Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 25.11.1981; Aktenzeichen L 8 Kr 576/81)

SG Kassel (Urteil vom 25.03.1981; Aktenzeichen S 12 Kr 101/80)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. November 1981 – L 8 Kr 576/81 – und des Sozialgerichts Kassel vom 25. März 1981 – S 12 Kr 101/80 – sowie die Bescheide der Beklagten vom 8. Juli 1980 und 23. September 1980 abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis 8. Februar 1980 Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes nach § 200a Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) abzüglich des bereits für diesen Zeitraum nach § 200 RVO bezahlten Betrages zu gewähren.

3. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

4. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 2 Mutterschutzgesetz –MuSchG– zusteht. Die Klägerin, die seit 3. Januar 1979 als Kinderpflegerin bei der Stadt B. angestellt war, und deren Arbeitsverhältnis entsprechend dem ursprünglichen Arbeitsvertrag zum 31. Dezember 1979 endete, wurde am 16. November 1979 vorzeitig von einem nichtlebenden Kind entbunden. Die Beklagte zahlte Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 25,– DM vom 1. Dezember 1979 bis zum 8. Februar 1980 (Ablauf der 12-Wochenfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG), der Arbeitgeber zusätzlich einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 1 MuSchG bis 31. Dezember 1979 (Ablauf des Arbeitsverhältnisses). Den Antrag der Klägerin, ihr darüber hinaus den Zuschuß nach § 14 Abs. 2 MuSchG bis zum Ablauf der Schutzfrist – 8. Februar 1980 – zu gewähren, hat die Beklagte mit der Begründung abgelehnt, das Arbeitsverhältnis sei nicht „vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden”, sondern habe vertraglich geendet. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, daß der Anspruch eine auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerichtete, während der Schwangerschaft getroffene Maßnahme zur Voraussetzung habe, die hier nicht vorliege, da das Arbeitsverhältnis von vornherein befristet gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung des § 14 Abs. 2 MuSchG. Da ihr die Arbeit im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach § 93 Arbeitsförderungsgesetz –AFG– zugewiesen worden sei, habe sie die Tatsache, daß das Arbeitsverhältnis von vornherein befristet worden sei, nicht zu vertreten.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 25. März 1981 sowie des Bescheides der Beklagten vom 8. Juli 1980 und des Widerspruchsbescheides vom 23. September 1980 das angefochtene Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. November 1981 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Januar bis 8. Februar 1980 entweder nach § 200a RVO oder hilfsweise nach § 14 Abs. 2 MuSchG zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist insoweit begründet, als die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Urteile und Bescheide zu verurteilen ist, der Klägerin Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes zu zahlen. Unbegründet ist die Revision insoweit, als die begehrte Leistung das Krankengeld übersteigt.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig, auch soweit der Zuschuß nach § 14 Abs. 2 MuSchG begehrt wird (Bulla/Buchner, Kommentar zum Mutterschutzgesetz 5. Aufl, § 14 RdNr. 95). Insoweit bedurfte es auch keiner Beiladung des Bundesversicherungsamtes. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung hätte der Senat allerdings von Amts wegen berücksichtigen müssen. Entgegen der Meinung der Beklagten ist aber das Bundesversicherungsamt an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könnte (§ 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–). Zwar wird der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 2 MuSchG zu Lasten des Bundes gezahlt. Zuständig für die Entscheidung ist aber die für die Zahlung des Mutterschaftsgelds zuständige Stelle. Der Bund beschränkt sich also nach dem Sinn der Vorschrift auf die Finanzierung – wie dies zB auch im Kindergeldrecht geschieht –.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Zuschuß nach § 14 Abs. 2 MuSchG. Nach § 14 Abs. 1 MuSchG erhalten Frauen, die unter anderem einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO haben, für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 MuSchG von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 25,– DM und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt. Frauen, deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft oder während der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist, erhalten nach § 14 Abs. 2 MuSchG den Zuschuß nach Abs. 1 zu Lasten des Bundes von der für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes zuständigen Stelle.

Das Arbeitverhältnis der Klägerin ist nicht während ihrer Schwangerschaft oder während der Schutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden. Die Gewährung des Zuschusses nach § 14 Abs. 2 MuSchG ist im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG zu sehen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG kann das Arbeitsverhältnis einer Frau während der Schwangerschaft nicht gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder wenn sie ihm innerhalb zweier Wochen nach der Kündigung mitgeteilt wird. Kündigungen während der Schwangerschaft sind unter dieser Voraussetzung unwirksam; das Arbeitsverhältnis besteht fort, soweit es nicht auf andere Weise aufgelöst wird; der versicherten Frau steht der Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 RVO und auf den Zuschuß nach § 14 Abs. 1 MuSchG zu.

Indessen gilt der Kündigungsschutz nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht für Frauen, die von demselben Arbeitgeber im Familienhaushalt mit hausfraulichen, erzieherischen oder pflegerischen Arbeiten in einer ihre Arbeitskraft voll in Anspruch nehmenden Weise beschäftigt werden, nach Ablauf des 5. Monats der Schwangerschaft (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Halbs 1 MuSchG). Eine weitere Ausnahme vom Kündigungsschutz enthält § 9 Abs. 3 MuSchG. Soweit die schwangere Frau keinen Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG genießt, steht ihr vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer ausgesprochenen Kündigung an kein Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 14 Abs. 1 MuSchG zu. Dieser Anspruch setzt schon nach dem Grundsatz des § 1 Nr. 1 MuSchG ein Arbeitsverhältnis voraus, er besteht nur solange, wie das Arbeitsverhältnis fortbesteht (Gröninger/Thomas, MuSchG 1982, § 14 Anm. 3a). Für diese Frauen – und nur für sie – hat der Gesetzgeber deshalb eine Sondervorschrift schaffen müssen, wenn er auch ihnen einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld geben wollte, was offenbar angemessen erschien. Er hat deshalb in § 14 Abs. 2 MuSchG wie in § 200 Abs. 1 Satz 1 (3. Alternative) den Fall geregelt, daß das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber aufgelöst worden ist. Die Vorschriften stellen solche Frauen denjenigen Frauen gleich, die Kündigungsschutz genießen (vgl. BSGE 40, 211, 213 mit den Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des § 200 RVO). Für die Klägerin galt aber keine Ausnahme vom Kündigungsschutz.

Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 MuSchG greift im vorliegenden Fall (jedenfalls) deshalb nicht ein, weil das Arbeitsverhältnis durch den vor Beginn der Schwangerschaft abgeschlossenen Vertrag von vornherein bis zum 31. Dezember 1979 befristet war. Zur Anwendung des § 14 Abs. 2 MuschG ist Voraussetzung, daß die auf Auflösung gerichtete Maßnahme des Arbeitgebers während der Schwangerschaft getroffen wurde; denn anderenfalls würden auch Frauen in den Genuß des Zuschusses kommen, für die von vornherein – mangels einer Schwangerschaft im Zeitpunkt der auf Auflösung gerichteten Maßnahme – kein Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG in Betracht kommt (so BSGE 40, 211, 215 zu § 200 RVO mwN; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar § 200 Anm. 1.5 und zu § 14 Abs. 2 MuSchG; Zmarzlik/Zipperer, Mutterschutzgesetz, Kommentar 3. Aufl § 14 RdNr. 10; Bulla/Buchner, Mutterschutzgesetz, Kommentar 5. Aufl § 14 RdNr. 36 iVm § 13 RdNr. 42 und § 9 RdNr. 51; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz 1982, § 14 Anm. 5 iVm § 13 Anm. 11c bb) und cc)).

An dem Ergebnis ändert sich – wie das LSG zutreffend dargelegt hat – nichts dadurch, daß die Klägerin das Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingegangen ist. Die Beziehungen zwischen den im Rahmen einer solchen Maßnahme zugewiesenen Arbeitnehmern und den Maßnahmeträgern richten sich gemäß § 93 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nach den Vorschriften des Arbeitsrechts. Warum die Befristung dieses Arbeitsverhältnisses sich auf Ansprüche nach § 14 Abs. 2 MuSchG anders auswirken sollte als bei anderen Arbeitsverhältnissen, ist nicht ersichtlich. Zur Annahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses kann bei Gefahr des Eintritts einer Sperrzeit nach § 119 AFG der Arbeitnehmer gezwungen sein, auch wenn ihm die Stelle vom Arbeitgeber außerhalb einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angeboten wird. Wenn der Arbeitgeber ihm dann ein Arbeitsverhältnis für eine bestimmte Zeit anbietet, hat der Arbeitslose genausowenig wie im Fall der Klägerin einen Einfluß auf Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses. Die Auslegung des § 14 Abs. 2 MuSchG, nach der die Klägerin keinen Anspruch auf den Zuschuß hat, verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Insbesondere wird die Klägerin durch die Annahme der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht schlechter gestellt als wenn sie weiter arbeitslos geblieben wäre. Sie hat während der einjährigen Beschäftigung ein im Vergleich zum etwaigen Arbeitslosengeld und insbesondere zur Arbeitslosenhilfe höheres Arbeitsentgelt bezogen und für den Fall künftiger Arbeitslosigkeit eine Anwartschaft auf höhere und längere Geldleistungen nach dem AFG erworben.

Begründet ist die Revision in Höhe des Krankengeldes, denn der Klägerin steht der Anspruch auf das Mutterschaftsgeld nach § 200a RVO zu.

Der Revisionsantrag richtet sich entgegen seinem Wortlaut auch auf diese Leistung. Der Senat legt den Antrag der Klägerin dahin aus, daß sie die höchstmögliche mutterschaftsgeldliche Lohnersatz-Leistung anläßlich ihrer Entbindung begehrt.

Diese Betrachtungsweise entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum materiell-rechtlichen Leistungsantrag in verschiedenen Rechtsgebieten. In dieser Rechtsprechung hat das BSG eine möglichst weite Auslegung der Anträge vertreten. Der Senat hat entschieden, daß, wer zu einem bestimmten Sachverhalt einen Leistungsantrag an einen Versicherungsträger richtet, damit im Zweifel alle Ansprüche geltend machen will, die ihm aus diesem Sachverhalt gegen den Versicherungsträger zustehen (BSGE 36, 120, 121f; so auch BSG SozR 3900 § 40 VerwVG Nr. 12).

Nach § 200a Abs. 1 RVO erhalten „andere” Versicherte, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben, Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes nach § 182 RVO, wenn sie in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung mindestens 12 Wochen versichert waren oder in einem Arbeitsverhältnis standen. Die Bestimmung gilt nicht für Versicherte, die unter den gleichen Voraussetzungen nach § 200 RVO Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben, weil sie bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen oder deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist. Bei Beginn der Schutzfrist hat die Klägerin, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Die weiteren Voraussetzungen des § 200 RVO erfüllt die Klägerin ebenfalls. Sie hat in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung mindestens 12 Wochen in einem Arbeitsverhältnis gestanden.

Damit ist der Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO begründet.

Trotzdem muß die Klägerin nach dem Sinn der Vorschriften das höhere Mutterschaftsgeld nach § 200a RVO erhalten. Es wäre ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes, wenn die Frauen einzig und allein deshalb aus Anlaß ihrer Schwangerschaft eine insgesamt geringere Leistung erhalten würden, weil sie bei Beginn der Schutzfrist noch in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich für eine unterschiedliche Behandlung dieser Frauen gegenüber solchen, die schon vor Beginn der Schutzfrist aus dem Arbeitsverhältnis ohne zulässige Auflösung ausgeschieden waren. Die unterschiedliche Behandlung läßt sich aber bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften vermeiden. Danach sind „andere Versicherte”, nicht nur solche, die die Voraussetzungen des § 200 RVO nicht erfüllen, sondern auch Versicherte, die bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 200 RVO keinen Anspruch auf die Arbeitgeberleistungen nach § 14 MuSchG haben. Diese Auslegung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und einer Zusammenschau der Vorschriften der §§ 200 ff RVO und §§ 13 f MuSchG.

Nach § 195a Abs. 1 Nr. 3 RVO in der bis zum 31. Dezember 1966 geltenden Fassung erhielten Frauen nach bestimmten Versicherungszeiten als Wochenhilfe ein Wochengeld in Höhe von 50 vH des Grundlohnes, mindestens jedoch 50 DPf täglich für vier Wochen vor und sechs zusammenhängende Wochen unmittelbar nach der Niederkunft. Das Wochengeld betrug jedoch für die Zeit vor der Entbindung 3/4 des Grundlohnes, solange die Schwangere keine Beschäftigung gegen Entgelt ausübte. Nach § 13 Abs. 1 des MuSchG vom 24. Januar 1952 (BGBl I 69) erhielten pflichtversicherte Frauen während der Schutzfristen der §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 MuSchG von der zuständigen Krankenkasse Wochengeld in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten 13 Wochen. Diese Leistung wurde gemäß § 13 Abs. 7 MuSchG auch Frauen gewährt, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert waren, jedoch wegen ihrer Schwangerschaft unter Wegfall des Arbeitsentgelts beurlaubt und deshalb unter Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsverhältnisse aus der Versicherung ausgeschieden waren. Auf die Leistungen nach Abs. 1 war das nach den Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlende Wochengeld anzurechnen. Die Kosten, die den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Leistungen nach § 13 MuSchG erwuchsen, ersetzte ihnen der Bund, soweit sie die Kosten der nach der RVO zu gewährenden Leistungen überstiegen (§ 14 MuSchG vom 24. Januar 1952). Die Leistungen nach dem MuSchG entfielen demgemäß mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das Wochengeld wurde dann nicht in Höhe des Nettoverdienstes, sondern nach § 195a Abs. 1 Nr. 3 Halbs 2 RVO in Höhe von 3/4 des Grundlohnes gezahlt. Den nicht pflichtversicherten Frauen war während der Schutzfristen das regelmäßige Arbeitsentgelt vom Arbeitgeber weiterzugewähren (§ 12 Abs. 1 MuSchG vom 24. Januar 1952).

Diese Vorschriften haben deutlich die enge Verzahnung der Leistungen nach dem MuSchG mit denjenigen nach der RVO zum Ausdruck gebracht. Von vornherein ist es dem Gesetzgeber auch darum gegangen, die Finanzierung der Leistungen aus Anlaß der Mutterschaft zwischen Krankenkasse, Bund und Arbeitgeber angemessen aufzuteilen.

Durch das Gesetz zur Änderung des MuSchG und der RVO vom 24. August 1965 (BGBl I, 912) wurden die Leistungen aus Anlaß der Mutterschaft neu geregelt. Anstelle des Wochengeldes wurde der Begriff des Mutterschaftsgeldes eingeführt. Die hier einschlägigen Bestimmungen sollten aber erst mit Wirkung vom 1. Januar 1967 in Kraft treten (Art. 3 § 4 iVm Art. 5 Nr. 3 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 20. Dezember 1965 –BGBl I 2065).

Die Bestimmungen des § 200a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 RVO idF des Gesetzes vom 24. August 1965 entsprechen den Vorschriften des heutigen § 200 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 RVO. In Absatz 2 Satz 2 fehlte aber der Zusatz „… höchstens 25,– DM”. Der Bund erstattete den Kassen die nachgewiesenen Kosten für dieses Mutterschaftsgeld, soweit es den Betrag von 150,– DM für den Entbindungsfall überstieg, nach Maßgabe des § 200d RVO. Nach § 200a RVO idF des Gesetzes vom 24. August 1965 hätten Frauen in der Lage der Klägerin als Mutterschaftsgeld eine Geldleistung erhalten wie sie die Klägerin insgesamt begehrt, dh in Höhe der Summe des Mutterschaftsgeldes nach § 200 RVO nF und des Zuschusses nach § 14 Abs. 2 MuSchG.

Der Zusatz „… höchstens 25,– DM” wurde eingefügt durch das FinÄndG 1967 (BGBl I 1259), das im übrigen auch die noch heute geltenden §§ 200 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie § 200a Abs. 1 – Satz 1 ohne den Zusatz: oder in einem Arbeitsverhältnis standen – enthalten und in Kraft gesetzt hat. Gleichzeitig wurde in das MuSchG die Bestimmung des § 14 – damalige Bezeichnung § 13a – eingefügt (Art. 3 § 8 Buchst c des FinÄndG). Zweck der Neuregelung war eine Entlastung der Krankenkassen (Fischwasser BArbBl 1968, 82, 83; vgl. auch Nordhorn BArbBl 1968, 20, 22). Den Versicherten, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen oder deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist, zahlen die Krankenkassen seither nur höchstens die 25,– DM kalendertäglich. Diesen Betrag stockt der Arbeitgeber nach § 14 MuSchG auf, so daß die Schwangere insgesamt die im Gesetz vom 24. August 1965 vorgesehene Leistung erhält.

Benachteiligt blieben bei der Neuregelung durch das FinÄndG gerade diejenigen Frauen, deren Arbeitsverhältnis nach Beginn der Schutzfrist gemäß § 3 Abs. 2 MuschG endet ohne daß die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 MuSchG erfüllt sind. Diese Benachteiligung hat mit dem Zweck des FinÄndG nichts zu tun und ist als Versehen des Gesetzgebers anzusehen. Offensichtlich ist das nach dem Gesetz vom 24. August 1965 noch unerhebliche Zusammenspiel der Vorschriften der §§ 200 und 200a RVO nicht beachtet worden. Danach werden nämlich alle versicherten Frauen, die bei Beginn der Schutzfrist in einem Arbeitsverhältnis stehen, in die Regelung des § 200 einbezogen und von der Vorschrift des § 200a RVO deshalb nicht erfaßt. Das war nach dem Gesetz vom 24. August 1965 günstig und konnte keine Nachteile mit sich bringen. Erst durch die Begrenzung des Mutterschaftsgelds nach § 200 RVO auf höchstens 25,– DM kalendertäglich wurden ohne Zusammenhang mit dem Zweck der Entlastung der Krankenkassen Frauen in der Lage der Klägerin erheblich benachteiligt und für sie eine Lücke im Gesetz aufgerissen.

Die Klägerin erfüllt auch die sonstigen Voraussetzungen des § 200a RVO. Insbesondere hat sie bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld gehabt, denn sie war jedenfalls bei Beginn der Schutzfrist noch als Arbeitnehmerin pflichtversichert.

Aus allen diesen Gründen ist die Vorschrift des § 200a RVO anzuwenden. Der Klägerin steht somit ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes zu. Demnach war die Beklagte unter Abänderung der entgegenstehenden Entscheidungen zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI924020

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