Entscheidungsstichwort (Thema)

"Entsprechende Erwerbstätigkeit". "erhebliche" Beeinträchtigung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Ermittlung der "entsprechenden Erwerbstätigkeit" iS von BVG § 48 Abs 1 S 4 Halbs 2 idF des KOVAnpG 4 ist von der Tätigkeit auszugehen, die der Beschädigte ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübt hätte. Die Gleichwertigkeit der tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit bestimmt sich vorwiegend danach, inwieweit sie wirtschaftlich eine der - ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich ausgeübten - Tätigkeit entsprechende Hinterbliebenenversorgung ermöglicht.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Auslegung des Begriffs "Entsprechende Erwerbstätigkeit in BVG § 48 Abs 1 S 4 Halbs 2 idF des KOVAnpG 4 (= BVG § 48 Abs 1 S 1 nF) ist diejenige Tätigkeit zu berücksichtigen, die der Beschädigte ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübt hätte.

Danach kann der Auffassung, eine "entsprechende" Erwerbstätigkeit sei jede, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschädigten - ohne Rücksicht auf den bisher von ihm ausgeübten oder den angestrebten Beruf - angemessen sei, nicht gefolgt werden. Auch ist die soziale Vergleichbarkeit der in Betracht kommenden Berufe nicht von ausschlaggebender Bedeutung; maßgebend ist die Auswirkung der Schädigung auf die Versorgung.

2. In der Regel kann die im Rundschreiben des BMA vom 1976-03-08 Va 2 - 5226 - 115/76 = BVBl 1976, 60 genannte Minderung der Versorgung um etwa 15 % als Grenze angenommen werden, von der ab die finanzielle Einbuße im allgemeinen als "erheblich" (jetzt: "nicht unerheblich") anzusehen ist. Im Einzelfall können auch geringere Einbußen erheblich sein.

 

Normenkette

BVG § 48 Abs. 1 S. 4 Hs. 2 Fassung: 1972-07-24

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 26.05.1977; Aktenzeichen L 11 V 84/76)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.05.1976; Aktenzeichen S 28 V 66/74)

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1977 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Witwenbeihilfe zusteht, weil ihr verstorbener Ehemann gehindert gewesen war, eine "entsprechende Erwerbstätigkeit" iS vom § 48 Abs 1 Satz 4 2. Halbs Bundesversorgungsgesetz (BVG) idF des 4. Anpassungsgesetzes vom 24. Juli 1972 - 4. AnpG - (BGBl I, 1284) auszuüben.

Der Ehemann der Klägerin, der 1912 geboren worden war und 1966 verstarb, trat 1936 in die Wehrmacht ein und verpflichtete sich als Berufssoldat für zwölf Jahre. 1945 wurde er im Range eines Oberfeldwebels dienstunfähig aus der Wehrmacht entlassen. Wegen seiner Kriegsverletzungen bezog er ab 1951 bis zu seinem Tode eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60%.

Der Ehemann der Klägerin gehörte von Oktober 1945 bis August 1946 der Kriminalpolizei Krefeld als Kriminalassistent an. Weil er Berufssoldat gewesen war, wurde er auf Anordnung der britischen Militärregierung aus dem Polizeidienst entlassen. Er arbeitete dann ab Oktober 1946 bis zu seinem Tode, der schädigungsunabhängig eintrat, als Werkschutzleiter bei einer Textilfirma. Die Klägerin bezieht nach ihm eine Witwenrente aus der Angestelltenversicherung.

Den im Dezember 1972 gestellten Antrag auf Witwenbeihilfe lehnte das Versorgungsamt (VA) mit der Begründung ab, der Beschädigte sei nicht gehindert gewesen, eine seinen Verhältnissen und Fähigkeiten entsprechende Erwerbstätigkeit in vollem Umfang auszuüben. Durch die anerkannten Schädigungsfolgen hätten sich keine Nachteile für die wirtschaftliche Sicherstellung der Klägerin ergeben. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Urteil vom 26. Mai 1977 (Breith. 1978, 268) ua ausgeführt: Der Beschädigte habe eine entsprechende Erwerbstätigkeit iS von § 48 Abs 1 Satz 4 2. Halbs BVG idF des 4. AnpG ausgeübt. Wenn er Kriminalbeamter geworden wäre, wäre er bis zum Kriminalhauptmeister aufgestiegen. Gegenüber diesem Beruf sei die Tätigkeit als Werkschutzleiter sozial und wirtschaftlich gleichwertig. Das Gehalt des Beschädigten habe nicht unerheblich über den Bezügen gelegen, die er als Kriminalbeamter erhalten hätte. Daß die Witwenrente der Klägerin geringer sei als die Versorgung, die sie erhalten würde, wenn ihr Ehemann als Beamter verstorben wäre, sei nicht entscheidend. Eine geringere Versorgung sei nur dann beachtlich, wenn sie auf einer nicht "entsprechenden" Erwerbstätigkeit beruhe, woran es hier fehle. Außerdem sei die Hinterbliebenenrente zum Teil deshalb geringer, weil der Beschädigte in der Zeit von November 1953 bis Februar 1957, in der sein Gehalt die Versicherungspflichtgrenze überschritten gehabt habe und er deshalb angestelltenversicherungsfrei gewesen sei, lediglich 19 freiwillige Monatsbeiträge entrichtet habe. Ferner hätte er auch in der übrigen Zeit mit dem Teil seines Gehalts, der die Besoldung der entsprechenden Kriminalbeamtentätigkeit überstiegen habe, die Hinterbliebenenversorgung aufbessern können.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Tätigkeit als Werkschutzleiter entspreche nicht der eines Kriminalbeamten im mittleren Dienst. Zu Unrecht habe das LSG auch die Minderung der Hinterbliebenenversorgung unberücksichtigt gelassen. Eine Tätigkeit, die zu einer geringeren Versorgung führe als der angestrebte Beruf, sei letzterem schon aus diesem Grunde nicht gleichwertig.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1977 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 1976 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. November 1973 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 1974 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr bezüglich der begehrten Witwenbeihilfe einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er meint, eine "entsprechende" Erwerbstätigkeit sei jede, die für den Schwerbeschädigten unter Berücksichtigung des Einzelfalles, insbesondere des beruflichen Werdeganges, angemessen sei. Das sei hier in bezug auf die Werkschutzleitertätigkeit der Fall gewesen, so daß es eines Vergleichs mit der Position eines Kriminalbeamten gar nicht bedurft hätte. Aber auch ein solcher Vergleich führe zu keinem für die Klägerin positiven Ergebnis.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen tragen sein Urteil nicht, lassen aber auch keine abschließende Entscheidung des Senats zu.

Die Vorinstanzen haben den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Witwenbeihilfe zutreffend nach § 48 Abs 1 BVG idF des 4. AnpG geprüft. Nach dieser Vorschrift kann Witwenbeihilfe gewährt werden, wenn ein Schwerbeschädigter, der nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, durch die Schädigungsfolgen gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit in vollem Umfang auszuüben, und dadurch die Versorgung seiner Hinterbliebenen erheblich beeinträchtigt worden ist. Diese Fassung galt ab 1. Januar 1973 (Art 4 § 3 4.AnpG), sie ist - unabhängig vom Zeitpunkt des Todes des Beschädigten auch auf den im Dezember 1972 gestellten Antrag der Klägerin anzuwenden (§ 90 Abs 2 BVG idF des Art 1 Nr 26 4.AnpG). Die durch Art 2 § 1 Nr 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3113) erfolgte Neufassung des § 48 Abs 1 BVG hat die hier streitigen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Gewährung von Witwenbeihilfe im wesentlichen unverändert gelassen (jetzt § 48 Abs 1 Satz 1 BVG), der Begriff "erheblich" ist durch die Worte "nicht unerheblich" ersetzt worden. (Die frühere Kann-Leistung der Witwenbeihilfe ist außerdem jetzt als Rechtsanspruch gestaltet).

Der Senat kann nicht abschließend über die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsbescheide des Beklagten entscheiden, da die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht zur Beurteilung der Frage ausreichen, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin eine "entsprechende Erwerbstätigkeit" iS von § 48 Abs 1 Satz 4 2. Halbs BVG idF des 4. AnpG ausgeübt hatte.

§ 48 Abs 1 BVG enthält keine Begriffsbestimmung dieses Tatbestandsmerkmals, so daß zu seiner Auslegung Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift heranzuziehen sind. Danach ist die Beschäftigung des Beschädigten in Bezug zu setzen zu seinem vor der Schädigung ausgeübten, begonnenen oder angestrebten Beruf, wie dieses auch nach § 30 Abs 2 Satz 2a BVG bei der besonderen beruflichen Betroffenheit erfolgt, und wie es das LSG insoweit zutreffend angenommen hat. Hierfür spricht einmal die Begründung zur Neufassung des § 48 Abs 1 BVG durch das 4. AnpG (BT-Drucks VI/3483 S 8). Dort heißt es ua: "In Einzelfällen sind auch Schwerbeschädigte mit einer MdE von 50 oder 60 vH durch die Schädigung gehindert, ihren Beruf in vollem Umfang auszuüben .... Die Einfügung bezweckt, die Witwen und Waisen zu versorgen, deren Hinterbliebenensicherung durch die Folgen der Schädigung erheblich beeinträchtigt worden sind". Hieraus ist zu entnehmen, daß "der Beruf" des Beschädigten - ebenso wie beim Berufsschadensausgleich und bei dem besonderen beruflichen Betroffensein - von wesentlicher Bedeutung für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals "entsprechende Erwerbstätigkeit" ist. Da § 48 BVG letztlich seinen Grund darin hat, Entschädigungsansprüche zu regeln, wenn Beschädigte wegen ihrer Schädigungsfolgen nicht in der Lage waren, ausreichend für ihre Hinterbliebenen zu sorgen (so BSG SozR Nr 5 zu § 48 BVG = BVBl 1974, 26), ist die in ihm geregelte Entschädigung in einem engen Zusammenhang mit den in § 30 Abs 2 BVG genannten Leistungsvoraussetzungen zu sehen. Der durch die Verletzungsfolgen eingetretene Schaden wirkt sich uU nicht nur zu Lebzeiten des Beschädigten aus; durch die in der Regel vorhandene Verknüpfung der Hinterbliebenenversorgung mit dem durch die berufliche Tätigkeit in seiner Höhe bestimmten Erwerbseinkommen wird ggf auch die finanzielle Situation der Hinterbliebenen hiervon berührt. Dann soll - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - eine Beihilfe an die Hinterbliebenen gezahlt werden können - obwohl der Tod ihres "Ernährers" nicht schädigungsbedingt war -, weil ihre ungünstige wirtschaftliche Situation durch die Schädigung maßgeblich beeinflußt worden ist (vgl BSG in BVBl 1971, 105f). Diese Auswirkungen ergeben sich nach dem Ausgeführten dadurch, daß der Beschädigte wegen der Schädigungsfolgen seinen bisherigen oder angestrebten Beruf nicht ausüben konnte; sie sind noch Teil des beruflichen Schadens, der sich insoweit allerdings nicht zu Lebzeiten des Beschädigten ausgewirkt hat. Demnach ist bei der Auslegung des Begriffs "entsprechende Erwerbstätigkeit" diejenige Tätigkeit zu berücksichtigen, die der Beschädigte ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübt hätte (so auch Gottl in: Der Versorgungsbeamte, 1974, 9; sowie BMA, Rdschr 14.2.1973 in BVBl 1973, 23; Rdschr 29.11.1974, BVBl 1975, 4; vgl auch Kayser, VdK-Mitteilungen 1973, 250, 252 Anm 3, 253). Daraus folgt, daß der von dem Beklagten vertretenen Auffassung, eine "entsprechende Erwerbstätigkeit" sei jede, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschädigten - ohne Rücksicht auf den bisher von ihm ausgeübten oder auf den angestrebten Beruf - angemessen sei, nicht gefolgt werden kann.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) des LSG hatte der Ehemann der Klägerin die Absicht gehabt, Kriminalbeamter des mittleren Dienstes zu werden, in dem er bis zum Kriminalhauptmeister (Besoldungsgruppe A 8) aufgestiegen wäre. Das Berufungsgericht hat dann hiermit die ausgeübte Tätigkeit eines Werkschutzleiters hinsichtlich ihrer sozialen Gleichwertigkeit verglichen, letztere bejaht und angenommen, der Ehemann der Klägerin habe damit eine entsprechende Erwerbstätigkeit in vollem Umfang ausgeübt; deshalb hat es der Tatsache keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen, daß die der Klägerin aufgrund der Angestelltentätigkeit ihres Ehemannes gezahlte Rente geringer ist als das Witwengeld, das ihr zustehen würde, wenn ihr Ehemann Kriminalhauptmeister geworden wäre. Das LSG wendet somit die Tatbestandsmerkmale des § 30 Abs 2 Satz 2a BVG vollinhaltlich auf den hier zu beurteilenden Begriff der "entsprechenden Erwerbstätigkeit" an und sieht ihn als erfüllt an, wenn der Beschädigte einen sozial gleichwertigen Beruf ausgeübt hat (so im Ergebnis auch Frank, KOV-Mitteilungen 1973, 31, 33 ff). Eine solche Auslegung ist aber zu sehr an den in § 30 BVG geregelten Sachverhalten orientiert. Sie läßt außer acht, daß hier nicht über eine Entschädigung für den Beschädigten selbst, sondern über Leistungen an seine Hinterbliebenen zu entscheiden ist. Da eine etwaige Auswirkung der Schädigung auf die Höhe der Hinterbliebenenversorgung Anknüpfungspunkt für die Gewährung von Beihilfe nach § 48 BVG ist, kann die Prüfung der Frage, ob der Beschädigte eine "entsprechende Erwerbstätigkeit" ausgeübt hat, nicht mit der Bejahung der sozialen Gleichwertigkeit seiner Tätigkeit im Hinblick auf das aktive Erwerbsleben mit dem angestrebten Beruf beendet sein. Vielmehr ist bereits im Rahmen dieser Prüfung ein etwaiger Unterschied in der Versorgung zu berücksichtigen. Wenn der verstorbene Beschädigte seinen angestrebten Beruf nicht ausgeübt hat, ist zu fragen, ob die statt dessen ausgeübte Tätigkeit jenem Beruf auch hinsichtlich der auf ihr beruhenden Hinterbliebenenversorgung entsprochen hat. Während bei der besonderen beruflichen Betroffenheit auf die berufliche Situation des Beschädigten selbst abzustellen ist, so daß Leistungen evtl auch ohne Einkommenseinbuße wegen Verlusts von sozialem Ansehen zu beanspruchen sind, soll die Witwenbeihilfe nicht eine auf die Berufstätigkeit als solche bezogene Entschädigung sein; die soziale Vergleichbarkeit der in Betracht kommenden Berufe ist für sie nicht von ausschlaggebender Bedeutung, maßgeblich ist die Auswirkung der Schädigung auf die Versorgung.

Somit ist für den hier streitigen Anspruch von Bedeutung, ob der Ehemann der Klägerin als Werkschutzleiter eine Tätigkeit ausgeübt hatte, die hinsichtlich der Möglichkeit zur Schaffung einer Hinterbliebenenversorgung mit der Stellung eines Beamten des mittleren Dienstes vergleichbar ist. Das kann vom Senat wegen fehlender Feststellungen im Berufungsurteil nicht abschließend entschieden werden, so daß der Rechtsstreit zur Nachholung der Feststellungen an das LSG zurückzuverweisen ist.

Das Berufungsgericht wird festzustellen haben, ob die Witwenrente, die der Klägerin aus der Angestelltenversicherung gezahlt wird, "erheblich" iS von § 48 Abs 1 Satz 4 2.Halbs BVG hinter dem bei einer Beamtentätigkeit des Beschädigten sonst zu beanspruchenden Witwengeld zurückbleibt. Über die Höhe dieser Beträge finden sich im angefochtenen Urteil keine Angaben. Um einen zutreffenden Vergleich zwischen ihnen anstellen zu können, müssen zuvor die Abzüge für Steuern und Krankenversicherung bei den Bruttopensionen berücksichtigt werden, denn das Witwengeld ist wie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern, lediglich bestimmte Freibeträge wirken steuermindernd, außerdem sind Pensionsempfänger im Krankheitsfall lediglich beihilfeberechtigt, genießen also keinen vollen Krankenversicherungsschutz. Eine Rente stellt dagegen in der Regel ein Nettoeinkommen dar, da nur ihr Ertragsanteil zu versteuern ist (§ 22 Einkommensteuergesetz 1971). Ferner hat die Klägerin als Rentnerin keine Krankenversicherungsbeiträge aufzubringen (§§ 165 Abs 1 Nr 3, 381 Abs 2 Reichsversicherungsordnung - RVO -). Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß die Pensionen seit 1973 jeweils im Dezember doppelt gezahlt werden, es bei der Rente dagegen keine Weihnachtszuwendung gibt.

Nach Ermittlung der Vergleichsbeträge wird das LSG zu entscheiden haben, ob ein "erheblicher" Unterschied zwischen der mutmaßlichen Pension und der Witwenrente der Klägerin besteht. Was als erheblich anzusehen ist, ist im Gesetz nicht näher erläutert. Bei der Auslegung des Begriffs ist zu berücksichtigen, daß die streitige Vorschrift als Härtebestimmung gedacht war, also hauptsächlich gesondert gelagerte Einzelfälle von ihr erfaßt werden sollten (vgl BT-Drucks VI/3481 Vorblatt A 2 sowie S 8 zu Nr 21; so auch Staatssekretär Eicher in der 91. Bundestagssitzung, Protokoll S 6172; Staatssekretär Buschfort in der 192. Bundestagssitzung, Protokoll S 9831), sie also eine Ausnahmevorschrift sein sollte (Staatssekretär Buschfort aaO S 9832). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für den Bereich des besonderen beruflichen Betroffenseins (BSGE 29, 139, 143 ff; SozR Nr 37 zu § 30 BVG; SozR 3100 § 30 Nr 6) und die häufig nur geringen Einkünfte der Hinterbliebenen hält es der Senat für angemessen, in der Regel die im Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 8. März 1976 (BVBl 1976, 60) genannte Minderung der Versorgung um etwa 15% als Grenze anzunehmen, von der ab die finanzielle Einbuße im allgemeinen als erheblich anzusehen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß solche Zahlen keine starre Abgrenzung darstellen, sondern nur Anhaltspunkte bieten können. Es kommt bei Wertungen der hier vorzunehmenden Art immer auf den Einzelfall an, so daß ggf auch geringere Einbußen "erheblich" sein können. Ob bei der Klägerin eine Versorgungsminderung im hier genannten Umfang vorliegt, wird das LSG noch festzustellen haben.

Sollte sich bei erneuter Prüfung eine solche ergeben, wird das LSG zu ermitteln haben, ob und inwieweit der Beschädigte - etwa durch Entrichtung von Höherversicherungsbeiträgen - in der Lage gewesen wäre, diese zu verhindern, ohne daß sein zum Verbrauch bestimmtes Einkommen unter das gesunken wäre, welches er im angestrebten Beruf gehabt hätte. Die Ausführungen hierzu im angefochtenen Urteil reichen nicht aus. Das LSG hat lediglich für 1965 einen Mehrverdienst des Beschädigten von ca. 370,- DM monatlich im Vergleich zum Gehalt eines Kriminalhauptmeisters festgestellt, für die übrigen Jahre fehlen solche Vergleiche. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß Vergleichsgrundlage das ermittelte Angestelltengehalt nur abzüglich des Arbeitnehmeranteils zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sein kann, denn nur dieses entspricht den Dienstbezügen eines Beamten, die solche Abzüge nicht kennen. Ferner wird das LSG zu ermitteln haben, um wieviel sich die Witwenrente erhöht hätte, wenn der Beschädigte auch in der Zeit, in der er in der Angestelltenversicherung versicherungsfrei gewesen ist, freiwillig Beiträge entrichtet oder für eine anderweitige Absicherung der Hinterbliebenen gesorgt hätte. Nur dann kann abschließend beurteilt werden, ob die Tätigkeit des Beschädigten als Werkschutzleiter der eines Kriminalbeamten des mittleren Dienstes entsprochen hat, weil erstere bei einem Ausnutzen der mit ihr verbundenen finanziellen Vorteile keine erhebliche Versorgungseinbuße zur Folge gehabt hätte, mit ihr also nicht notwendigerweise eine erhebliche Versorgungsminderung verbunden gewesen war.

Sollte das LSG zu dem Ergebnis kommen, daß aufgrund der genannten Kriterien die Tätigkeit als Werkschutzleiter der angestrebten Beamtenposition nicht entsprochen hat, so wird es noch die für die Entscheidung erforderliche Feststellung darüber zu treffen haben, daß die Schädigung wesentliche Bedingung für die nicht stattgefundene Wiedereinstellung des Beschädigten in den Polizeidienst war. Nur dann käme überhaupt die Gewährung einer Witwenbeihilfe in Betracht, da die Nichtaufnahme einer entsprechenden Tätigkeit Folge der Schädigung gewesen sein muß, wie es in § 48 Abs 1 Satz 4 2.Halbs BVG eindeutig heißt. Hierzu kann dem angefochtenen Urteil lediglich entnommen werden, daß die Entlassung aus dem Polizeidienst nicht schädigungsbedingt erfolgte, sondern deshalb, weil der Ehemann der Klägerin Berufsunteroffizier gewesen war. Dem LSG bleibt es auch freigestellt, entsprechende Ermittlungen vorrangig anzustellen. Dabei könnten Nachforschungen bei der Stadt Krefeld nützlich sein, nach welchen Gesichtspunkten dort in der entsprechenden Zeit Polizeibeamte neu eingestellt wurden. Läßt sich die notwendige Kausalität nicht feststellen, wobei die Unaufklärbarkeit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin ginge, wäre die Klage schon aus diesem Grunde abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651869

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