Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1970 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zu seinen Lebzeiten die Knappschaftsausgleichsleistung nach § 98 a des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) zustand.

Der am 11.2.1910 geborene Ehemann der Klägerin wurde nach einer Tätigkeit als landwirtschaftlicher Arbeiter am 16. August 1937 im Bergwerk Hausham als Schlepper unter Tage angelegt. Er gab diese Tätigkeit wegen Magengeschwürs und Herzneurose am 9. Juli 1942 auf. Anschließend wurde er bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst am 27. Januar 1944 als Waldarbeiter beschäftigt. Nach der Entlassung aus Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft trat er am 28. August 1946 wieder in die Dienste des Bergwerks Hausham ein, war aber zunächst bis 15. Oktober 1950 als Waldarbeiter und Holzplatzarbeiter beschäftigt, bis er am 16. Oktober 1950 wieder nach Untertage verlegt wurde. Sein Arbeitsverhältnis im Bergwerk endete am 30. Dezember 1966 wegen der bevorstehenden Betriebsstillegung des Bergwerks.

Der Ehemann der Klägerin beantragte am 16. Februar 1966 die Knappschaftsausgleichsleistung nach § 98 a RKG. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Mai 1967 mit der Begründung ab, daß der Ehemann der Klägerin nur 245 Monate Untertagearbeiten verrichtet habe und daß die im Jahre 1942 aus gesundheitlichen Gründen erfolgte Aufgabe der Untertagetätigkeit angesichts der späteren Wiederaufnahme dieser Arbeit unberücksichtigt bleiben müsse. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 11. Februar 1969 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Ehemannes der Klägerin mit Urteil vom 29. Oktober 1970 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 98 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 RKG lägen nicht vor, denn der Ehemann der Klägerin habe keine 300 Kalendermonate mit einer Beschäftigung unter Tage zurückgelegt. Aber auch die Voraussetzungen des § 98 a Abs. 1 Nr. 3 RKG seien nicht erfüllt, denn der Ehemann der Klägerin habe die Untertagearbeit nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Die im Jahre 1942 aus gesundheitlichen Gründen erfolgte Aufgabe der Untertagearbeit müsse außer Betracht bleiben, denn eine vorübergehende Unterbrechung genüge nicht.

Der Ehemann der Klägerin hat dieses Urteil mit der – vom LSG zugelassenen – Revision angefochten.

Der Ehemann der Klägerin ist am 24. Februar 1971 während des Revisionsverfahrens verstorben. Seine Ehefrau, die mit ihm bis zu seinem Tode in häuslicher Gemeinschaft lebte, hat das unterbrochene Verfahren aufgenommen.

Sie ist der Ansicht, daß die Voraussetzungen des § 98 a Abs. 1 Nr. 3 RKG erfüllt seien. Habe ein Versicherter – wie im vorliegenden Fall ihr Ehemann im Jahre 1942 – die Untertagearbeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen, so sei nicht mehr zu prüfen, ob er später die Fähigkeit zu ihrer Verrichtung wieder erlangt habe. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber die Versicherten, die wegen gesundheitlich bedingter Aufgabe der Untertagetätigkeit nicht in der Lage seien, die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 zu erfüllen, denjenigen Versicherten gleichstellen wollen, die 300 Kalendermonate mit Arbeiten unter Tage zurückgelegt haben. Dem LSG könne auch darin nicht gefolgt werden, daß es annehme, ihr Ehemann sei schon 1944 wieder in der Lage gewesen, unter Tage zu arbeiten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1970 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Februar 1969 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die beantragte Knappschaftsausgleichsleistung ihres verstorbenen Ehemannes für die Zeit ab 1. Dezember 1966 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, daß die Revision unbegründet ist.

II

Die Klägerin ist nach § 88 Abs. 2 RKG berechtigt, das durch den Tod ihres Ehemannes unterbrochene Verfahren fortzusetzen, weil sie mit ihm bis zu seinem Tode in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat.

Die zulässige Revision der Klägerin ist jedoch nicht begründet, weil das LSG mit Recht die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil zurückgewiesen hat. Denn der Ehemann der Klägerin hatte keinen Anspruch auf die Knappschaftsausgleichsleistung.

Der Ehemann der Klägerin hat die bergbauliche Beschäftigung zweimal aufgegeben, einmal im Jahre 1942 aus gesundheitlichen Gründen und zum anderen im Jahre 1966 wegen der bevorstehenden Betriebsstillegung der Zeche. Beide Fälle des Ausscheidens aus dem knappschaftlichen Betrieb kommen als „Versicherungsfälle” im Sinne des § 98 a RKG in Betracht. Jeder dieser „Versicherungsfälle” im Sinne des § 98 a RKG ist gesondert für sich allein dahin zu überprüfen, ob er zusammen mit den sonstigen Leistungsvoraussetzungen einen Leistungsanspruch nach § 98 a RKG ergibt.

Der Ehemann der Klägerin hat zwar im Jahre 1942 die Untertagearbeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Dieser „Versicherungsfall” im Sinne des § 98 a RKG ist jedoch versicherungsrechtlich nicht geschützt, weil weder das Gesetz zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes vom 23. Mai 1963 (BGBl I 359) zu § 98 a, noch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) zu Art. 1 § 3 Nr. 29, noch das Gesetz zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes und des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 10. August 1966 (BGBl I 482) zu Art. 1 eine Rückwirkungsanordnung für möglicherweise im Jahre 1942 eingetretene „Versicherungsfälle” im Sinne des § 98 a RKG enthalten. Ein „Versicherungsfall” im Sinne des § 98 a RKG des Jahres 1942 ist also, was die Klägerin verkennt, versicherungsrechtlich nach § 98 a RKG überhaupt nicht geschützt, so daß aus der Aufgabe der Untertagetätigkeit im Jahre 1942 ein Anspruch nach § 98 a RKG nicht entstehen konnte. Entgegen der Auffassung der Klägerin können die beiden möglichen „Versicherungsfälle” im Sinne des § 98 a RKG nur getrennt behandelt werden. Eine zusammengefaßte Behandlung mit der Folge, daß der erste mögliche „Versicherungsfall” im Sinne des § 98 a RKG so behandelt werden müsse, als ob er im Jahre 1966 eingetreten sei, widerspricht allen sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen und ist daher nicht möglich.

Die Aufgabe der knappschaftlichen Tätigkeit im Jahre 1966 ist wegen der bevorstehenden Betriebsstillegung und nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Dieser „Versicherungsfall” im Sinne des § 98 a RKG kann den geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht begründen; denn die sonstigen Voraussetzungen des § 98 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 RKG idF des Gesetzes zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes und des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 10. August 1966 (BGBl I 482) sind nicht erfüllt. Nach diesen Vorschriften hat der Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung einem Versicherten, der die Wartezeit nach § 49 Abs. 4 RKG erfüllt hat (Nr. 1), oder eine Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten mit einer Beschäftigung unter Tage zurückgelegt hat (Nr. 2), die Knappschaftsausgleichsleistung zu gewähren. Der Ehemann der Klägerin hat zwar eine Versicherungszeit von mehr als 300 Kalendermonaten in der knappschaftlichen Rentenversicherung zurückgelegt, hat aber, wie das LSG unangefochten festgestellt hat, weder Hauerarbeiten oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet, noch hat er eine Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten mit einer Beschäftigung unter Tage zurückgelegt.

Das LSG hat somit, wenn auch mit anderer Begründung, zu Recht entschieden, daß dem Ehemann der Klägerin ein Anspruch nach § 98 a RKG nicht zustand.

Daher mußte die Revision der Klägerin zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Unterschriften

Dr. Dapprich, Rauscher, Schröder

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 16.01.1973 durch Mackenroth Amtsinspektor als Urk.Beamter d.Gesch.Stelle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI707809

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