Verfahrensgang

SG Hildesheim (Urteil vom 18.08.1983)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 18. August 1983 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Krankenversicherungsbeitrags, den die Beklagte von Versorgungsbezügen des Klägers erhebt.

Der 1919 geborene Kläger war nach früherer rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung DO-Angestellter und zuletzt als Verwaltungs-Direktor stellvertretender Geschäftsführer der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Zum 1. Januar 1979 trat er in den Ruhestand. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte ihm vom 1. Januar 1979 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die am 1. Januar 1983 monatlich 517,10 DM betrug. Außerdem erhält er Versorgungsbezüge, die am 1. Januar 1983 unter Berücksichtigung des Ruhens von Versorgungsbezügen neben Renten nach § 55 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern – Beamtenversorgungsgesetz – (BeamtVG) vom 24. August 1976 (BGBl I S 2485) idF des Art 2 § 1 Nr 7 des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1523) und des Ausgleichsbetrages nach Art 2 § 2 des 2. HStruktG in Höhe von monatlich 4.237,49 DM gezahlt wurden.

Mit Bescheid vom 26. April 1983 setzte die Beklagte vom 1. Januar 1983 an einen Monatsbeitrag von 206,91 DM fest. Dabei ging sie von einem Grundlohn von 3.232,90 DM aus, den sie durch Abzug der Rente (517,10 DM) von der Beitragsbemessungsgrenze (damals 3.750 DM) errechnete (vgl § 180 Abs 5 Nr 2 Reichsversicherungsordnung – RVO –); den so ermittelten Grundlohn multiplizierte sie mit dem durchschnittlichen Beitragssatz ihres Landesverbandes (vgl § 385 Abs 2a RVO) von 6,4 vH. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1983).

Der Kläger hat beim Sozialgericht (SG) Hildesheim Klage erhoben, die dieses durch Urteil vom 18. August 1983 abgewiesen hat.

Der Kläger wendet sich gegen das Urteil mit der Sprungrevision. Er macht – wie schon im Widerspruchsverfahren und vor dem SG – geltend: Der Gesetzgeber habe durch die Belastung von Versorgungsbezügen mit dem halben allgemeinen Beitragssatz seine Gestaltungsfreiheit insofern überschritten, als er ohne vernünftige Gründe unberücksichtigt gelassen habe, daß die pflichtversicherten Rentner im Krankheitsfall geringere Leistungen zu erwarten hätten als andere Versicherte. Das gelte vor allem für das Krankengeld, von dessen Bezug Altersruhegeldempfänger und Bezieher von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit praktisch ausgeschlossen seien, ferner für die Mutterschaftshilfe, deren Zahlung an diesen Personenkreis ebenfalls kaum jemals in Betracht komme. Damit entfalle für die pflichtversicherten Rentner auch die Beitragsfreiheit, solange Anspruch auf Krankengeld oder auf Mutterschaftsgeld bestehe (§ 383 RVO). Der Gesetzgeber habe bei der Regelung über die Aufbringung der Mittel (§§ 381 ff RVO) zum Teil gruppen- bzw personenspezifisch differenziert. Insbesondere sei nach § 385 Abs 1 Satz 4 RVO der allgemeine Beitragssatz für solche Versicherte zu erhöhen, die bei Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts für mindestens sechs Wochen hätten. Wenn demnach dieser, das Risiko einer Krankengeldzahlung steigernde Umstand sich in einem höheren Beitragssatz niederschlage, sei nicht einzusehen, wieso nicht bei pflichtversicherten Rentnern, bei denen diese Leistung keine nennenswerte Bedeutung habe, eine Ermäßigung des allgemeinen Beitragssatzes vorgesehen sei. Auf eine solche Minderung des Beitragssatzes weise auch § 215 Abs 2 RVO hin: Wenn freiwillige Mitglieder sogar zwischen einer Versicherung mit oder ohne Anspruch auf Krankengeld wählen könnten, hätten sie damit gleichzeitig die Möglichkeit, sich bei fehlendem Anspruch auf Krankengeld für die Versicherung mit dem entsprechend niedrigeren Beitragssatz zu entscheiden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 18. August 1983 und den Bescheid der Beklagten vom 26. April 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1983 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, Beiträge nur nach einem Beitragssatz zu erheben, wie er nach ihrer Satzung von solchen Versicherten zu erheben ist, die nur eingeschränkte Leistungen erhalten können.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die vom Kläger beanstandete Regelung für verfassungskonform. Das in der gesetzlichen Krankenversicherung geltende Solidaritätsprinzip lasse eine bedarfsgerechte Teilkostenversicherung nicht zu. Im übrigen decke der vom Gesetz festgelegte Beitrag zur KVdR die Aufwendungen der Krankenkassen für die Rentner insgesamt gesehen nicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten, mit dem sie seit dem 1. Januar 1983 Krankenversicherungsbeiträge von den Versorgungsbezügen des Klägers fordert, ist rechtmäßig, wie das SG zutreffend entschieden hat.

Die Beiträge für die in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versicherten Personen sind, wie die für andere Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, nach einem Grundlohn zu erheben (§ 385 Abs 1 Satz 1 RVO). Zu dem Grundlohn gehört – außer dem Zahlbetrag der Rente bis zu einer bestimmten Bemessungsgrenze (§ 180 Abs 5 Nr 1 RVO) – auch der Zahlbetrag “der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge)”, soweit sie zusammen mit der Rente die Bemessungsgrenze nicht übersteigen (§ 180 Abs 5 Nr 2 RVO). Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, ua “Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen” (§ 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 RVO). Diese Regelung, die die genannten Versorgungsbezüge erstmals in die Beitragspflicht zur KVdR einbezogen hat, beruht auf dem Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 – RAG 1982 – vom 1. Dezember 1981 (BGBl I S 1205, Art 2 Nr 2); sie ist am 1. Januar 1983 in Kraft getreten (Art 20 Abs 2 Nr 4).

Hiernach sind auch die Versorgungsbezüge des Klägers, der als DO-Angestellter in einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen (BSGE 2, 49, 56 ff) gestanden hat, beitragspflichtig, und zwar mit der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes des Landesverbandes, dem die Beklagte angehört (§ 385 Abs 2a RVO idF des RAG 1982, Art 2 Nr 13). Daß die Beklagte den Beitrag des Klägers ab 1. Januar 1983 richtig berechnet hat, ist unumstritten. Der Kläger hat ihn allein zu tragen (§ 381 Abs 2 Satz 1 RVO idF von Art 2 Nr 11 RAG 1982).

Die Bestimmungen der RVO, die die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge begründen, sind mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Das hat der Senat im Urteil vom 18. Dezember 1984 – 12 RK 11/84 – für die Versorgungsbezüge eines Beamten ausführlich dargelegt. Er hat ferner durch Urteil vom 18. Dezember 1984 – 12 RK 33/83 – entschieden, daß dieses auch für die Versorgungsbezüge von DO-Angestellten gilt. In einem weiteren Urteil vom 18. Dezember 1984 – 12 RK 27/84 – (alle genannten Urteile sind zur Veröffentlichung bestimmt) hat der Senat schließlich die Frage, ob der Ausgleichsbetrag nach Art 2 § 2 des 2. HStruktG zu den lediglich übergangsweise gewährten, beitragsfreien Bezügen iS von § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a RVO gehört, verneint.

Der Kläger wendet sich gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung auch nur mit der Begründung, daß der rechtliche oder jedenfalls faktische Ausschluß von bestimmten Leistungen (Krankengeld, Mutterschaftshilfe) sich nicht in einer Ermäßigung des Beitragssatzes niederschlägt. Damit beanstandet er, daß Ungleiches zu Unrecht gleich behandelt und damit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verstoßen werde. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken sind unbegründet. Der Senat hat schon in einem Urteil vom 11. April 1984 – 12 RK 55/82 – (zur Veröffentlichung in SozR 2200 § 385 Nr 7 bestimmt) entschieden, daß die Krankenversicherungsbeiträge für erwerbstätige Rentner – trotz zeitlicher Begrenzung ihres Krankengeldanspruchs (nach § 183 Abs 4 RVO erhalten sie während des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente oder Altersruhegeld Krankengeld höchstens für sechs Wochen) – nach dem gleichen Beitragssatz wie dem für pflichtversicherte Arbeitnehmer bemessen werden dürfen, die einen vollen Krankengeldanspruch haben. Beiträge und Leistungen brauchen in der – vom Solidaritätsprinzip und dem Grundsatz des sozialen Ausgleichs beherrschten – gesetzlichen Krankenversicherung nicht gleichwertig zu sein; insbesondere zwingt die in § 385 Abs 1 Satz 4 RVO vorgesehene Beitragserhöhung für Versicherte, die keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben und die Kasse daher stärker mit Krankengeld belasten, den Gesetzgeber nicht, Unterschiede bei der Gewährung oder Inanspruchnahme von Krankengeld auch in anderen Fällen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Diese Grundsätze gelten allgemein, wenn Beiträge und Leistungen für pflichtversicherte Arbeitnehmer und Rentner miteinander verglichen werden, insbesondere auch für die vom Kläger ebenfalls angesprochenen Leistungen der Mutterschaftshilfe. Daß die von den Versorgungsbezügen erhobene Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes nicht, wie vom Kläger für richtig gehalten, herabgesetzt, sondern daß Versicherten wie ihm zugemutet wird, insofern Solidarität zu üben, erscheint nicht unangemessen, da gerade dieser Personenkreis in anderer Hinsicht erhebliche Vorteile aus dem solidarischen Verhalten der übrigen Pflichtversicherten zieht: So erhalten die Krankenkassen von den Versorgungsbezügen Beiträge nur in Höhe der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes, was dem Arbeitnehmeranteil bei versicherungspflichtig Beschäftigten entspricht, während ihnen ein Betrag in Höhe des Arbeitgeberanteils oder (bei versicherungspflichtigen Rentnern) des Beitragszuzuschusses des Rentenversicherungsträgers nicht zufließt. Auch darf nicht unbeachtet bleiben, daß die Ausgaben der Krankenkassen für je einen Rentner die Ausgaben für je einen noch im Berufsleben stehenden Versicherten deutlich übersteigen (vgl hierzu für die Ortskrankenkassen den Statistischen und finanziellen Bericht für das Jahr 1983, herausgegeben vom Bundesverband der Ortskrankenkassen, S 17 ff). Im Vergleich dazu fällt das Weniger an Leistungen, das der Kläger durch einen ermäßigten Beitragssatz ausgeglichen haben will, auch der Größenordnung nach kaum ins Gewicht. – Die freiwillige Versicherung und damit auch die vom Kläger herangezogene Vorschrift des § 215 Abs 2 RVO sind mit der Pflichtversicherung und den sie beherrschenden beitragsrechtlichen Grundsätzen nicht voll vergleichbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1439072

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