Beteiligte

27. April 1982 Kläger und Revisionsbeklagter

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob die Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung der Angestellten (AV) aufgeschoben ist.

Die 1950 geborene, beigeladene Maria H… war vom 1. Dezember 1971 bis 31. Januar 1973 als Lehramtsanwärterin für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen Beamtin auf Widerruf des klagenden Landes und deshalb in der AV beitragsfrei (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG). Nachdem sie im Januar 1973 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen abgelegt hatte, hatte sie der Kläger zum letztgenannten Zeitpunkt auf ihren Wunsch aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Ab 1. April 1973 studierte die Beigeladene Sonderschulpädagogik an einer Hochschule. Zum 1. Februar 1975 berief sie der Kläger als Volksschullehrerin zur Anstellung (z.A.) wieder ins Beamtenverhältnis. Seit November 1975 ist die Beigeladene Sonderschullehrerin.

Bereits unter dem 2. Mai 1974 hatte der Kläger in bezug auf die Beschäftigung der Beigeladenen als Lehramtsanwärterin eine Bescheinigung über den Aufschub der Nachversicherung erteilt und angegeben, daß die versicherungsfreie Beschäftigung nur vorübergehend unterbrochen sei; die Beigeladene studiere und beabsichtige, in den Landesdienst zurückzukehren; die Wiedereinstellung werde voraussichtlich möglich sein.

Mit Sammelbescheid vom 31. Oktober 1974 und gleichlautendem weiteren Bescheid vom 5. September 1975 forderte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom Kläger für die Beigeladene Beiträge zur AV vom 1. Dezember 1971 bis 31. Januar 1973, weil Frau H… nicht beurlaubt, sondern aus dem Dienstverhältnis entlassen sei. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte zurück (Widerspruchsentscheidung vom 21. Januar 1977, ausgefertigt unter dem 28. Januar 1977).

Auf die Klage des Klägers hat das Sozialgericht (SG) mit dem angefochtenen Urteil vom 28. November 1980 die Beitragsbescheide der Beklagten aufgehoben, die Sprungrevision zugelassen und ausgeführt: Ungeachtet der Aufschubbescheinigung des Klägers entscheide die Beklagte über die Frage der Aufschiebung der Beitragsnachentrichtung. Wenngleich der Fall der Beurlaubung ohne Dienstbezüge den typischen Fall der vorübergehenden Unterbrechung einer versicherungsfreien Beschäftigung darstelle, könne dies auch bei einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis angenommen werden. Das an das versicherungsfreie Ausbildungsverhältnis als Lehramtsanwärterin für der Lehramt an Grund- und Hauptschulen anschließende Sonderschulstudium stelle lediglich ein Ergänzungsstudium dar. Die Beigeladene hätte auf Grund ihres Berufsweges praktisch in keinen anderen Beruf überwechseln können. Die Prognose über den späteren Wiedereintritt der Beigeladenen in den Schuldienst sei nach den Umständen so gewiß, daß von einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gesprochen werden könne. Die Beigeladene habe durch ihren tatsächlichen Wiedereintritt ihren Rückkehrwillen dokumentiert. Auch der Kläger habe in der Aufschubbescheinigung die Absicht der Wiedereinstellung bekundet und später auch wahr gemacht. Die Unterbrechung sei auch "vorübergehend" gewesen, weil sie nicht länger als zwei Jahre angedauert habe (Hinweis auf § 125 Abs. 1 Buchst d AVG).

Gegen dieses Urteil richtet sich die mit Zustimmung des Klägers eingelegte Sprungrevision der Beklagten. Sie bezieht sich auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 11. September 1980 - 1 RA 81/79 - (SozR 2200 § 1403 Nr. 2) und führt aus, im Falle einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis lasse sich § 125 Abs. 1 Buchst b AVG von vornherein nicht anwenden. Selbst dann aber, wenn man dieser Auffassung nicht folge, seien in einem Fall der vorliegenden Art die a.a.O. genannten Voraussetzungen für einen Aufschub der Nachentrichtung nicht gegeben. Es fehle sowohl an den Voraussetzungen für den objektivierten Rückkehrwillen als auch an der objektivierten Absicht zur Fortsetzung des Dienstverhältnisses, schließlich aber auch an dem Merkmal der nur vorübergehenden Unterbrechung. Die Absicht, nach Absolvierung eines Studiums in den Staatsdienst zurückzukehren, lasse einen objektiv belegten Rückkehrwillen noch nicht annehmen. Der Kläger habe der Beigeladenen die Wiedereinstellung nicht zugesichert, sondern nur in Aussicht gestellt. Auch die Beigeladene sei ihrem früheren Dienstherrn gegenüber durch ihre Absichtserklärungen nicht gebunden gewesen. Im übrigen sei es unzulässig, bei einer Entlassung mit anschließendem Studium über die Zeitgrenze von einem Jahr hinauszugehen.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, unter Berücksichtigung des Mangels an Sonderschullehrern könne nicht in Zweifel gezogen werden, daß eine Absicht bestanden habe, die Beigeladene nach Abschluß ihrer Zusatzausbildung wieder in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Dabei verstehe es sich von selbst, daß das Land keine bindende Zusage habe machen können, sondern nur die Wiederaufnahme in den Staatsdienst in Aussicht habe stellen können.

Die Beigeladene ist im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten.

II

Die Sprungrevision ist zulässig und begründet.

Scheiden Beamte, die - wie Anwärter für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen - für ihren Beruf ausgebildet werden und nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG in der AV versicherungsfrei sind, aus dieser versicherungsfreien Beschäftigung ohne beamtenrechtliche Versorgung aus, so sind sie nach § 9 Abs. 1 AVG nachzuversichern. Dies geschieht in der Weise, daß der Arbeitgeber die Beiträge gemäß § 124 AVG für die ursprünglich versicherungsfreie Beschäftigung nachentrichtet. Ungeachtet der den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern nach § 125 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 AVG zustehenden Befugnisse ist der beitragsberechtigte Rentenversicherungsträger ermächtigt und verpflichtet, die Nachversicherung gem. §§ 9, 124, 125 AVG zu vollziehen und hierbei u.a. auch gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber durch Verwaltungsakt die Nachentrichtung der Beiträge zu fordern (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. die Entscheidungen des erkennenden Senats in SozR 2200 § 1403 Nr. 2 und vom heutigen Tage - 1 RA 25/81).

§ 125 AVG kennt einige Fälle des Aufschubs der Nachentrichtung von Beiträgen. Es handelt sich hierbei durchgängig um Fälle, in denen der Ausscheidende in der weiteren Folge Dienstverhältnisse eingeht, deren Ausgestaltung es zumindest möglich erscheinen läßt, daß der an sich Nachzuversichernde eine Versorgungsanwartschaft auch für Zeiten des vorhergehenden versicherungsfreien Dienstverhältnisses erwirbt (vgl. den erkennenden Senat in der heutigen Entscheidung - 1 RA 25/81 - mit Nachweisen). Nach § 125 Abs. 1 Buchst b AVG, der im vorliegenden Fall einschlägig sein kann, wird die Nachentrichtung von Beiträgen aufgeschoben, solange die versicherungsfreie Beschäftigung vorübergehend unterbrochen ist. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis heißt eine versicherungsfreie Beschäftigung "vorübergehend unterbrechen" etwa, "die versicherungsfreie Beschäftigung, die noch nicht zu Ende geführt ist, nur zeitweilig, nur für eine gewisse Zeitdauer nicht mehr weiterführen" (Duden, Das Große Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 6, S. 2823, Stichwort vorübergehend, und S. 2704, Stichwort unterbrechen). Ob es sich um ein bloß zeitweiliges Nichtausüben der versicherungsfreien Beschäftigung handelt, läßt sich dabei nicht erst im nachhinein nach Wiedereintritt in eine erneut versicherungsfreie Beschäftigung beurteilen. Die Pflicht zur Nachentrichtung der Beiträge durch den Arbeitgeber nach § 124 AVG entsteht bereits mit dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung im Sinne von § 9 Abs. 1 AVG (vgl. Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl., § 1402 RVO Anm. II B 1); zur gleichen zeit müssen naturgemäß die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 AVG vorliegen, um einen Aufschub der Nachentrichtung von Beiträgen bewirken zu können. Das bedeutet, daß sich Arbeitgeber und versicherungsfrei Beschäftigter schon im Zeitpunkt des "Ausscheidens" verbindlich darüber verständigt haben müssen, daß mit der versicherungsfreien Beschäftigung nur für eine gewisse Zeitspanne innegehalten und sie sodann wieder weitergeführt werden wird. Der erkennende Senat hat deshalb in der Entscheidung SozR 2200 § 1403 Nr. 2 verlangt, daß der Beschäftigte objektiv willens ist, in die versicherungsfreie Beschäftigung zurückzukehren, und auch der Arbeitgeber bereits bei dem "Ausscheiden" objektivierbar beabsichtigte, das versicherungsfreie Beschäftigungsverhältnis nach einer Unterbrechung wieder weiterzuführen.

Hieran hält der Senat fest.

Nach dem vom SG festgestellten Sachverhalt ist die Beigeladene auf ihren Wunsch vom Kläger zum 31. Januar 1973 aus dem versicherungsfreien Beamtenverhältnis entlassen worden, ohne daß sie sich mit ihrem Arbeitgeber in irgendeiner Weise verbindlich darüber verständigte, nach Verlauf einer gewissen Zeit in das versicherungsfreie Beamtenverhältnis zurückzukehren. Nach der Feststellung des SG bedurfte es nach der von der Beigeladenen erbetenen Entlassung sogar einer Anfrage des Klägers, um von ihr zu erfahren, daß sie nach dem Studium an einer pädagogischen Hochschule als Sonderschullehrerin im Landesdienst wieder tätig werden wolle. Der Kläger selbst räumt in der Revisionsbegründung ein, daß er der Beigeladenen wegen einer Wiederaufnahme in den Staatsdienst keine bindende Zusage gemacht habe, sondern eine solche nur in Aussicht habe stellen können. Der Kläger hat sich mithin offensichtlich bewußt auf eine Absichtserklärung beschränkt, um eine rechtliche Verpflichtung zur Wiedereinstellung der Beigeladenen hintanzuhalten. Er hat sich also vorbehalten, einen Wunsch der Beigeladenen auf Wiedereinstellung nach Ermessen auch abzulehnen. Solche gezielt rechtlich unverbindlichen Absichtserklärungen eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers reichen nicht aus, um die Zeitspanne, die auf die Entlassung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis folgt, schon zur Zeit der Entlassung als ein nur zeitweiliges Nicht-Weiterführen der bisherigen versicherungsfreien Beschäftigung ansprechen zu können. Hierzu bedürfte es zumindestens einer beamtenrechtlich verbindlichen Zusicherung; ihr müßte eine rechtlich verbindliche Erklärung des entlassenen Beamten entsprechen.

Nach allem mußte die Beklagte mit ihrer Revision Erfolg haben.

Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage gegen die Beitragsbescheide der Beklagten abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.1 RA 33/81

Bundessozialgericht

Verkündet am 27. April 1982

 

Fundstellen

Haufe-Index 518314

Breith. 1983, 330

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