Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Versicherten, deren Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist (RVO § 200 Abs 1 S 1), gehören nicht Frauen, denen der Arbeitgeber wirksam gekündigt hat, weil sie ihm weder vor der Kündigung noch innerhalb von 2 Wochen danach ihre Schwangerschaft mitgeteilt haben.

2. Hat der Arbeitgeber die – befristete – Kündigung einer Frau vor Eintritt einer Schwangerschaft ausgesprochen, so wird das Arbeitsverhältnis auch dann nicht „während der Schwangerschaft – aufgelöst” (RVO § 200 Abs 1 S 1), wenn die Kündigungsfrist während der Schwangerschaft abläuft.

 

Orientierungssatz

Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach RVO § 200:

Einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach RVO § 200 haben auch Frauen, deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist; sei es, daß sie sich nicht auf den Kündigungsschutz des MuSchG § 9 Abs 1 berufen können (wie zB bei einer Aussperrung) oder ein Kündigungsschutz nicht besteht (MuSchG § 9 Abs 1 S 2 und Abs 3).

 

Normenkette

RVO § 200 Abs. 1 S. 1 Fassung 1967-12-21; MuSchG § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 13, 9 Abs. 3, 1 S. 2

 

Tatbestand

I

Die Klägerin fordert von der beklagten Ersatzkasse Mutterschaftsgeld aus Anlaß ihrer am 14. September 1970 erfolgten Entbindung. Ihr Arbeitsverhältnis ist vom Arbeitgeber (Land Baden-Württemberg) mit einem der Klägerin am 18. Dezember 1969 zugegangenen Schreiben zum 31. März 1970 gekündigt worden, ohne daß der Arbeitgeber damals eine Schwangerschaft der Klägerin kannte oder davon innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung erfuhr. Der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem genannten Tag hat die Klägerin in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 3. März 1970 zugestimmt.

Die Beklagte hat ihr das einmalige Mutterschaftsgeld nach § 200b der Reichsversicherungsordnung (RVO) gezahlt, eine Leistung nach § 200 RVO (für 6 Wochen vor und für 8 Wochen nach der Entbindung) jedoch abgelehnt, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin schon vor Beginn der Schwangerschaft vom Arbeitgeber gekündigt worden sei (Bescheid vom 6. November und Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1970).

Die Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) Erfolg (Urteil vom 27. August 1971), wurde aber vom Landessozialgericht (LSG) als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 9. November 1973). Auch nach Ansicht des LSG ist das Arbeitsverhältnis einer Versicherten nur dann im Sinne des § 200 Abs 1 Satz 1 RVO „während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden”, wenn die Kündigung – was hier fraglich sei – während der Schwangerschaft erfolgt sei. Selbst wenn aber diese Voraussetzung im Falle der Klägerin erfüllt wäre, stände ihr kein Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO zu, da diese Vorschrift nur anwendbar sei, wenn eine – dem Kündigungsverbot des § 9 Mutterschutzgesetz (MuSchG) unterliegende – Kündigung ausnahmsweise nach § 9 Abs 3 MuSchG für zulässig erklärt werde. Die Vorschrift finde dagegen keine Anwendung, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Kündigung schon deswegen zulässig sei, weil dem Arbeitgeber die Schwangerschaft weder bei der Kündigung bekannt gewesen noch innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden sei (§ 9 Abs 1 Satz 1 MuSchG).

Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt; sie wendet sich mit eingehenden Rechtsausführungen gegen die Auffassung des LSG und beantragt, dessen Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für richtig und beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägern, mit der sie ihren Anspruch auf Mutterschaftsgeld für 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung weiterverfolgt – die Beklagte hat ihr nur Mutterschaftsgeld als einmalige Leistung in Höhe von 150 DM gezahlt (§ 200b RVO) –, ist unbegründet. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, steht ihr die geforderte Leistung nicht zu, da die Voraussetzungen des § 200 Abs 1 RVO, der hier in Verbindung mit § 507a RVO allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, nicht erfüllt sind.

Nach § 200 Abs 1 RVO erhalten Mutterschaftsgeld „Versicherte, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 des Mutterschutzgesetzes in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit beschäftigt sind oder deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist”, sofern zwischen dem zehnten und dem vierten Monat vor der Entbindung für mindestens zwölf Wochen Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Klägerin war zwar bei Beginn der Schutzfrist, dh bei Eintritt des Versicherungsfalls für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld (vgl BSG SozR 2200 § 200a Nr 2 mit Nachweisen), krankenversichert und hatte vorher – während der genannten Rahmenfrist – zwölf Wochen (bis zum 31. März 1970) in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Sie erfüllte jedoch keine der übrigen – wahlweise geforderten – Voraussetzungen der genannten Bestimmung: Weder stand sie bei Beginn der Schutzfrist in einem Arbeitsverhältnis noch war sie in Heimarbeit beschäftigt noch war ihr Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden.

Mit den ersten beiden Erfordernissen (Arbeitsverhältnis oder Heimarbeit bei Beginn der Schutzfrist) knüpft § 200 Abs 1 Satz 1 RVO an § 1 MuSchG an, der – entsprechend der in der Überschrift des MuSchG zum Ausdruck gekommenen Zielsetzung, dem „Schutze der erwerbstätigen Mutter” zu dienen – den persönlichen Geltungsbereich des MuSchG auf Frauen beschränkt, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit beschäftigt sind. Liegen diese Voraussetzungen bei Beginn der Schutzfrist vor, so ist nach § 200 Abs 1 RVO (oder, falls die Frau nicht versichert ist, nach § 13 Abs 2 MuSchG) Mutterschaftsgeld zu zahlen. Dieses ersetzt dann das Arbeitsentgelt, das wegen und während der Beschäftigungsverbote in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung und bis zum Ablauf von acht Wochen danach (§§ 3 Abs 2, 6 Abs 1 MuSchG) ausfällt, und sichert damit den Unterhalt der (werdenden) Mutter für diese Zeiten.

Die in § 200 Abs 1 Satz 1 RVO an erster Stelle genannte Voraussetzung für den Bezug des Mutterschaftsgeldes, daß nämlich die Versicherten noch „bei Beginn der Schutzfrist … in einem Arbeitsverhältnis stehen”, können in der Regel auch Frauen erfüllen, deren Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber gekündigt wird. Haben sie ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber vor der Kündigung mitgeteilt – sie sollen dies tun, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist (§ 5 Abs 1 Satz 1 MuSchG) –, dann ist eine trotzdem erfolgte Kündigung unzulässig, dh rechtsunwirksam (§ 9 Abs 1 Satz 1 MuschG): Das Arbeitsverhältnis wird fortgesetzt und besteht, falls die Versicherte es nicht von sich aus beendet, auch noch bei Beginn der Schutzfrist und löst damit, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 200 Abs 1 RVO vorliegen, einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld aus. Das gleiche gilt, wenn dem Arbeitgeber, der einer Schwangeren in Unkenntnis ihres Zustandes gekündigt hat, das Bestehen einer Schwangerschaft innerhalb von 2 Wochen nach dem Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Die Kündigung wird dann rückwirkend unzulässig mit den genannten Rechtsfolgen. Auch in diesem Falle bedarf es mithin keiner besonderen Vorschrift, um der Versicherten den Anspruch auf das Mutterschaftsgeld zu erhalten.

Eine solche Sondervorschrift ist dagegen erforderlich, wenn und soweit ein Kündigungsschutz für schwangere Frauen ausnahmsweise nicht besteht, es aber angebracht erscheint, die betroffenen Frauen denjenigen gleichzustellen, die Kündigungsschutz genießen. Kein Kündigungsschutz besteht zunächst für Frauen, die von demselben Arbeitgeber im Familienhaushalt mit hauswirtschaftlichen, erzieherischen oder pflegerischen Arbeiten in einer ihrer Arbeitskraft voll in Anspruch nehmenden Weise beschäftigt werden, nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft; ihnen kann also der Arbeitgeber wirksam kündigen (§ 9 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz MuSchG). Eine weitere Ausnahme vom Kündigungsschutz enthält § 9 Abs 3 MuschG; danach kann die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle in besonderen Fällen ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Ausgeschlossen ist der Kündigungsschutz ferner dann, und zwar schon vom Begriff her, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in anderer Weise als durch eine Kündigung auflöst, insbesondere eine Aussperrung mit lösender Wirkung vornimmt (vgl aber die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Aussperrung im allgemeinen nur suspendierende Wirkung hat, AP Nr 43 zu Art 9 GG).

In allen diesen Fällen, zu denen möglicherweise noch andere hinzukommen, worüber hier aber nicht zu entscheiden ist (vgl Bulla, MuSchG, 3. Aufl, § 9 Anm 19ff), können sich die schwangeren Frauen gegenüber einer Auflösungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht auf den gesetzlichen Kündigungsschutz des § 9 MuSchG berufen und daher auch die Voraussetzung des § 200 Abs 1 Satz 1 RVO nicht erfüllen, daß sie nämlich bei Beginn der Schutzfrist in einem Arbeitsverhältnis oder in Heimarbeit stehen. Für sie – und nur für sie – hat der Gesetzgeber deshalb eine Sondervorschrift schaffen müssen, wenn er auch ihnen einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld geben wollte, was offenbar angemessen erschien. § 200 Abs 1 Satz 1 RVO schreibt demgemäß vor, daß auch solche Versicherte Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben, „deren Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist”. Die Vorschrift erfaßt somit nur Fälle, in denen die Versicherten die Voraussetzungen des § 200 Abs 1 Satz 1 RVO (Arbeitsverhältnis oder Heimarbeit bei Beginn der Schutzfrist) nicht erfüllen können, weil sie ausnahmsweise keinen Kündigungsschutz genießen.

Diese Interpretation des § 200 Abs 1 Satz 1 RVO, die sich nicht an dem – möglicherweise zu weit gefaßten, mindestens nicht eindeutigen – Wortlaut der Vorschrift, sondern an ihrem erkennbaren Zweck orientiert (zur einschränkenden Auslegung einer Norm iS einer „teleologischen Reduktion” vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl, S 369ff), wird durch ihre Entstehungsgeschichte bestätigt: Nach § 11 Abs 1 des MuSchG vom 24. Januar 1952 (BGBl I 69) erhielten Hausgehilfinnen und Tagesmädchen, deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung seitens des Arbeitgebers nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft aufgelöst wurde (§ 9 Abs 1 Satz 2, Halbsatz 1 MuschG), die Leistungen des § 13 MuSchG, dh Wochen- und Stillgeld (die sie sonst nicht erhalten hätten, weil sie mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr pflichtversichert waren, wie § 13 Abs 1 MuSchG forderte). Diese Sonderbestimmung in § 11 Abs 1 MuSchG aF wurde bei den parlamentarischen Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des MuschG und der RVO vom 24. August 1965 gestrichen, weil „die entsprechende Regelung … nunmehr in … Art 2 Nr 1 § 200a dieser Vorlage” enthalten sei (vgl den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit zu BT-Drucks IV/3652, S 6 zu Nr 13). Die entsprechende Regelung, durch die § 11 Abs 1 MuschG aF entbehrlich wurde, war die – aus der Vorlage unverändert in das geltende Recht (§ 200 Abs 1, Satz 1 RVO) übernommene – Bestimmung, nach der Mutterschaftsgeld auch Versicherte erhalten, „deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist”.

Das MuSchG 1952 schrieb ferner in § 9 Abs 2 vor, daß die zuständige Arbeitsschutzbehörde, wenn sie in besonderen Fällen ausnahmsweise die Kündigung einer Schwangeren für zulässig erklärte, „gleichzeitig bestimmen (konnte), daß der werdenden Mutter oder Wöchnerin die Leistungen nach § 13 zu gewähren sind”. Auch diese Vorschrift ist bei der Neuregelung des Mutterschutzes im Jahre 1965 mit Rücksicht auf die entsprechende Bestimmung in § 200 Abs 1 Satz 1 RVO für entbehrlich gehalten worden (vgl den schriftlichen Bericht des genannten Ausschusses aaO S 5f zu Nr 10).

§ 200 Abs 1 Satz 1 RVO, soweit er Versicherte betrifft, deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist, geht mithin zurück auf Vorschriften des alten Mutterschutzgesetzes, nach denen Mutterschaftsleistungen an Frauen zu gewähren waren, die ausnahmsweise keinen Kündigungsschutz hatten, denen daher vom Arbeitgeber „zulässig” gekündigt werden konnte. Daß die neue Vorschrift in § 200 Abs 1 Satz 1 RVO darüber hinaus auch Frauen erfassen sollte, die an sich Kündigungsschutz genießen, denen aber der Arbeitgeber deshalb wirksam gekündigt hat, weil sie ihm ihre Schwangerschaft weder vor der Kündigung noch innerhalb von 2 Wochen danach mitgeteilt haben, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Wenn insoweit eine Rechtsänderung beabsichtigt gewesen wäre, hätte Anlaß bestanden, darüber bei den parlamentarischen Beratungen des neuen Mutterschutzrechts zu sprechen, wie auch ausdrücklich begründet worden ist, warum § 200 Abs 1 Satz 1 RVO nicht mehr von einer Kündigung, sondern – allgemeiner – von einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber spricht, um nämlich auch Fälle einer Aussperrung zu erfassen (vgl den genannten Ausschuß-Bericht aaO S 8f zu §§ 200 und 200a).

Aus alledem folgt, daß § 200 Abs 1 Satz 1 RVO, soweit danach Mutterschaftsgeld auch Versicherte erhalten, deren Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist, nur für Frauen gilt, die sich nicht auf den Kündigungsschutz des § 9 Abs 1 MuSchG berufen können, weil er ihnen gegenüber entweder schon begrifflich nicht Platz greift (wie zB bei Aussperrungen des Arbeitgebers mit lösender Wirkung) oder durch eine gesetzliche Sondervorschrift aufgehoben worden ist (so in den Fällen des § 9 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 MuschG). Die genannte Bestimmung gilt dagegen nicht für Frauen, die an sich Kündigungsschutz genießen, ihn jedoch im Einzelfall verloren haben, weil sie dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft weder vor der Kündigung noch innerhalb von 2 Wochen danach mitgeteilt haben (ebenso außer dem angefochtenen Urteil Gröninger/Thomas, MuschG § 13 Anm 11c, cc; Bulla, MuschG aaO, § 13 Anm Rand-Nr 49; Welzel-Zmarzlik, MuschG § 13 Rand-Nr 7ff). Die abweichende Ansicht (Töns, Mutterschaftshilfe und Mutterschutz, § 200 RVO Anm B I 3a 3 und die dort Genannten) beruft sich vor allem auf den Wortlaut des Gesetzes, der aber, wie ausgeführt, nach Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift einschränkend auszulegen ist.

Für die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits war der Kündigungsschutz des § 9 Abs 1 MuSchG weder begrifflich noch durch gesetzliche Sondervorschriften ausgeschlossen. Sie hat ihn vielmehr dadurch verloren, daß sie dem Arbeitgeber, der in Unkenntnis einer Schwangerschaft gekündigt hatte, ihren Zustand nicht innerhalb von 2 Wochen mitgeteilt hat (wobei nach herrschender Meinung eine vorsorgliche Mitteilung genügt hätte, wenn die Klägerin bei Zugang der Kündigung noch keine völlige Sicherheit über den Eintritt einer Schwangerschaft hatte, vgl Bulla, aaO § 9 MuSchG Rand-Nr 64f). Die fragliche Bestimmung in § 200 Abs 1 Satz 1 RVO ist somit im vorliegenden Fall nicht anwendbar, so daß der Klägerin kein Mutterschaftsgeld zusteht.

Sollte ihr im übrigen der Arbeitgeber bereits vor Eintritt der Schwangerschaft gekündigt haben – wie das LSG offen gelassen hat –, so hätte die Klägerin schon aus diesem Grunde keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Wenn § 200 Abs 1 Satz 1 RVO verlangt, daß das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber aufgelöst worden ist, so bedeutet dies, daß die auf Auflösung gerichtete Maßnahme des Arbeitgebers während der Schwangerschaft getroffen, eine Kündigung also nach Eintritt der Schwangerschaft ausgesprochen sein muß. Andernfalls würden auch Frauen in den Genuß des Mutterschaftsgeldes kommen, für die von vornherein – mangels einer Schwangerschaft im Zeitpunkt der Kündigung – kein Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG in Betracht kommt (sie könnten nicht einmal die Kündigung über eine nachträgliche Mitteilung der Schwangerschaft unwirksam machen, falls sie mehr als 2 Wochen nach der Kündigung schwanger würden). Eine solche Auslegung des Gesetzes wäre aber weder mit dem engen systematischen Zusammenhang zwischen dem Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG und der Gewährung von Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 RVO noch mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift vereinbar: Den Begriff der Kündigung des Arbeitsverhältnisses hat der Gesetzgeber in § 200 Abs 1 Satz 1 RVO, wie ausgeführt, nur deswegen nicht mehr verwandt, um auch andere Auflösungsmaßnahmen als Kündigungen (zB Aussperrungen) zu erfassen; nicht beabsichtigt war dagegen bei § 200 Abs 1 Satz 1 RVO auch eine vor Beginn der Schwangerschaft erfolgte Kündigung genügen zu lassen, sofern diese nur während der Schwangerschaft zur „Auflösung” im Sinne einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt (wie hier, soweit ersichtlich, alle Kommentare zum MuSchG).

Da das angefochtene Urteil sich somit als richtig erweist, hat der Senat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

BSGE 40, 211-216 (LT1-2)

BSGE, 211

RegNr, 5648

BKK 1976, 124-126 (LT1-2)

Breith 1976, 175-179 (LT1-2)

Die Leistungen 1976, 151-155 (LT1,ST1)

SGb 1976, 227-231 (LT1-2)

SozR 2200 § 200, Nr 2

SozSich 1976, RsprNr 3039 (LT1-2)

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