Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 09.09.1996)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. September 1996 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die 1925 geborene Klägerin bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.167,01 DM (Stand 1993) und ist freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Diese zieht zur Beitragsbemessung seit April 1993 neben der Rente und Mieteinkünften der Klägerin auch die Einkünfte ihres nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ehemannes, nämlich eine Rente in Höhe von monatlich 2.132,63 DM (Stand 1993) und Mieteinkünfte, in der Weise heran, daß Bemessungsgrundlage die Hälfte der Summe der gemeinsamen Einkünfte ist. Seit Januar 1995 setzt die Beklagte die Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung in gleicher Weise fest. Die Klägerin hält diese Heranziehung von Einkünften ihres Ehemannes für rechtswidrig. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Beschluß macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 des SozialgerichtsgesetzesSGG –) geltend. Sie hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, „ob bei der Bemessung der Beiträge einer Rentnerin oder eines Rentners zur freiwilligen Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung auch die Einkünfte des nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ehegatten berücksichtigt werden dürfen.” Hierzu trägt sie vor: Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lasse bei der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung zwar eine Berücksichtigung der Einkünfte des Ehemannes zu. In den betreffenden Entscheidungen sei es aber nicht um die Beiträge freiwillig versicherter Rentner gegangen. Dieser Personenkreis sei bis zum 31. Dezember 1988 durch § 180 Abs 7 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beitragsmäßig insoweit begünstigt gewesen, als durch den Ausschluß der Anwendung des § 180 Abs 4 RVO die „sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt” bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden durften. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß auch bei freiwillig versicherten Rentnern nur aus dem Erwerbsleben stammende Einnahmen herangezogen werden dürften. Mit der Streichung des § 180 RVO durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) sei die genannte Privilegierung der freiwillig versicherten Rentner nicht beseitigt worden. Das ergebe sich einmal daraus, daß in § 238a des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) eine Rangfolge für die Beitragsbemessung aufgestellt worden sei. Darin seien ausschließlich Einkünfte enthalten, die dem Erwerbsleben nahestünden. Zwar seien in der Vorschrift auch „die sonstigen Einnahmen” aufgezählt. Diese seien aber nicht inhaltsgleich mit den nach § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V heranzuziehenden Einnahmen; sie umfaßten insbesondere nicht die Einkünfte des Ehegatten. Denn in § 238a SGB V werde auf die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit” des freiwillig versicherten Rentners abgestellt, während nach § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V die „gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit” maßgebend sei. Da letzteres umfassender sei, müsse auf ein Fortbestehen der Rentnerprivilegierung geschlossen werden. Auch habe der Große Senat des BSG entschieden, daß Unterhaltsleistungen zwischen Ehegatten keine Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs 4 RVO seien (BSGE 58, 184 = SozR 2200 § 180 Nr 27). Diese Entscheidung sowie die Urteile des 12. Senats vom 10. September 1987 (BSGE 62, 136 = SozR 2200 § 180 Nr 37) und vom 14. September 1989 (SozR 2200 § 180 Nr 49) hätten auch heute noch Bedeutung. Des weiteren folge aus § 22 der Satzung der Beklagten, daß die Einkünfte von Ehegatten nicht zur Beitragsbemessung freiwillig versicherter Rentner herangezogen werden dürften. Die in Abs 10 der Vorschrift vorgesehene Heranziehung des Ehegatteneinkommens gelte nur für den in Abs 8 Nr 11 genannten Personenkreis, nämlich nichterwerbstätige Mitglieder, deren Ehegatten nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, sofern die Hälfte der nachgewiesenen monatlichen Einnahmen beider Ehegatten (Abs 10) niedriger ist als die Hälfte der jeweiligen monatlichen Bemessungsgrenze. Dies ergebe sich aus dem Sinn des Abs 10 sowie daraus, daß in Abs 8 Nr 11 ausdrücklich auf Abs 10 verwiesen werde. Nichtversicherungspflichtige Rentner seien dagegen nach Abs 8 Nr 3 versichert, der eine Verweisung auf Abs 10 nicht enthalte und der daher eine Heranziehung des Ehegatteneinkommens nicht erlaube. Von dieser Auslegung sei auch die Beklagte ausgegangen, denn sie habe bei der Überprüfung der Beitragseinstufung dem Schreiben an die Klägerin nur einen Auszug aus § 22 Abs 8 Nrn 10 und 11 und Abs 10 der Satzung beigefügt. Für die Auslegung, daß auch weiterhin zwischen den freiwillig versicherten Rentnern und den übrigen nicht erwerbstätigen Mitgliedern hinsichtlich der Einnahmen des Ehegatten differenziert werden müsse, spreche auch der Umstand, daß bei einer Gleichstellung ein Verstoß gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG) vorliegen dürfte. Von einer Entscheidung des BSG hierzu könne erwartet werden, daß eine Beitragsgerechtigkeit unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art 3 GG sowie des Sozialstaatsprinzips gemäß Art 20 GG herbeigeführt wird.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und kann daher nicht zur Zulassung der Revision führen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur anzunehmen, wenn die geltend gemachte Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54). Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13 und 65) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (BSG SozR 1300 § 160 Nr 17), wenn sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17), wenn sie praktisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) oder wenn sich für die Antwort in anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, Köln 1990, RdNr 117; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, München 1991, IX. Kapitel, RdNr 66). Dieses trifft hier zu. Der Senat mißt der Rechtssache aufgrund der Ausführungen der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil er keine Zweifel daran hat, daß die Heranziehung des Ehegatteneinkommens zur Beitragsbemessung freiwillig krankenversicherter Rentner durch die Satzung der Krankenkasse gesetzlich zulässig ist und daß § 22 Abs 10 der Satzung der Beklagten eine solche Heranziehung für die Fälle vorschreibt, in denen – wie bei der Klägerin – die Einnahmen des Ehegatten höher liegen als die des Mitglieds. Entsprechendes gilt für die gesetzliche Pflegeversicherung.

Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 180 Abs 4 RVO bzw zu den entsprechenden Satzungsregelungen der Ersatzkassen ist bei der Beitragsbemessung freiwillig krankenversicherter Mitglieder, die keine eigenen Einnahmen haben, eine durch die Satzung bestimmte Heranziehung der Einnahmen des Ehegatten zulässig (vgl Beschluß des Großen Senats vom 24. Juni 1985 – BSGE 58, 183 = SozR 2200 § 180 Nr 27 mwN sowie BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 1; BSG SozR 3-5428 § 4 Nr 1; BSG, Die Beiträge 1996, 435). Nach diesen Entscheidungen sind Unterhaltsleistungen zwischen nicht getrennt lebenden Eheleuten zwar keine Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs 4 Satz 1 RVO; die Einnahmen des allein verdienenden Ehegatten bestimmen aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einkommenslosen freiwillig versicherten anderen Ehegatten und rechtfertigen daher entsprechende Satzungsregelungen (BSGE 58, 183, 201 = SozR 2200 § 180 Nr 27 S 110). Diese Rechtsprechung ist später dahingehend erweitert worden, daß durch Satzung Einnahmen des Ehegatten auch dann bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden dürfen, wenn das freiwillige Mitglied eigene Einnahmen hat, die niedriger als die Einnahmen seines Ehegatten liegen (BSG SozR 3-2200 § 180 Nr 3). In dem genannten Urteil sowie in weiteren Urteilen (BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 14; BSG SozR 3-2500 § 5 Nr 26) ist ferner entschieden, daß solche Satzungsregelungen auch mit dem am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen SGB V vereinbar sind.

Der Senat hat keine Zweifel daran, daß in Anwendung dieser Rechtsprechung von dem genannten Zeitpunkt an auch Renten des Ehegatten zur Beitragsbemessung mit herangezogen werden dürfen. Denn § 180 Abs 7 Satz 1 RVO, der iVm Abs 5 bei freiwillig versicherten, nicht beschäftigten Rentnern nur Rente, Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen als Bemessungsgrundlage zuließ, ist durch das GRG mit Wirkung vom 1. Januar 1989 außer Kraft getreten. Damit wirkt sich die genannte Rechtsprechung des BSG zur Heranziehung des Ehegatteneinkommens bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter auch auf freiwillig versicherte Rentner aus. Dagegen sind Entscheidungen des BSG, in denen von einer beitragsmäßigen Sonderbehandlung der freiwillig versicherten Rentner ausgegangen wird, insoweit für die Zeit nach 1988 nicht mehr von Bedeutung. Denn soweit Rentner freiwillige Mitglieder waren, entfiel mit dem Inkrafttreten des GRG die Beschränkung der beitragspflichtigen Einnahmearten nach dem früheren § 180 Abs 7 RVO; die beitragspflichtigen Einnahmen richten sich nunmehr nach der für alle freiwillig Versicherten geltenden Regelung des § 240 SGB V (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr 29 S 107). Aus dem mit Wirkung vom 1. Januar 1993 durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) in das SGB V eingefügten § 238a SGB V ist nichts anderes zu entnehmen. Diese Vorschrift legt nicht die Bemessungsgrundlagen für freiwillig versicherte Rentner fest, sondern schreibt lediglich die Reihenfolge vor, in der die verschiedenen Einnahmearten zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind. Nach den Gesetzesmaterialien werden mit ihr lediglich Zweifelsfragen geklärt, die in der Praxis hinsichtlich der Reihenfolge der zur Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Rentner heranzuziehenden Einnahmearten entstanden waren (vgl Begründung zu Art 1 Nr 119 des Entwurfs eines GSG, BT-Drucks 12/3608, S 115). Ferner läßt sich daraus, daß in § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V als Maßstab für den Satzungsgeber die „gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit”, in § 238a SGB V dagegen als nähere Beschreibung der „sonstigen Einnahmen” die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit” ohne das Wort „gesamte” aufgeführt werden, nicht schließen, bei freiwillig versicherten Rentnern dürften die Beiträge nicht nach der „gesamten” wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen werden. Da bei der Festlegung der Rangfolge die Einnahmen aus den verschiedenen Einnahmearten als Bemessungsgrundlagen bereits feststehen, bedurfte es bei der Beschreibung der „sonstigen Einnahmen” nicht des Zusatzes „gesamte”. Im übrigen ist durch die Zitierung des § 240 Abs 1 SGB V, die § 238a SGB V hinter der Beschreibung der „sonstigen Einnahmen” enthält, sichergestellt, daß keine Einschränkungen im Verhältnis zu § 240 Abs 1 SGB V gemeint sind.

Des weiteren hat der Senat keinen Zweifel daran, daß nach den auf § 240 Abs 1 SGB V beruhenden Satzungsvorschriften der Beklagten bei der Beitragsbemessung freiwillig versicherter Rentner eine Heranziehung des Ehegatteneinkommens zulässig ist, wenn dieses – wie hier – höher liegt als das des Mitglieds. Der insoweit eingeschränkt auszulegende § 22 Abs 10 der Satzung sieht eine solche Beitragsbemessung bei Einstufungen in die Beitragsklassen 831, 841 ff, mithin auf alle in § 22 Abs 8 der Satzung aufgeführten Versicherten einschließlich der nichtversicherungspflichtigen Rentner (Nr 3) vor. Nichts Gegenteiliges kann daraus entnommen werden, daß in Abs 8 Nr 11 des § 22 der Satzung ausdrücklich auf dessen Abs 10 Bezug genommen wird. Dabei handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, daß der von Abs 8 Nr 11 betroffene Personenkreis nach demselben Verfahren wie dem in Abs 10 beschriebenen ermittelt wird. Die genannten Satzungsvorschriften verstoßen auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen § 238a SGB V. Dessen Anwendung wird in § 22 Abs 1 Satz 4 der Satzung ausdrücklich vorgeschrieben. Die Beitragsbemessung nach der Reihenfolge des § 238a SGB V läßt sich auch ungehindert durch die Heranziehung des Ehegatteneinkommens durchführen, wenn – wie hier – die Einnahmen des Ehegatten höher liegen als die des Mitglieds.

Soweit die Klägerin aus der Übersendung bestimmter Unterlagen der Beklagten an sie schließt, diese habe ihre Rechtsauffassung zunächst geteilt, ist dies für die Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht von Belang.

Hinsichtlich der Sozialen Pflegeversicherung ist die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Nach § 57 Abs 4 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) ist bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung zur Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden. Eine entsprechende Satzungsregelung hat die Beklagte als Pflegekasse erlassen. So sieht § 19 Abs 1 Satz 1 der Pflegekassensatzung für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen dieser Versicherten und deren Einstufung in Beitragsklassen ua die entsprechende Anwendung des § 22 der Krankenkassensatzung vor. Damit gilt für die Pflegeversicherung hinsichtlich der Heranziehung des Ehegatteneinkommens zur Beitragsbemessung das gleiche wie in der Krankenversicherung.

Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) geltend macht, hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Denn für die Darlegung der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm ist es nicht nur erforderlich, diese Rechtsnorm und die durch sie verletzte Verfassungsnorm zu bezeichnen; darüber hinaus muß unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erläutert werden, aus welchen Gründen die betreffende Rechtsvorschrift verfassungswidrig ist (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 47; Kummer, aaO RdNr 146 mwN). Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.

Die Beschwerde konnte somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

DStR 1998, 1318

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