Leitsatz (amtlich)

1. Die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (§ 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO) kann auch außerhalb des Geltungsbereichs der RVO erfolgen.

2. Für die Erfüllung der Halbbelegung iS des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO sind nur bundesdeutsche oder ihnen gleichgestellte Versicherungszeiten zu berücksichtigen.

3. In der DDR zurückgelegte Versicherungszeiten sind unter der Voraussetzung des § 90 Abs 1 BVFG den bundesdeutschen gleichgestellt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ausländische Versicherungszeiten sind nur zu berücksichtigen, soweit diese Zeiten - durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellungsregelung - der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Fassung: 1977-06-27; BVFG § 90 Abs. 1 Fassung: 1971-09-03

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Mitgliedschaft der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Die im Jahre 1919 geborene Klägerin wohnte bis Ende Oktober 1967 in der DDR und war dort seit 1947 bei der Reichsbahn beschäftigt und Mitglied der jeweils zuständigen Sozialversicherungseinrichtungen der DDR. Seit Ende Oktober 1967 hält sie sich im Bundesgebiet auf und war - mit Ausnahme einer zweitägigen Unterbrechung - bis zur Rentenantragstellung am 11. Januar 1979 versicherungspflichtiges Mitglied bei bundesdeutschen Krankenversicherungsträgern, zuletzt bei der Beklagten. Die Beklagte lehnte ihren Antrag auf Aufnahme in die KVdR mit Bescheid vom 18. Januar 1979 ab, weil die Klägerin nach Auffassung der Beklagten die Vorversicherungszeit nach § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht erfüllt hat. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. März 1979).

Das Sozialgericht (SG) hat auf ihre Klage die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, daß die Klägerin seit der Rentenantragstellung der Krankenversicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 iVm § 315a RVO unterliegt. Nach Auffassung des SG hat die Klägerin die nach § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO erforderliche Vorversicherungszeit zwar nicht durch Mitgliedschaft bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Geltungsbereich der RVO erfüllt, doch müsse ihre Zugehörigkeit zu entsprechenden Einrichtungen der DDR einer solchen Mitgliedschaft gleichgestellt werden. Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten verletze das Gebot der Gleichstellung der aus der DDR ins Bundesgebiet übergesiedelten Deutschen. Allerdings enthalte § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst b RVO ua auch für diesen Personenkreis eine Sonderregelung; diese habe jedoch keinen abschließenden Charakter, sondern stelle lediglich eine Erleichterung für ehemalige Bewohner der DDR dar, die in den letzten zehn Jahren vor dem Rentenantrag in das Bundesgebiet übergesiedelt seien. Hieraus lasse sich jedoch kein Grund für eine Benachteiligung derjenigen ehemaligen Bewohner der DDR ableiten, die seit mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet lebten (Urteil vom 23. November 1981).

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Ihrer Auffassung nach verstößt die Auslegung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO durch das SG gegen Wortlaut und Sinn dieser Regelung. Der Gesetzgeber habe mit der Reform der KVdR im Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 -KVKG- das Ziel verfolgt, eine Pflichtversicherung als Rentner nur noch nach einer erheblichen Zeit der Entrichtung von Beiträgen zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen. Hierdurch entstehende Härten habe er im Hinblick auf den gemäß § 1304e RVO den nicht pflichtversicherten Rentnern zu zahlenden Beitragszuschuß bewußt in Kauf genommen. Soweit er in Buchst b des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO für den in den §§ 1 oder 17 Fremdrentengesetz (FRG) genannten Personenkreis zur Vermeidung besonderer Härten eine Ausnahme von der Vorversicherung gemacht habe, habe er mit dieser Vorschrift eine abschließende Regelung getroffen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. November 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin, nachdem sie die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und einen Rentenantrag gestellt hat, gemäß § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO als Pflichtmitglied in die KVdR aufzunehmen ist.

Nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO idF des KVKG, die seit dem 1. Juli 1977 gilt, sind kraft Gesetzes krankenversichert: Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn a) sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 1.Januar 1950 bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung waren oder mit einem Mitglied verheiratet und nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig waren oder b) sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, zu den in § 1 oder § 17 Abs 1 des Fremdrentengesetzes Genannten gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Rentenantragstellung in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt haben.

Die Klägerin gehört zum Personenkreis des § 17 Abs 1 des Fremdrentengesetzes (FRG); dennoch ist auf sie die Regelung in Buchst b des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO nicht anwendbar, weil sie nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Rentenantragstellung ihren Wohnsitz in das Bundesgebiet verlegt hat. Die Klägerin erfüllt jedoch die in Buchst a genannten Voraussetzungen, da die von ihr in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Ermittlung der Halbbelegung zu berücksichtigen sind.

Die Erfüllung der in Buchst a des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO geforderten Halbbelegung hängt in Fällen, in denen der Versicherte sein Erwerbsleben nicht im Geltungsbereich der RVO begonnen hat, vor allem davon ab, ob für den Beginn der Rahmenfrist erst die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet oder schon eine zuvor im Ausland bzw in der DDR begonnene Tätigkeit maßgebend ist. Bei einer nur auf den Geltungsbereich der RVO abstellenden (gebietsbezogenen) Auslegung des Merkmals "erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" würde die Klägerin mit den von ihr im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten die Halbbelegung erfüllen. In Übereinstimmung mit der Beklagten ist das genannte Merkmal jedoch gebietsneutral zu verstehen; es umfaßt mithin jede Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, unabhängig davon, ob sie inner- oder außerhalb des Geltungsbereichs der RVO erfolgt ist (so auch: Hessisches LSG, Urteil vom 17. Februar 1982, L 8 Kr 1331/81, und LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juni 1983, L 16 Kr 77/82; Kierstein/ Krückel, Die Krankenversicherung der Rentner, 1982, § 165 Anm 3.4.1.2.; Laufer/Eibs/Ott, Krankenversicherung der Rentner, 1982, § 165 Anm 3.1.; Hungenberg/Steffens, Krankenversicherung der Rentner, 3. Aufl 1983, S 31; anders: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. November 1979, L 5 K 15/79, KVRS A-1500/1, und Bayerisches LSG, Urteil vom 28. April 1982, L 4 Kr 65/81).

Diese Auslegung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO wird schon durch den Gesetzeswortlaut nahegelegt, der die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht auf das Inland beschränkt. Der Begriff "Erwerbstätigkeit" ist im übrigen kein spezifisch sozialversicherungsrechtlicher; er findet sich auch in anderen Regelungen (zB §§ 1356 Abs 2, 1574 BGB) und ist dort nicht auf innerstaatliche Tatbestände festgelegt. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch umfaßt er jede sowohl im Inland wie im Ausland ausgeübte und Erwerbszwecken dienende Tätigkeit. Für eine gebietsneutrale Auslegung sprechen schließlich entscheidend die Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO.

Bei der Neufassung dieser Vorschrift durch das KVKG war zunächst eine feste Vorversicherungszeit von 20 Jahren - mit Ausnahmen für Frührentner und Umsiedler - vorgesehen gewesen (BT-Drucks 8/166, S 4 und S 24). Auf Anregung des Bundesrates (BT-Drucks 8/173, S 2, und 8/338, S 5f und 60) wurde dann das Halbbelegungserfordernis eingeführt, das im späteren Gesetzgebungsverfahren lediglich insofern ergänzt wurde, als die Rahmenfrist für die Halbbelegung "aus verwaltungs- und beweistechnischen Gründen" frühestens am 1. Januar 1950 beginnt (BT-Drucks 8/338, S 60). Der Bundesrat hatte allerdings mit seiner Anregung ursprünglich nur einen weiteren Tatbestand für die Begründung der Versicherungspflicht in der KVdR - neben der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen zwanzigjährigen Vorversicherungszeit - schaffen wollen, um den nach dem Regierungsentwurf zu erwartenden zahlreichen Härtefällen zu begegnen. Bei den Ausschußberatungen ist dann jedoch die Forderung nach einer zwanzigjährigen Vorversicherungszeit gänzlich fallengelassen worden.

Das somit allein maßgebend gebliebene Halbbelegungserfordernis ist nach Ansicht des Bundesrates dahin zu verstehen, daß "der Betreffende oder seine Bezugsperson mindestens die Hälfte seines (ihres) Erwerbslebens bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war" (BT-Drucks 8/173 aa0). Welche Erwägungen dabei den Gesetzgeber bestimmt haben, nur noch Rentner mit einer (zunächst fest, später variabel ausgestalteten) Vorversicherungszeit in die KVdR aufzunehmen, ergibt sich aus dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung; diese hatte nämlich ihren Entwurf vor allem damit begründet, daß nur die genannten Personen "eine angemessene Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und damit am Solidarausgleich für die Krankenversicherung der Rentner ausreichend beteiligt waren"; es sei nicht vertretbar, auch solche Personen zu versichern, "die als Erwerbstätige nicht am Solidarausgleich teilgenommen" hätten (BT-Drucks 8/166, S 24).

Auszugehen ist hiernach bei der Auslegung des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO von der Absicht des Gesetzgebers, in die KVdR nur Rentner einzubeziehen, die während mindestens der "Hälfte ihres Erwerbslebens" Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung waren, wobei die Art der Versicherung - Pflicht- oder freiwillige Versicherung - unerheblich ist. Daß der Gesetzgeber sich entgegen der zunächst vorgesehen gewesenen zwanzigjährigen Vorversicherungszeit allgemein mit einer Halbbelegung begnügt hat, andererseits jedoch - im Unterschied etwa zu der für Ausfallzeiten in der Rentenversicherung vorgesehenen Halbbelegung (§ 1259 Abs 3 RVO) - einen Abzug bestimmter Zeiten von der Rahmenfrist nicht zugelassen hat (vgl § 1259 Abs 3 Satz 2 RVO), zwingt zu dem Schluß, daß die Rahmenfrist des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO in jedem Fall das gesamte "Erwerbsleben" (BT-Drucks 8/173 aa0) umfaßt, soweit es nach dem 31. Dezember 1949 liegt. Bei der Ermittlung der Rahmenfrist dürfen deshalb auch solche Zeiten nicht ausgeklammert werden, in denen der Rentner, wie in der Regel bei einer Erwerbstätigkeit im Ausland, keine Möglichkeit hatte, der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung anzugehören, oder in denen er diese Möglichkeit zwar hatte, von ihr aber - aus vielleicht verständlichen Gründen - keinen Gebrauch gemacht hat. Andernfalls müßte nicht nur eine im Ausland ausgeübte Erwerbstätigkeit unberücksichtigt bleiben; es müßten vielmehr auch diejenigen gesondert behandelt werden, denen bei einer Erwerbstätigkeit im Inland der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt war. Dem Grund für die Nichtzugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung und damit für die Nichterfüllung der Solidarpflicht soll aber nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers grundsätzlich keine Bedeutung zukommen; er spielt nur in den Fällen eine Rolle, die von der Regelung in Buchst b des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO erfaßt werden. Die objektive - rechtliche oder tatsächliche - Unmöglichkeit, während eines Aufenthalts im Ausland Beiträge zur deutschen Krankenversicherung zu entrichten und dadurch einen Solidarbeitrag zur deutschen Krankenversicherung zu leisten, rechtfertigt mithin keine Abkürzung der gesetzlichen Rahmenfrist und der nach ihr zu berechnenden Halbbelegungszeit. Die betreffenden Rentner dürfen nicht besser behandelt werden als Rentner, die stets im Bundesgebiet erwerbstätig waren, wegen der Art ihrer Tätigkeit (zB als Selbständige oder Beamte) jedoch keine Möglichkeit hatten, sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Härtefälle werden insoweit allein dadurch ausgeglichen, daß nur die Hälfte des Erwerbslebens mit Versicherungszeiten belegt zu sein braucht.

Eine nur auf das Bundesgebiet bezogene Auslegung des Merkmals "erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" folgt auch nicht aus dem Territorialitätsprinzip der deutschen Sozialversicherung. Dieses in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit jeher anerkannte Prinzip (vgl BSGE 7, 257, 263; 17, 173, 177; 27, 129, 132; 30, 244, 246; 32, 174, 175; 43, 255, 257ff und SozR Nr 64 zu § 165 RVO) besagt, daß die Durchsetzbarkeit von sozialversicherungsrechtlichen Normen ihre Schranke grundsätzlich an den Grenzen der inländischen Staatsgewalt findet. Nicht ausgeschlossen wird dadurch, daß das deutsche Recht an Sachverhalte anknüpft, die im Ausland verwirklicht worden sind. Maßgebend ist insoweit der Inhalt und vor allem der Zweck der jeweiligen Sachnorm (BSGE 33, 280, 283f). Die territoriale Tragweite sozialrechtlicher Vorschriften ist demgemäß in den vom BSG entschiedenen Fällen nicht einheitlich bestimmt worden (vgl vor allem BSGE 17, 110, 113; 25, 295, 296f; 31, 288, 289f; 34, 76, 78; 36, 209, 216; 43, 255, 257ff; SozR 2200 § 200a Nr 2 und § 1248 Nr 35 sowie SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 7). Auch für die Auslegung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO idF des KVKG ist deshalb, soweit das Territorialitätsprinzip berührt wird, vor allem der Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen. Daß dieser aber eine gebietsneutrale Auslegung des Begriffs "Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" nahelegt, wurde bereits ausgeführt.

§ 3 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) - steht der vom Senat vertretenen Auffassung nicht entgegen. Diese Vorschrift macht - im Sinne des Territorialitätsprinzips - den Eintritt der deutschen Versicherungspflicht ua davon abhängig, daß die Beschäftigung bzw selbständige Tätigkeit "im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs" ausgeübt wird. Da § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO die Frage der Versicherungspflicht nicht mit der "Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" verknüpft, der Zeitpunkt der "Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" vielmehr lediglich den Beginn der Rahmenfrist in § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO bestimmt, betrifft § 3 SGB IV die vorliegende Problematik nicht.

Für die Erfüllung der Halbbelegung können nach § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO nur Vorversicherungszeiten bei einem "Träger der gesetzlichen Krankenversicherung" angerechnet werden. Zu diesen gehören nach § 12 iVm § 21 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I) - nur die auf dem Gebiet der Bundesrepublik und West-Berlins befindlichen Einrichtungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine generelle Einbeziehung ausländischer Vorversicherungszeiten widerspräche zudem dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Neuregelung des in der KVdR pflichtversicherten Personenkreises und der Forderung nach vorangegangener Teilnahme des Rentners am "intertemporalen Solidarausgleich" verfolgt (vgl hierzu Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S 18). Diesem Zweck wird grundsätzlich nur die Mitgliedschaft bei einem innerstaatlichen Krankenversicherungsträger gerecht; denn nur über eine solche Mitgliedschaft kann der Rentner während einer ausreichend langen Zeit seines Erwerbslebens die Defizite der Rentnerkrankenversicherung durch eigene Beitragszahlung mitfinanziert haben (zur Mitbelastung der "aktiven" Krankenkassenmitglieder mit den Defiziten der KVdR das Urteil des erkennenden Senats vom 16. Februar 1983, 12 RK 79/80).

Eine Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten im Rahmen des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO kommt hiernach nur in Betracht, soweit diese Zeiten - durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellungsregelung - der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind. Eine solche Gleichstellung findet sich für Arbeitnehmer mit ausländischen Versicherungszeiten in einer Reihe von Sozialversicherungsabkommen. Ausländische Versicherungszeiten von Angehörigen der EG-Staaten sind ferner aufgrund der Ergänzung der EWG-VO 1408/71 (Anhang VI, Abschn C-Deutschland, Ziff 13) allgemein deutschen Versicherungszeiten gleichgestellt. Diese zum größten Teil erst nach dem 1. Juli 1977 getroffenen Regelungen zeigen, daß auch der Gesetzgeber davon ausgeht, daß ausländische Versicherungszeiten ohne eine ausdrückliche Gleichstellungsregelung nicht anrechenbar sind, daß andererseits aber auch die Rahmenfrist für die Halbbelegung nicht erst mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich der RVO beginnen kann. Anderenfalls wären nämlich die (ausdrücklich auf die für die KVdR erforderliche Vorversicherung abstellenden) Gleichstellungsregelungen in zwischenstaatlichen Vereinbarungen weitgehend überflüssig, zumindest in bezug auf den von den Abkommen hauptsächlich betroffenen Personenkreis der früher im Ausland und danach in der Bundesrepublik tätig gewesenen ausländischen Arbeitnehmer.

Die von Vertriebenen und "Sowjetzonenflüchtlingen" (§ 3 des Bundesvertriebenengesetzes -BVFG- idF vom 3. September 1971, BGBl I 1566) in ihren Herkunftsländern zurückgelegten Krankenversicherungszeiten werden durch § 90 Abs 1 BVFG den Versicherungszeiten im Geltungsbereich der RVO gleichgestellt. § 90 Abs 1 BVFG enthält nicht nur einen Auftrag an den Gesetzgeber, die Gleichstellung der genannten Personengruppen durch ein Bundesgesetz iS des § 90 Abs 3 BVFG zu regeln, wie dies vor allem durch das Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz vom 25. Februar 1960 (BGBl I S 93) geschehen ist. § 90 Abs 1 BVFG ist vielmehr auch unmittelbar anzuwenden, wenn und soweit eine spezialgesetzliche Gleichstellungsvorschrift für den vom BVFG erfaßten Personenkreis fehlt (vgl BSGE 4, 102, 104, für die Arbeitslosenversicherung; 39, 162, 165, zu Vorversicherungszeiten beim Mutterschaftsgeld nach § 200a RVO).

Eine Gleichstellung von Vertriebenen und "Sowjetzonenflüchtlingen" über § 90 Abs 1 BVFG scheitert hier auch nicht an der Regelung in § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst b RVO, obwohl beide Vorschriften im wesentlichen den gleichen Personenkreis (Vertriebene und ehemalige Bewohner der DDR) betreffen und ein Rückgriff auf die allgemeine Gleichstellungsvorschrift in § 90 Abs 1 BVFG grundsätzlich ausgeschlossen ist, sobald eine "nähere Regelung" iS des § 90 Abs 3 BVG vorliegt. § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst b RVO stellt jedoch keine nähere Regelung iS des § 90 Abs 3 BVFG dar; denn er geht bei den von ihm erfaßten Personen (denjenigen, die erst in den letzten zehn Jahren vor der Rentenantragstellung ihren Wohnsitz in den Geltungsbereich der RVO verlegt haben) über eine Gleichstellung der von ihnen im Ausland bzw der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten weit hinaus, indem er diese Personen ganz von dem Erfordernis einer Vorversicherung befreit, weil von ihnen wegen ihres noch relativ kurzen Aufenthalts im Geltungsbereich der RVO nicht erwartet werden kann, daß sie schon in ausreichendem Umfang zum intertemporalen Solidarausgleich beigetragen haben. Soweit diese Sondervorschrift nicht eingreift, bleibt mithin die Grundvorschrift in § 90 Abs 1 BVFG anwendbar.

Nach den Feststellungen des SG war die Klägerin, die, wie bereits ausgeführt, nicht zu dem in § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst b RVO genannten Personenkreis gehört (sie hatte bei Beantragung der Rente am 11. Januar 1979 schon länger als zehn Jahre die DDR verlassen), von 1947 bis Oktober 1967 Arbeitnehmerin der DDR-Reichsbahn und als solche sozialversichert. Danach war sie bis zur Rentenantragstellung - mit Ausnahme von zwei Tagen - durchgängig Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Durch die Gleichstellung der DDR-Zeiten mit Versicherungszeiten im Bundesgebiet ist bei ihr somit nahezu die gesamte Rahmenfrist des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO (1. Januar 1950 bis 11. Januar 1979) mit Mitgliedschaftszeiten iS dieser Vorschrift iVm § 90 Abs 1 BVFG belegt.

Die nach alledem unbegründete Revision der Beklagten mußte daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 39

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