Leitsatz (amtlich)

1. SGG § 147 gilt auch für den Bereich der individuellen Förderung der beruflichen Bildung nach dem AFG.

2. Der Streit um den Anspruch auf Erstattung notwendiger Kosten für auswärtige Unterbringung iS von AFG § 45 ist kein Streit um die Höhe der Leistung iS von SGG § 147.

3. Der Anspruch auf Kostenerstattung für auswärtige Unterbringung iS von AFG § 45 hängt nicht davon ab, ob dem Teilnehmer die Verlegung seines Wohnsitzes an den Maßnahmeort zumutbar ist. Das gilt auch für Ledige. Maßgebend ist der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse.

4. Das Pauschale iS von AFuU § 16 Abs 3 Buchst c (Fassung: 1969-12-18) für Verpflegung steht dem Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme zu, wenn die auswärtige Unterbringung iS von AFG § 45 erforderlich ist. Auf die tatsächliche Höhe des Verpflegungskostenmehraufwandes kommt es nicht an.

 

Normenkette

SGG § 147; AFG § 45 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 16 Abs. 3 Buchst. c Fassung: 1969-12-18

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. August 1973 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 14. November 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für auswärtige Unterkunft und Verpflegung aus Anlaß der Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme.

Der 1948 geborene ledige Kläger ist gelernter Großhandelskaufmann. Zuletzt arbeitete er bis September 1971 beim Raiffeisenverband O e. V. In der Zeit vom 1. November 1971 bis zum 30. September 1973 nahm er an einem Fortbildungslehrgang zum Fachschulbetriebswirt an der Betriebswirtschaftlichen Fachschule im Berufsfortbildungswerk des DGB in K teil. Bis zum Beginn der Maßnahme bewohnte der Kläger bei seinen Eltern in S bei F ein möbliertes Zimmer. Für die Dauer der Fortbildungsmaßnahme mietete er sich in K ein möbliertes Zimmer.

Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte für die Teilnahme an dem Lehrgang Förderungsleistungen für die berufliche Fortbildung mit Ausnahme der Kosten für die auswärtige Unterbringung und Verpflegung in K (Bescheid vom 4. November 1971). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 1972 mit der Begründung zurück, dem Kläger könnte die begehrte Kostenerstattung für auswärtige Unterkunft und Verpflegung in K für die Dauer der Teilnahme an dem in Rede stehenden Lehrgang nicht zugebilligt werden, weil ihm als Ledigem ohne eigenen Hausstand ein Umzug nach K zuzumuten sei. Das Sozialgericht (SG) Fulda hat die Beklagte am 14. November 1972 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger zusätzliche Kosten für auswärtige Unterkunft und Verpflegung in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Auf die - nicht zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 20. August 1973 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG insbesondere ausgeführt: Der Kläger könne zu den Kosten für Unterkunft und Verpflegung an dem Maßnahmeort K neben dem bereits gewährten Unterhaltsgeld zusätzlich keinen Zuschuß verlangen, weil die Voraussetzungen des § 45 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sowie des § 16 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970, 85 - AFuU 1969 -) nicht erfüllt seien. Danach habe die Beklagte die Kosten der Unterkunft und Verpflegung bei einer auswärtigen Unterbringung nur dann zu tragen, wenn die auswärtige Unterbringung wegen der Teilnahme an der Maßnahme notwendig sei. Dies sei dann nicht der Fall, wenn es dem Teilnehmer zuzumuten sei, täglich von seinem Wohnort zu dem Ort zu fahren, an dem die Maßnahme stattfinde (BT-Drucks. zu V/4110 zu § 44 AFG). Entsprechendes habe zu gelten, wenn dem Förderungswilligen die Aufgabe seiner bisherigen Unterbringung und die Begründung einer neuen am Maßnahmeort, die dann keine auswärtige Unterbringung mehr darstelle, zuzumuten sei. Für die Bestimmung der Zumutbarkeit seien im Einzelfall der Familienstand des Teilnehmers, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine Wohnverhältnisse am Hauptwohnsitz sowie die Dauer der Maßnahme maßgeblich. Diesen Umständen trage die Beklagte durch ihre Auslegung von § 16 AFuU 1969 in den vorläufigen Durchführungsanweisungen (DA) Rechnung. Danach seien Alleinstehenden Leistungen nach § 16 AFuU 1969 zu gewähren, a) wenn sie nachwiesen, daß sie am Hauptwohnsitz als Hauptmieter einen Hausstand oder als Eigentümer eine Wohnung unterhielten oder b) wenn die Maßnahme von vornherein auf eine Dauer bis zu höchstens drei Monaten beschränkt sei und ihnen deshalb eine Verlegung des Wohnsitzes nicht zugemutet werden könne. Dem Kläger sei es danach zuzumuten gewesen, während der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme seinen Wohnsitz nach Kassel zu verlegen. Er sei ledig, 23 Jahre alt und aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht an der Wohnsitzverlegung gehindert gewesen. Da ihm ein tägliches Pendeln von Salmünster nach Kassel wegen der Entfernung nicht zumutbar gewesen sei, sei er allein auf Grund der erforderlichen Anwesenheit in K an der Mithilfe im Haushalt der Eltern und an der Ausübung seiner kirchlichen und sportlichen Verpflichtungen in S gehindert gewesen. Die Frage, ob allein die Tatsache, daß ein Lediger am Hauptwohnsitz einen Hausstand als Hauptmieter oder Eigentümer eine Wohnung unterhalte, ausreiche, einem Alleinstehenden Leistungen nach § 16 AFuU 1969 zu gewähren, oder ob ihm nicht auch in einem solchen Falle bei der 23-monatigen Maßnahme ein Umzug zumutbar sei, könne offenbleiben, da der Kläger in S weder einen Hausstand als Hauptmieter noch als Eigentümer eine Wohnung nachgewiesen habe. Im Hinblick auf die Dauer der Maßnahme sei dem Kläger daher ein Übersiedeln nach K für die Maßnahmedauer zumutbar gewesen. Weder die Regelungen in § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches noch in §§ 10 des Ausbildungsförderungsgesetzes, 13 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) vermögen nach Auffassung des LSG daran etwas zu ändern, daß es für die Entscheidung der Frage, ob dem Kläger zusätzlich Kosten für Unterkunft und Verpflegung von der Beklagten zu erstatten seien, darauf ankomme, ob ihm eine Wohnsitzverlegung nach K zuzumuten sei.

Die von der Beklagten in ihrer DA gegebene Auslegung des § 16 AFuU 1969 stelle keine über diese Vorschrift hinausgehende zusätzliche Leistungseinschränkung dar. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, in der Anordnung ausdrücklich zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Alleinstehenden Leistungen nach § 16 AFuU 1969 zu gewähren seien. Der Kläger könne sich schließlich nicht darauf berufen, daß anderen Teilnehmern zusätzlich die Kosten für Unterkunft und Verpflegung in rechtswidriger Weise erstattet worden seien oder daß er von der Beklagten eine verbindliche Förderungszusage erhalten habe.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 45 AFG. Zur Begründung führt er insbesondere aus: Wann ein Fall "notwendiger Kosten" vorliege, gehe weder aus dem Gesetz noch aus der dazu erlassenen Anordnung hervor. Die Beklagte stütze ihren ablehnenden Standpunkt zu Unrecht auf ihre DA. Es könne zwar zutreffen, daß die in der DA angeführten Tatbestände im allgemeinen Fälle "notwendiger Kosten" darstellten. Der Begriff "notwendige Kosten" sei aber aus sich heraus auszulegen und erfordere im Einzelfall eine anderweitige Lösung. Der Begriff "notwendige Kosten" sei objektiv zu deuten; er stehe im Gegensatz zu "vermeidbaren Kosten". Ob Kosten notwendig oder vermeidbar seien, richte sich allein nach der Interessenlage. Dabei stehe auf der einen Seite die Beklagte, der Mittel der Arbeitnehmer und Arbeitgeber anvertraut seien, und auf der anderen Seite das Interesse des Klägers, in seiner privaten Sphäre nicht übermäßig beeinträchtigt zu sein. Bei der Abwägung zwischen diesen Interessen spiele aber die Beeinträchtigung persönlicher, möglicherweise ideeller Belange eine entscheidende Rolle, nicht aber der Hausstand des Teilnehmers am Hauptwohnsitz. Die vom Kläger vorgetragenen Argumente zeigten eindeutig auf, daß ihm ein Umzug nicht zuzumuten sei und die Aufgabe des Hauptwohnsitzes eine unbillige Härte für ihn bedeute. Insofern paßten die in der DA aufgeführten Fälle nicht zu der Ausgangsvorschrift des § 45 AFG, da sie nicht die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 14. November 1972 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zugelassene Revision ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für auswärtige Unterkunft und Verpflegung i. S. von § 45 AFG zu.

Die Zulässigkeit der Berufung, eine auch bei zugelassener Revision von Amts wegen zu prüfende Frage, hat das LSG zutreffend bejaht. Insbesondere war die Berufung nicht nach § 147 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Diese Vorschrift gilt zwar, wie der Senat bereits entschieden hat, auch für die Aufgaben der Beklagten im Bereich der beruflichen Bildungsförderung (vgl. Urteile vom 16. März 1973 - 7 RAr 36/72 - insoweit in BSGE 35, 262 nicht abgedruckt und vom 21. September 1967 - 7 RAr 31/65 - Breithaupt 1968, 523). Bei einem Streit darüber, ob Erstattung von Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung nach § 45 AFG verlangt werden kann, handelt es sich jedoch nicht um eine Frage nach der Höhe einer Leistung, sondern darum, ob der Anspruch als solcher dem Grunde nach besteht. Die in § 45 AFG geregelte Kostenerstattung betrifft nämlich nicht insgesamt einen einheitlichen Anspruch, der von den einzelnen Kostengründen her nur der Höhe nach bestimmt wird; vielmehr sind hier eine Reihe einzelner Ansprüche zusammengefaßt geregelt, die sowohl gegenüber den jeweils anderen Ansprüchen im Rahmen des § 45 AFG als auch gegenüber sonstigen Ansprüchen im Rahmen der beruflichen Bildungsförderung nach dem AFG, z. B. gegenüber dem Unterhaltsgeld nach § 44 AFG, selbständigen Charakter haben (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. z. AFG, Anm. 1 und 2 zu § 45 AFG).

In der Sache hat das LSG den vom Kläger erhobenen Anspruch zu Unrecht verneint. Nach § 45 AFG trägt die BA ganz oder teilweise die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 AFG) unmittelbar entstehen. Hierzu gehöre u. a. Kosten der Unterkunft und Verpflegung, wenn die Teilnahme an einer Maßnahme auswärtige Unterbringung erfordert. Diese Vorschrift beschränkt den Erstattungsanspruch für Mehraufwand an Verpflegungs- und Unterkunftskosten aus Anlaß der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung nach §§ 41, 47 AFG auf den Fall, daß die Maßnahme nicht am Wohnort des Teilnehmers stattfindet und ihm auch nicht zugemutet werden kann, den Maßnahmeort von seinem Wohnort aus durch tägliches Pendeln zu erreichen, der Besuch der Maßnahme vom bisherigen Wohnort des Teilnehmers aus folglich nicht möglich ist (vgl. zu BT-Drucks. V/4110 S. 10 zu § 44 AFG). Im Rahmen ihres Satzungsrechts nach § 39 AFG (vgl. BSG 35, 164) hat die Beklagte lediglich für den Fall der internatsmäßigen Unterbringung am Wohnort des Teilnehmers eine Ausnahme hiervon zugelassen (vgl. § 16 Abs. 1 AFuU 1969).

Dieser für den Begriff der Auswärtigkeit i. S. von § 45 AFG und § 16 AFuU 1969 maßgebliche geographische Unterschied zwischen Wohnort und Maßnahmeort ist im Fall des Klägers gegeben. Denn nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG konnte der Kläger den Maßnahmeort K von seinem Wohnort S aus durch tägliches Pendeln nicht erreichen.

S ist nach den weiteren Feststellungen des LSG auch während der Dauer der Maßnahme der Wohnort des Klägers in dem hier maßgeblichen Sinn geblieben. Er hat dort - im Haus seiner Eltern - seinen Wohnsitz i. S. von § 7 BGB beibehalten; denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß er diesen Wohnsitz in der fraglichen Zeit aufgegeben hat (§ 7 Abs. 3 BGB). Davon geht auch das LSG aus; es stützt seine Rechtsauffassung gerade darauf, daß es dem Kläger zuzumuten gewesen wäre, seinen Wohnsitz während der Dauer der Maßnahme nach K zu verlegen.

Entgegen der Meinung des LSG brauchte der Kläger jedoch diese Erwägung mit Rücksicht auf den erhobenen Anspruch nicht anzustellen. Das Gesetz enthält keinen Anhalt dafür, daß der Anspruch auf Erstattung eines erhöhten Unterkunfts- und Verpflegungskostenaufwandes nach § 45 AFG von der Frage abhängen soll, ob einem Teilnehmer die Verlegung seines Wohnsitzes an den Maßnahmeort zuzumuten ist. Insbesondere kann diese Bedingung für den Erstattungsanspruch nicht aus dem Begriff der Erforderlichkeit auswärtiger Unterbringung i. S. von § 45 AFG bzw. der Notwendigkeit auswärtiger Unterbringung i. S. von § 16 Abs. 1 AFuU 1969 hergeleitet werden. Diese Regelungen betreffen - wie schon ausgeführt - lediglich die Frage, ob Wohnort des Teilnehmers und Maßnahmeort identisch sind bzw. ob der Teilnehmer von seinem beibehaltenen bisherigen Wohnort aus den "auswärtigen" Maßnahmeort - ggf. im Pendelverkehr - erreichen kann oder nicht. Diese sich auf den erklärten Willen des Gesetzgebers stützende Auslegung rechtfertigt sich auch deshalb, weil es sich bei der Wahl des Wohnsitzes um eine höchstpersönliche Entscheidung handelt, die von einer Vielzahl oft unwägbarer Gründe abhängig ist. Ein Eingriff in eine solche höchstpersönliche Entscheidung wird vom AFG nicht gefordert und wäre auch nicht gerechtfertigt. Sie besitzt im übrigen mit der stets nur eine vorübergehende Situation betreffenden Maßnahme der beruflichen Bildung keinen inneren Zusammenhang. Infolgedessen erfordert es auch der Sachzusammenhang nicht, die Frage der Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit auswärtiger Unterbringung in diesen Fällen von dem Ergebnis der Prüfung abhängig zu machen, ob die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes zumutbar ist oder nicht. Eine solche Prüfung würde im übrigen zur Offenlegung bzw. Ermittlung privater Verhältnisse zwingen, also eine weitere Anspruchsvoraussetzung bezüglich der Person des Bildungswilligen begründen, die über das hinausgeht, was insoweit in den §§ 36, 42 AFG geregelt worden ist. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ist daher die BA im Rahmen ihres Auftrages zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung nicht befugt, die Erforschung dieser Einzelheiten aus der Privatsphäre des Antragstellers vorzunehmen.

Maßgebend für die hier anzustellende Betrachtung ist es, wo der Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme im Zeitpunkt ihres Beginns den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. Dies gilt auch für den ledigen Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der auswärtigen Unterbringung i. S. von § 45 AFG. Das Gesetz enthält in Bezug auf diesen Personenkreis keine Ausnahmeregelungen, ebenso nicht die AFuU, so daß dahinstehen kann, ob eine entsprechende anderweitige Anordnungsregelung ermächtigungskonform wäre (§ 39 AFG). Regelungen der Beklagten in Dienstanweisungen bedürfen in diesem Zusammenhang keiner Prüfung, denn sie haben keine die Gerichte bindende Wirkung. Zur Vermeidung von Mißbräuchen bleibt der Beklagten die Möglichkeit, im Rahmen ihres Anordnungsrechts für besondere Gruppen von Fällen sachgerechte Sonderregelungen zu treffen.

Die Unterhaltung eines Wohnsitzes für die Dauer der Maßnahme am Maßnahmeort kann allerdings nur dann "auswärtige Unterbringung" i. S. von § 45 AFG sein, wenn der Wohnsitz des Teilnehmers an einem anderen Ort weiterhin der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse geblieben ist. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und läßt sich in der Regel nach der stärkeren und dauerhafteren Bedeutung des Wohnort-Wohnsitzes im Verhältnis zu der nur vorübergehenden Unterkunft am Maßnahme-Wohnsitz bestimmen (vgl. auch BSGE 2, 78; 5, 165; 35, 32; 37, 98 mit weiteren Nachweisen). Im Falle des Klägers muß davon ausgegangen werden, daß er den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in S beibehalten hat. Ledige Personen, die nicht nur während ihrer Erziehung und Berufsausbildung, sondern sogar noch während ihrer Berufstätigkeit ausschließlich im Haushalt ihrer Eltern wohnen, besitzen regelmäßig dort den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse, ohne daß es im einzelnen darauf ankommen wird, ob sie im Haushalt der Eltern einen eigenen Hausstand, ein eigenes möbliertes Zimmer oder nur ein eigenes Bett haben. Ebensowenig kommt es auf die Motive an, aus denen der Ledige den Wohnsitz bei seinen Eltern innehat und beibehält, solange es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß es sich dabei in Wahrheit nicht um den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse handelt, etwa weil nur eine formale polizeiliche Meldung aufrechterhalten bleibt, nicht aber die Hausgemeinschaft mit den Eltern und der im wesentlichen tatsächliche Aufenthalt an deren Wohnort. Maßgebend ist hierfür der Wille des Betreffenden, ob er den Wohnsitz bei den Eltern aufhebt (vgl. § 11 Satz 3 BGB; Soergel-Siebert, Komm. z. BGB, Bd. 1 - Allg. Teil - 10. Aufl. § 11 Rdnr. 12). Bei dem Teilnehmer an einer auswärtigen Bildungsmaßnahme stellt ebenso wie bei einem Studierenden die Zeit des Besuchs der Bildungsmaßnahme für sich gesehen keine Lösung dieser Verhältnisse i. S. einer Wohnsitzverlegung an den Maßnahme- bzw. Studienort dar (BSG aaO). Dies war nach den Feststellungen des LSG auch beim Kläger nicht der Fall. Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür festgestellt worden, daß die Unterbringung des Klägers in K aus anderen Gründen als der Teilnahme an der im übrigen geförderten Bildungsmaßnahme erfolgt ist. Die Kosten für diese Unterkunft sowie die Verpflegungsmehrkosten sind demgemäß unmittelbar i. S. von § 45 AFG durch die Bildungsmaßnahme entstanden (vgl. BSG vom 29. August 1974 - 7 RAr 51/73 -). Die nach § 45 AFG hierfür vorgesehene Kostenerstattung steht dem Kläger zu. Dies gilt auch bezüglich der Mehrkosten für Verpflegung wegen auswärtiger Unterbringung. Das Grundurteil des SG (§ 130 SGG), wonach die Beklagte solche Kosten "in gesetzlichem Umfang" zu erstatten hat, wird die Beklagte durch die Anwendung der Regelung in § 45 AFG in Verbindung mit § 16 AFuU 1969 auszuführen haben. Von der Ermächtigung des § 45 AFG, die dort genannten Kosten "ganz oder teilweise" zu erstatten, hat die Beklagte in § 16 Abs. 3 Buchst. c) AFuU 1969 durch Pauschalierung der Kosten auch in bezug auf den Verpflegungsaufwand bei auswärtiger Unterbringung Gebrauch gemacht. Dieses Vorgehen war ermächtigungskonform (vgl. BSG 35, 164; ferner Urteil des Senats vom 17. Dezember 1974 - 7 RAr 36/73 -). Danach steht dem Teilnehmer an der Bildungsmaßnahme auch das Pauschale für Verpflegung zu, wenn der Tatbestand der erforderlichen auswärtigen Unterbringung i. S. von § 45 AFG gegeben ist (vgl. auch § 16 Abs. 1 AFuU 1969). Das ist hier, wie dargelegt, der Fall. Das Wesen einer Pauschalregelung für die Gewährung von Leistungen zum Ausgleich eines Kostenaufwandes bedeutet, daß nicht seine tatsächliche Höhe im Einzelfall maßgebend ist. Jede Pauschalierung kann im Einzelfall zu Begünstigungen, aber auch zu Benachteiligungen führen (vgl. BSG 27, 178, 181). Deshalb kommt es im Rahmen der getroffenen Regelung auch nicht darauf an, ob dem auswärtig untergebrachten Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme überhaupt ein besonderer Verpflegungsaufwand entsteht, ggf. in welcher Höhe. Eine Prüfung dieser Frage wäre mit dem aus Praktikabilitätsgründen sich rechtfertigenden Sinn jeder Pauschalierung von Kostenerstattungen nicht vereinbar. Mangels einer entsprechenden anderweitigen Regelung in der AFuU 1969 hat die Beklagte jedenfalls keine Möglichkeit, abweichend von der von ihr selbst getroffenen Regelung der Anwendung eines Pauschales abzuweichen, selbst wenn im Einzelfall keine oder niedrigere Kosten entstanden sein sollten.

Das angefochtene Urteil muß sonach aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1649709

BSGE, 119

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