbeitslosigkeit „nahe bevorsteht”. Dies sei bei einem Zeitraum von über einem Jahr zwischen Beginn der Maßnahme und drohendem Eintritt der Arbeitslosigkeit, hier dem Auslaufen des befristeten Arbeitsverhältnisses, nicht der Fall.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG. Das LSG habe diese Vorschrift zu eng ausgelegt. Bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme förderungswürdig sei, bedürfe es nicht eines einengenden Zeitmomentes, sondern der Prüfung, ob die Arbeitslosigkeit hinreichend drohe. Dies sei dann zu bejahen, wenn keine rechtlichen Möglichkeiten oder sonstigen Handhaben gegeben seien, einer bekannt gegebenen oder bereits von Anfang bekannten Befristung entgegenzutreten. Ein Vergleich mit den in § 44 Abs 2 Satz 3 AFG genannten Fallgestaltungen, insbesondere der Kündigung, verdeutliche, daß die Einführung eines Zeitmomentes in § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG keinen Platz haben könne. Wäre statt der Befristung des Arbeitsverhältnisses eine langfristige Kündigung seitens des Arbeitgebers ausgesprochen worden, so wäre die Maßnahme nach § 44 Abs 2 Satz 3 AFG zwingend durch die Beklagte zu fördern gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie die Bescheide vom 14. März 1988 und vom 13. September 1988 insoweit aufzuheben, als die Lehrgangsgebühren und Lernmittel betroffen sind, und die Beklagte insoweit zur Leistung im gesetzlichen Umfang zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die noch streitigen Förderungsleistungen verneint.

Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Zulässigkeit der Berufung, eine auch bei zugelassener Revision von Amts wegen zu prüfende Frage, hat das LSG zutreffend bejaht. Es hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, daß § 45 AFG keinen einheitlichen Anspruch begründet, in dessen Rahmen die einzelnen Leistungen nur den Charakter von Berechnungsfaktoren haben. Vielmehr besteht auf jede der dort aufgeführten Leistungen ein selbständiger Anspruch, der im Verfahren einen eigenen Streitgegenstand bildet, so daß die Sachurteilsvoraussetzungen und auch die Zulässigkeit der Berufung wegen jedes einzelnen Anspruches gesondert zu prüfen sind (BSG SozR 1500 § 144 Nr 16 mwN). Da ausweislich des Maßnahmebogens der Beklagten die Kosten für Lernmittel und Lehrgangsgebühren in vierteljährlichen Teilbeträgen zur Zahlung fällig wurden, steht mit Rücksicht auf die begehrte Förderungsdauer fest, daß es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen von mehr als 13 Wochen handelte. Die Berufung war demnach gemäß § 144 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier nach Art 14 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I 50) noch anwendbaren, bis 28. Februar 1993 geltenden Fassung nicht ausgeschlossen.

Maßgebend für den von der Klägerin geltend gemachten Förderungsanspruch ist das im Zeitpunkt der Antragstellung bzw des Beginns der Maßnahme geltende Recht, wenn – wie hier – die Antragstellung erst später erfolgte. Spätere Rechtsänderungen, insbesondere die völlige Umgestaltung der – wie im folgenden noch auszuführen ist – einschlägigen Regelung des § 44 Abs 2 Satz 2 und 3 AFG durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353), in Kraft getreten am 1. Januar 1994 (Art 14), sind nicht zu berücksichtigen.

Rechtsgrundlage für den Förderungsanspruch der Klägerin ist somit § 45 AFG in der ab 1. Januar 1982 geltenden und bis zum 31. Dezember 1988 gültigen Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497). Danach trägt die BA ganz oder teilweise die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, insbesondere Lehrgangskosten und Kosten für Lernmittel.

Diese Förderung der beruflichen Bildung ist jedoch grundsätzlich an eine vorherige Beitragsleistung zur BA geknüpft. So bestimmt § 46 Abs 1 Satz 1 AFG in der hier maßgebenden bis zum 31. Dezember 1992 gültigen Fassung des 7. AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484), daß Leistungen nach § 45 Antragstellern gewährt werden, die vor Maßnahmebeginn mindestens zwei Jahre lang innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe bezogen haben. Diese sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt die Klägerin – wie sie selbst nicht mehr bestreitet – nicht. Sie hat nach Beendigung ihres Studiums erst am 2. Januar 1986 wieder eine Beschäftigung aufgenommen, so daß sie zu Beginn der Maßnahme am 10. Oktober 1987 nicht mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt hat. Als Maßnahmebeginn ist – wie bereits vom SG zutreffend ausgeführt worden ist – vom 10. Oktober 1987 auszugehen, obwohl die von der Klägerin besuchte Maßnahme in zwei Maßnahmeabschnitte aufgegliedert war. Denn es handelt sich um eine einheitliche Maßnahme, die durch eine Abschlußprüfung insgesamt beendet wurde.

Trotz fehlender Beitragszeiten sieht § 46 Abs 3 AFG die Möglichkeit einer Förderung vor, wenn die Antragsteller die Voraussetzungen nach § 44 Abs 2 Satz 2 AFG erfüllen.

Der in Bezug genommene § 44 Abs 2 Satz 2 AFG idF des 7. AFG-ÄndG erfaßt Personen, deren Teilnahme an der Bildungsmaßnahme notwendig ist, damit ein Antragsteller, der

  1. arbeitslos ist, beruflich eingegliedert wird,
  2. von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht ist, nicht arbeitslos wird,
  3. keinen beruflichen Abschluß hat, eine berufliche Qualifikation erwerben kann,
  4. einen Beruf ergreifen will, in dem ein Mangel an Arbeitskräften auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt steht oder in absehbarer Zeit zu erwarten ist, diesen ausüben kann.

Von diesen gesetzlichen Tatbeständen kommt beim vorliegenden Sachverhalt von vornherein nur die Nr 2 in Betracht. Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.

Die Entscheidung, ob ein Antragsteller „unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedroht” iS des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG ist, ist grundsätzlich vom Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung, spätestens vom Beginn der Maßnahme her, zu fällen (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr 46 und BSGE 62, 236, 238 = SozR 4100 § 46 Nr 8). Die Klägerin war bei Beginn der Maßnahme im Oktober 1987, knapp 15 Monate vor dem Auslaufen ihres befristeten Arbeitsverhältnisses, nicht unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedroht.

Wann ein Fall einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit gegeben ist, wird zwar in § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG, dessen ursprüngliche Fassung auf das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) zurückgeht, nicht näher definiert. Aber bereits der Wortlaut der Regelung mit dem Erfordernis „unmittelbar bedroht” legt nahe, daß nicht jede Gefahr, arbeitslos zu werden, genügen kann, sondern die Bedrohung von Arbeitslosigkeit unmittelbar bestehen muß. Zu den erfaßten Fallgestaltungen sollte nach den Gesetzesmaterialien des HStruktG-AFG ua die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und die Anzeige von Massenentlassungen nach § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gehören (BT-Drucks 7/4127 S 50). Welche Fallgestaltungen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Annahme einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit auslösen sollten, hat in der Folge auch die Einfügung des Satzes 3 in § 44 Abs 2 AFG durch das AFKG klargestellt. Danach ist von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht ein Arbeitnehmer insbesondere dann, wenn eine Kündigung bereits ausgesprochen oder die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers beantragt ist. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte damit der Begriff des unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitsuchenden näher definiert werden (BT-Drucks 9/799 S 37 Buchstabe a zu Nr 9).

Diese Beispielsfälle machen ebenfalls deutlich, daß nicht eine drohende Arbeitslosigkeit genügt, sondern nur eine Arbeitslosigkeit, die nahe bevorsteht und mit Wahrscheinlichkeit eintritt (ebenso die einhellige Literaturmeinung – vgl Gagel/Richter, AFG, Stand August 1992, § 44 RdNr 46; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Kommentar zum AFG, Stand September 1993, § 44 RdNr 46; Holst in GK-AFG, § 44 Rz 35). Im Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist der Eintritt der Arbeitslosigkeit nur noch vom Zeitablauf abhängig, sofern der gekündigte Arbeitnehmer über keinen Anschlußarbeitsplatz verfügt (so bereits BSG-Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 36/82 – AuB 1983, 347).

Die Einfügung des Satzes 3 in § 44 Abs 2 AFG bedeutet, wie sich schon aus dem Wort „insbesondere” ergibt, keine abschließende Aufzählung. Alle Fälle, die unter die Vorschrift des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG fallen sollen, müssen jedoch von der Bedeutung her den in Satz 3 angeführten Beispielen vergleichbar sein (ebenso Gagel/Richter, aaO, RdNr 47; Holst in GK-AFG, aaO, RdNr 35). Demgemäß hat der 9. Senat des BSG in einer Entscheidung vom 31. März 1992 (BSGE 70, 226, 227 = SozR 3-4100 § 45 Nr 2) zu § 44 Abs 2 Nr 2 AFG ausgeführt, allein die langfristige Aussicht auf eine Verschlechterung der Beschäftigungsmöglichkeiten im Beruf genüge zur Annahme einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit nicht, jedenfalls solange der Antragsteller seinen Arbeitsplatz ungekündigt innehat.

Für die Annahme einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit kommt es also hier darauf an, ob das befristete Arbeitsverhältnis der Klägerin den in § 44 Abs 2 Satz 3 AFG genannten Fallgestaltungen gleichzustellen ist. Dies ist zu verneinen. Allein die Gefahr einer Arbeitslosigkeit durch Befristung des Arbeitsverhältnisses genügt nicht. Denn die Bedrohung muß – wie dargestellt – „unmittelbar” bestehen. Hinzukommen muß also, daß das befristete Arbeitsverhältnis in Kürze ausläuft und damit die Arbeitslosigkeit nahe bevorsteht.

Welcher Zeitraum für die Annahme einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit zu Grunde zu legen ist, richtet sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles. So ist auch in den in § 44 Abs 2 Satz 3 AFG genannten Beispielsfällen der Kündigung und des Konkurseröffnungsantrags keine Fristbestimmung enthalten. Der Beispielsfall der Kündigung des Arbeitsvertrages könnte allerdings den Rückschluß zulassen, daß bei einem befristeten Arbeitsverhältnis von einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit nur dann ausgegangen werden kann, wenn die Ablauffrist der Frist entspricht, die bei einer Kündigung des Arbeitsvertrages einzuhalten wäre. Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Angestellten – wie hier der Klägerin – sieht § 622 Abs 1 BGB eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres vor.

Hier bedarf es jedoch keiner Festlegung, wann bei einem befristeten Arbeitsverhältnis von einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit auszugehen ist. Denn jedenfalls ist der Ansicht des LSG zu folgen, wonach bei einem Zeitraum von über einem Jahr nicht von einer unmittelbaren Bedrohung von Arbeitslosigkeit gesprochen werden kann. Diese Zeitgrenze von einem Jahr bietet sich auch im Hinblick auf die – bereits von den Vorinstanzen zitierte – Rechtsprechung des 7. Senats des BSG an, die zu dem weiteren, in § 44 Abs 2 Satz 2 AFG genannten Tatbestandsmerkmal, nämlich der „Notwendigkeit” der Bildungsmaßnahme, ergangen ist. Danach sind in den Fällen bestehender oder unmittelbar drohender Arbeitslosigkeit Bildungsmaßnahmen erst notwendig, wenn den Antragstellern in absehbarer Zeit – einem Zeitraum bis zu 12 Monaten – kein angemessener Arbeitsplatz vermittelt werden kann (BSG-Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 36/82 –).

Die Klägerin war demzufolge bei Maßnahmebeginn im Oktober 1987 über ein Jahr (knapp 15 Monate) vor dem Auslaufen ihres befristeten Arbeitsverhältnisses (am 31. Dezember 1988) nicht „unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedroht” iS des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG.

Eine unmittelbare Bedrohung von Arbeitslosigkeit ist bei ihr – wie dies bereits vom LSG kurz angesprochen worden ist – auch aus einem weiteren Grund zu verneinen. Denn nach den Feststellungen des SG, auf die das LSG in seiner Entscheidung Bezug genommen hat und die insoweit auch dem eigenen Vorbringen der Klägerin entsprechen, war sie nicht durchgehend ab Oktober 1987 bis zum Auslaufen ihres befristeten Arbeitsverhältnisses bei der P. … GmbH beschäftigt. Vielmehr wurde dieses Beschäftigungsverhältnis im Hinblick auf die neue Arbeitsstelle der Klägerin bei der Werbeagentur K. S. & … Partner GmbH vorzeitig aufgelöst. Die Klägerin stand somit ab 1. September 1988 in einem neuen Arbeitsverhältnis. Sie hat – wie ebenfalls vom SG festgestellt und von ihr vorgetragen worden ist – den neuen Arbeitsplatz bei der Werbeagentur ab 1. September 1988 unter der Voraussetzung erhalten, sich zur Marketing-Kauffrau ausbilden zu lassen und deshalb im Hinblick auf diese Zusage die Maßnahme bereits im Oktober 1987 angetreten. Die Klägerin hatte also bereits zu Beginn der Maßnahme im Oktober 1987 neben dem befristeten Arbeitsverhältnis bei der P. … GmbH einen neuen Arbeitsplatz bei der Werbeagentur in Aussicht und diese Aussicht hat sich durch die Arbeitsaufnahme ab 1. September 1988 bestätigt. Auch im Hinblick auf diesen Sachverhalt kann bei der Klägerin von einer unmittelbar bevorstehenden Arbeitslosigkeit und einer Fallgestaltung, die – wie sie meint – der in § 44 Abs 2 Satz 3 AFG genannten Kündigung des Arbeitsvertrages gleichzustellen wäre, nicht die Rede sein.

Soweit sie diesem Ergebnis entgegenhält, daß dies auf eine Bestrafung der von ihr gezeigten Initiative hinauslaufe, ist der Einwand unzutreffend. Denn zum einen wäre es ihr – wie bereits das SG ausgeführt hat – zuzumuten gewesen, sich wegen der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses als Arbeitsuchende für einen Dauerarbeitsplatz beim ArbA zu melden, um Möglichkeiten einer Vermittlung in Arbeit durch die Beklagte – auch ohne Fortbildungsmaßnahme – auszuschöpfen. Zum anderen kann nicht alles, was zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit sinnvoll ist, gefördert werden. Vielmehr sind die Förderungsleistungen, die aus dem Beitragsaufkommen der BA finanziert werden, grundsätzlich, wie die Grundregelung in § 46 Abs 1 AFG zeigt, an die Erfüllung der sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen geknüpft. Wenn nur ausnahmsweise gemäß § 46 Abs 3 AFG trotz fehlender Beitragszeiten eine Förderung unter den Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG erfolgen kann, rechtfertigt dies keine erweiternde Auslegung der hierfür geltenden Voraussetzungen.

Die Revision der Klägerin ist somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172904

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