Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragserstattung durch den Arbeitgeber nach § 160 Abs 1 AFG

 

Leitsatz (redaktionell)

Gewährt die Bundesanstalt für Arbeit nach einer unwirksamen Kündigung "gleichwohl" Arbeitslosengeld, so entfällt ihr Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erstattung der entsprechenden Beiträge (§ 160 Abs 1 AFG) nicht schon deshalb, weil der Anspruch auf Arbeitsentgelt wegen Ablaufs einer tariflichen Ausschlußfrist nach Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens nachträglich erloschen ist.

 

Normenkette

AFG §§ 166a, 117 Abs. 1, 4; SGB IV § 22 Abs. 1; AFG § 160 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 16.05.1991; Aktenzeichen L 9 Ar 111/88)

SG Detmold (Entscheidung vom 05.05.1988; Aktenzeichen S 6 (17) Ar 398/85)

 

Tatbestand

Die Beklagte fordert die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung, die sie für einen Arbeitnehmer der Klägerin nach dessen unwirksamer Kündigung aufgewendet hat.

Die Klägerin kündigte mit Ablauf des 14. November 1983 das Arbeitsverhältnis mit dem bei ihr beschäftigten T. Auf Antrag gewährte das Arbeitsamt Herford T. für die Zeit vom 15. November 1983 bis 8. Oktober 1984 Arbeitslosengeld (Alg) und entrichtete die entsprechenden Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung.

Mit Urteil vom 11. September 1984 stellte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm fest, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit T. nicht durch Kündigung aufgelöst worden sei. Eine weitere Klage des T. gegen die Klägerin auf Zahlung des Lohnes für die Zeit vom 15. November 1983 bis 30. September 1984 wies das Arbeitsgericht (ArbG) Minden mit Urteil vom 1. Juli 1987 rechtskräftig ab. Der Geltendmachung stehe die tarifliche Ausschlußfrist des § 13 Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen entgegen.

Mit Bescheid vom 9. November 1984, abgeändert durch Bescheid vom 28. Oktober 1985 (Widerspruchsbescheid vom 15. November 1985), forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung der für die Zeit vom 15. November 1983 bis 8. September 1984 gezahlten Beiträge (für die Zeit ab 9. September 1984 habe der Leistungsanspruch des T. nicht bestanden) in Höhe von DM 2.605,61 bzw DM 1.981,59.

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile vom 5. Mai 1988 und vom 16. Mai 1991). Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, die tarifliche Ausschlußfrist habe erst nach ihrem Ablauf das Erlöschen der Lohnforderung bewirkt, so daß deren vorherige Rechtswirkungen (Ruhen des Anspruchs auf Alg) erhalten geblieben seien. Auch während des Kündigungsschutzverfahrens habe ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit (damaligem) Anspruch auf Arbeitsentgelt vorgelegen; nach § 22 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - (SGB IV) sei deshalb ein Beitragsanspruch entstanden. Dieser sei durch den Ablauf der Ausschlußfrist nicht erloschen, weil er nicht der Disposition der Tarifvertragsparteien, sondern zwingendem öffentlichen Recht unterliege.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, entscheidend sei nicht die Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien, sondern die Tatsache, daß rein faktisch kein Beschäftigungsverhältnis bestanden und T. keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt (mehr) habe. Sie selbst sei daher zur Beitragsleistung nicht verpflichtet gewesen, was gemäß § 160 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auch den Erstattungsanspruch der Beklagten entfallen lasse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 1991

und des Sozialgerichts Detmold vom 5. Mai 1988 sowie die Bescheide der

Beklagten vom 9. November 1984 und 28. Oktober 1985 in Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 15. November 1985 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß die Klägerin der Beklagten diejenigen Beiträge zu erstatten hat, die diese in der Zeit vom 15. November 1983 bis zum 8. September 1984 zur Kranken- und Rentenversicherung für den Arbeitnehmer T. entrichtet hat. Gemäß § 160 Abs 1 AFG hat der Arbeitgeber der Beklagten die im Falle des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG geleisteten Beiträge zur Krankenversicherung zu erstatten, soweit er für dieselbe Zeit Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten hat. Er wird insoweit von seiner Beitragspflicht gegenüber der Krankenkasse befreit. Nach § 166a AFG gelten für die Beiträge zur Rentenversicherung die Regelungen des § 160 Abs 1 AFG entsprechend. Trotz des Wortes "erstatten" handelt es sich nicht um einen Erstattungs-, sondern einen originären Ersatzanspruch (Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 13. September 1979, SozR 2200 § 29 Nr 13 S 34).

Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind erfüllt. Die Beklagte hat die fraglichen Beiträge "im Falle des § 117 Abs 4 Satz 1" AFG geleistet (§ 160 Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz AFG). Denn sie hat T. Alg während einer Zeit gewährt, in welcher sein entsprechender Anspruch nach § 117 Abs 1 AFG ruhte, weil er Arbeitsentgelt zu beanspruchen hatte. Insoweit ist unerheblich, ob der Arbeitsentgeltanspruch wegen Versäumung einer tarifvertraglichen Ausschlußfrist später wieder entfallen ist. Denn durch die Verweisung auf § 117 Abs 4 Satz 1 AFG stellt § 160 Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz AFG lediglich darauf ab, daß ein Arbeitsentgeltanspruch für die Zeit der Gewährung des Alg bestanden hat (vgl auch § 117 Abs 4 Satz 2 AFG, wo die Folgen einer späteren Arbeitsentgeltzahlung an den Arbeitnehmer geregelt sind).

Im übrigen erfährt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt durch die (Gleichwohl-)Gewährung des Alg eine Teilung: In Höhe des gezahlten Alg geht er auf die Bundesanstalt für Arbeit über (§ 115 Abs 1 SGB X); dem Arbeitnehmer selbst verbleibt lediglich die überschießende Forderung. Tarifliche Ausschlußfristen gelten nicht nur für den beim Arbeitnehmer verbleibenden, sondern auch für den nunmehr der Bundesanstalt zustehenden Anteil (st Rspr des BAG: vgl BAG vom 24. Mai 1973, AP Nr 52 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG vom 7. Dezember 1983, BAGE 44, 337, 340 = AP Nr 84 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; vgl Hoppe, AuB 1985, 263). Der hier streitige Anspruch nach § 160 Abs 1 (iVm § 166a) AFG bezieht sich lediglich auf die für das Alg abgeführten Beiträge.

Jedenfalls in dieser Höhe hat auch die Klägerin iS des § 160 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz AFG (iVm § 166a AFG) Beiträge zur Krankenversicherung (Rentenversicherung) des T. für den streitigen Zeitraum zu entrichten.

Die Beitragspflicht der Klägerin war mit der Fälligkeit des Arbeitsentgelts entstanden und mit Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens fällig geworden (1). Hieran hat sich auch durch die spätere Entwicklung nichts geändert (2).

(Zu 1) Die Beitragspflicht zur Kranken- und Rentenversicherung richtet sich zunächst nach der Vorschrift des § 22 SGB IV (mit Wirkung ab 1. Januar 1989: § 22 Abs 1 SGB IV). Hiernach entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.

Voraussetzung des Beitragsanspruchs der Krankenversicherung gegen die Klägerin war im streitigen Zeitraum (1983/1984) die Beschäftigung des Arbeitnehmers T. gegen Entgelt (§ 165 Abs 2 Satz 1 iVm § 165 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫); die Höhe des Beitrags wiederum war vom Grundlohn (Arbeitsentgelt) abhängig: § 385 Abs 1 Satz 1 iVm § 180 Abs 1 Satz 2 RVO und § 14 SGB IV. Die Beiträge waren jeweils zur Hälfte von T. als Versichertem und der Klägerin als Arbeitgeber zu tragen (§ 381 Abs 1 Satz 1 RVO), jedoch insgesamt vom Arbeitgeber einzuzahlen (§ 393 Abs 1 Satz 1 RVO); die Klägerin war gegenüber der Einzugsstelle Schuldner sowohl des Versicherten- als auch des Arbeitgeberanteils. T. hatte seinen Anteil im Wege des Lohnabzugs zu tragen (§ 394 Abs 1 RVO). Nichts anderes galt im Verhältnis zur Rentenversicherung (§ 1227 Abs 1 Nr 1, § 1385 Abs 3 Buchst a, Abs 4 Buchst a, § 1396 Abs 1 Satz 1, § 1397 Abs 1 Satz 1 RVO).

In der streitigen Zeit aber lag ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitnehmer T. vor: Wie sich im Kündigungsschutzprozeß ergeben hat, bestand das Arbeitsverhältnis (und damit das Beschäftigungsverhältnis: § 7 Abs 1 SGB IV) trotz der Kündigung fort. Auch während des Kündigungsschutzprozesses wird das Arbeitsentgelt zu den gewöhnlichen Zahltagen fällig, wenn sich der Arbeitgeber bezüglich der Arbeitsleistung in Annahmeverzug befindet. Hieran allerdings besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel, zumal nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) insoweit im Regelfall die ungerechtfertigte Kündigung bzw die Erhebung der Kündigungsschutzklage als Angebot der Arbeitsleistung ausreicht (BAG vom 19. April 1990, BAGE 65, 98 = AP Nr 45 zu § 615 BGB mwN). Mit der Fälligkeit des Arbeitsentgelts entstand dann - jedenfalls während eines Kündigungsschutzverfahrens - auch die Beitragspflicht (BSG vom 25. September 1981, BSGE 52, 152, 157 = SozR 2100 § 25 Nr 3 mwN).

Die streitigen Beitragsansprüche sind nicht nur iS des § 22 SGB IV entstanden, sondern auch iS des § 23 Abs 1 SGB IV fällig geworden; abweichend von dieser Vorschrift jedoch nicht laufend - ggfs zeitverschoben - mit dem Anspruch auf Arbeitsentgelt, sondern erst mit Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens (BSGE 52, 152, 157 ff).

(Zu 2) An der Beitragspflicht der Klägerin hat sich auch durch den weiteren Ablauf nichts geändert.

Der auf die geschilderte Art und Weise zunächst entstandene Beitragsanspruch gegen die Klägerin ist jedenfalls nicht schon deshalb entfallen, weil sie - soweit die Beklagte Beiträge gezahlt hat - gemäß § 160 Abs 1 Satz 2 AFG von ihrer Beitragspflicht befreit worden ist. In den Fällen des § 117 Abs 4 AFG werden das Beschäftigungsverhältnis und die daraus folgende Versicherungspflicht sowie Beitragspflicht des Arbeitgebers zwar von der Gewährung des Alg und den daraus folgenden versicherungsrechtlichen Auswirkungen überlagert, bestehen jedoch nicht fort. Die Regelung des § 160 Abs 1 Satz 1 und 2 AFG, wonach die Erstattungspflicht voraussetzt, daß der Arbeitgeber für dieselbe Zeit Beiträge zu entrichten "hat", setzt eine derartige Verpflichtung gerade voraus (BSG vom 26. November 1985, BSGE 59, 183, 186 = SozR 4100 § 168 Nr 19).

Ebensowenig hat ein nachträgliches (ex nunc) Erlöschen des Lohnanspruchs durch Ablauf einer tariflichen Ausschlußfrist Einfluß auf den darauf beruhenden Beitragsanspruch. Ein Fortfall der Beitragspflicht bei dieser Fallkonstellation ist weder gesetzlich geregelt noch läßt er sich dem Gesetzeszweck oder der Rechtsprechung des BSG entnehmen. Aus dieser folgt im Gegenteil, daß die Rechtsauffassung der Revision nicht zutreffen kann.

Denn wenn nach Ablauf einer tariflichen Ausschlußfrist neben der Lohnforderung auch die Beitragspflicht entfiele, müßte der Arbeitgeber zuvor entrichtete Beiträge wieder zurückfordern können. Sonst würde der "säumige" Arbeitgeber gegenüber dem "pünktlichen", bei Eintritt der Beitragsfälligkeit zahlenden, privilegiert. Die Erstattung bereits entrichteter Beiträge ist jedoch nach § 26 Abs 1 SGB IV (Abs 2 mit Wirkung ab 1. Januar 1989) nur möglich, wenn sie "zu Unrecht entrichtet" sind. Dies setzt nach der Rechtsprechung (zu den Vorläufern dieser Regelung) voraus, daß die Beiträge bei ihrer Entrichtung ohne Rechtsgrund geleistet wurden. Diese Auffassung beruht auf dem Gedanken, daß "abgewickelte" Versicherungsverhältnisse nachträglich nicht geändert werden dürfen (BSG vom 28. Februar 1967, BSGE 26, 129, 123 mwN; ebenso BSG vom 26. Juni 1980, SozR 2600 § 121 Nr 3 S 8 f).

Der Ablauf einer tariflichen Ausschlußfrist aber bewirkt nicht, daß auf das Entgelt zum Zeitpunkt der Beitragszahlung kein Anspruch bestand (wie etwa bei Eintritt einer auflösenden Bedingung - so der in BSGE 26, 120 entschiedene Fall), sondern läßt einen zunächst entstandenen Lohnanspruch nachträglich erlöschen. Fiele hierdurch auch die Beitragspflicht weg, so bräuchte ein säumiger Arbeitgeber, der sich mit der Zahlung fälliger Beiträge im Rückstand befindet, nach Ablauf der tariflichen Ausschlußfrist keine Beiträge mehr zu entrichten, während ein pünktlicher Arbeitgeber die bei Eintritt der Fälligkeit gezahlten Beiträge nicht zurückverlangen könnte.

Dieses aus der Rechtsauffassung der Revision folgende unbillige Ergebnis ließe sich auch durch eine andere Auslegung des § 26 SGB IV nicht vermeiden. Eine tarifliche Ausschlußfrist kann nämlich den Anspruch auf bereits gezahlten Lohn nicht wieder entfallen lassen. Mit der Abführung der Beiträge an die Einzugsstelle aber erfüllt der Arbeitgeber nicht nur die Verpflichtung, den auf ihn entfallenden Beitragsanteil zu zahlen; gleichzeitig entrichtet er auch den Beitragsanteil des Versicherten, den dieser im Wege des Lohnabzugs zu tragen hat. Das heißt jedoch nichts anderes, als daß mit der Beitragszahlung an die Einzugsstelle die Lohnforderung bereits - in Höhe des Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen - erfüllt wird und nicht durch Ablauf einer tariflichen Ausschlußfrist nachträglich erlöschen kann. Insoweit sind und bleiben daher die Beiträge zu Recht - und nicht "zu Unrecht" - entrichtet.

Mit der Begründung, daß sich ein "säumiger" Arbeitgeber nicht dadurch Vorteile verschaffen dürfe, daß er geschuldetes Arbeitsentgelt nicht auszahlt bzw geschuldete Beiträge bei Fälligkeit nicht entrichtet hat, hat das BSG auch schon bisher in mehreren Entscheidungen einen Beitragsanspruch trotz Nichtzahlung des Arbeitsentgelts (wenn auch bei fortbestehendem Entgeltanspruch) bejaht (so der 12. Senat im Urteil vom 26. Oktober 1982, BSGE 54, 136 = SozR 2200 § 393 Nr 9 für die Nichtzahlung von Lohn bei Zahlungsunfähigkeit, der erkennende Senat im Urteil vom 24. November 1983, SozR 4100 § 186a Nr 18 S 46 f für einen Fall der insolvenzbedingten Nichtzahlung der Winterbau-Umlage sowie der 12. Senat im Urteil vom 26. November 1985, BSGE 59, 183, 189 = SozR 4100 § 168 Nr 19 für den Fall einer Freistellung nach Insolvenz mit Gleichwohlgewährung von Alg - vgl auch aa0 S 188 f zur Abgrenzung von der Rechtsprechung des 8. Senats für die Unfallversicherung): Es wäre mit dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht vereinbar und würde für die betroffenen Versicherten zu offensichtlich unbilligen Ergebnissen führen, wenn ein Arbeitgeber sich dadurch beitragsrechtliche Vorteile verschaffen könnte, daß er geschuldetes Arbeitsentgelt bei Fälligkeit nicht auszahlt. Diese Erwägungen gelten gleichermaßen bei nachträglichem Wegfall eines zuvor fällig gewordenen Entgeltanspruchs.

Diese Lösung entspricht auch dem Zusammenhang zwischen dem Beitrag einerseits und dem Versicherungsschutz andererseits (vgl BSG vom 11. November 1975, BSGE 41, 6, 11 f = SozR 2200 § 393 Nr 3). Die Versicherungspflicht und damit der Beginn der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung knüpft an den Beginn der versicherungspflichtigen Beschäftigung an. Das Gesetz stellt die Leistungen von nun an zur Verfügung; die Leistungen wiederum müssen nach dem Beitragsaufkommen finanziert werden. Wenn aber der Arbeitnehmer bereits aufgrund seines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses Versicherungsleistungen der Krankenversicherung beziehen kann, kann es nicht auf der anderen Seite richtig sein, daß hierfür keine Beiträge zu entrichten sind, wenn, aus welchen Gründen auch immer, das zustehende Arbeitsentgelt nicht eingefordert wird und der Anspruch hierauf infolge des Verstreichens einer tarifvertraglichen Ausschlußfrist entfällt. Auch wenn diese Überlegungen nur für die Krankenversicherung gelten, folgt für die Beiträge zur Rentenversicherung (Anspruch nach § 166a iVm § 160 AFG) nichts anderes.

Schließlich verbietet sich ein Erstrecken der tariflichen Ausschlußfrist auf Beitragsforderungen auch deshalb, weil Vereinbarungen der Tarifparteien über das Schicksal der Beitragsforderung nach ihrem Entstehen unzulässig sind. Beitragsforderungen sind gesetzliche Ansprüche des öffentlichen Rechts, über die die Tarifvertragsparteien nicht disponieren können (so auch BSG vom 16. April 1985, SozR 2200 § 520 Nr 3). Entsprechende Vereinbarungen wären zudem nach § 32 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) unwirksam, da sie den Versicherten jedenfalls hinsichtlich seiner Ansprüche aus der Rentenversicherung benachteiligen würden.

Der Senat sieht sich an seiner Entscheidung nicht durch das Urteil des 12. Senats vom 18. November 1980 (SozR 2100 § 14 Nr 7) gehindert. Hierin hat der 12. Senat auf der Grundlage der Zuflußtheorie ua ausgeführt, daß Beiträge nicht erhoben werden könnten, wenn ein zunächst entstandener Entgeltanspruch infolge später eintretender Ereignisse, zB der Versäumung einer tariflichen Ausschlußfrist, wieder entfalle, dem Arbeitnehmer also nichts "zufließe". Diese Ausführungen können jedoch schon deshalb nicht zu den tragenden Gründen jener Entscheidung gerechnet werden, weil der damals streitige Lohnfortzahlungsanspruch nicht etwa untergegangen, sondern - wenn auch "auf andere Weise" - erfüllt worden war (SozR aa0 am Ende). Zudem hat sich der 12. Senat in seinen bereits zitierten späteren Entscheidungen vom 25. September 1981, 26. Oktober 1982 und 26. November 1985 vom steuerrechtlichen Zuflußprinzip gelöst und eine Beitragspflicht trotz Nichtzahlung des Arbeitsentgelts bejaht.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60284

DStR 1994, 1786 (K)

RegNr, 21548 (BSG-Intern)

BR/Meuer AFG § 160, 22-06-94, 10 RAr 3/93 (LT1)

EWiR 1994, 1153 (L)

NZA 1995, 704

NZA 1995, 704 (LT1)

USK, 9458 (LT1)

AP § 117 AFG (L1), Nr 14

AP § 141b AFG, Nr 18

AP § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 125

AP § 7 BUrlG Abgeltung, Nr 69

AuA 1996, 38-39 (LT1)

DBlR 4143a, AFG/§ 160 (LT1)

Die Beiträge 1995, 112-11 (LT1)

EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 113 (ST1)

EzBAT § 70 BAT, Nr 40 (ST1)

EzS, 60/95 (T)

NZS 1994, 571-573 (LT1)

SozR 3-4100 § 160, Nr 1 (LT1)

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