Leitsatz (amtlich)

a) Die Pfändung der künftigen Ansprüche aus einem Girovertrag bleibt – unbeschadet der Möglichkeit einer Konkursanfechtung – auch insoweit wirksam, als sie sich auf ein nach dem zwischenzeitlichen Erlaß eines Sequestrationsbeschlusses entstehendes Guthaben erstreckt.

b) Der Erfolg einer Konkursanfechtungsklage hängt nicht davon ab, daß – neben der Stellung eines den Anforderungen des § 37 KO entsprechenden Antrags und dem Vortrag eines ihn rechtfertigenden Sachverhalts – die Anfechtung als solche besonders „geltend gemacht” oder „erklärt” wird (Abweichung von BGHZ 109, 47, 54).

 

Normenkette

KO §§ 106, 15, 23, § 29 ff., § 30 Nr. 2, §§ 37, 41; ZPO § 253

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. März 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der P. GmbH (im folgenden: GmbH oder Gemeinschuldnerin). Diese unterhielt bei der Stadtsparkasse D. ein Girokonto. Das Finanzamt D. pfändete durch Verfügung vom 9. Mai 1994 wegen Steuerschulden einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 94.009,36 DM alle im einzelnen bezeichneten Ansprüche der GmbH aus dem Kontokorrentverhältnis einschließlich der Ansprüche auf Auszahlung künftiger Tagessalden; gleichzeitig ordnete es die Einziehung der gepfändeten Ansprüche an. Die Verfügung wurde der Stadtsparkasse am 11. Mai 1994 zugestellt. An diesem Tag wies das Konto kein Guthaben auf. Am 26. Mai 1994 erließ das Amtsgericht Duisburg vor Entscheidung über die Konkurseröffnung ein allgemeines Veräußerungsverbot gegen die spätere Gemeinschuldnerin unter gleichzeitiger Bestellung eines Sequesters. Am 17. Juni 1994 schrieb die Stadtsparkasse der GmbH drei Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt 10.606,46 DM gut. Am 18. August 1994 wurde das Konkursverfahren eröffnet. Die Stadtsparkasse weigerte sich unter Hinweis auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, das genannte Guthaben an den Kläger auszuzahlen.

Die auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Die Klage ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach § 262 Abs. 1 Satz 1 AO in Verbindung mit § 771 Abs. 1 ZPO zulässig. Auch die Revision zieht dies nicht in Zweifel.

II.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die im Girovertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und der Stadtsparkasse enthaltene Kontokorrentabrede sei mit Erlaß des Sequestrationsbeschlusses erloschen. Es hat offengelassen, ob dies auch zur Beendigung des Girovertrages selbst geführt und die Pfändung sich aus diesem Grunde nicht mehr auf den Tagessaldo vom 17. Juni 1994 habe erstrecken können. Die Pfändung sei, so hat das Berufungsgericht gemeint, jedenfalls deswegen ins Leere gegangen, weil das Pfändungspfandrecht erst eine „logische Sekunde” nach Entstehung des Anspruchs der Gemeinschuldnerin auf Auszahlung des Tagesguthabens habe wirksam werden können; zu diesem Zeitpunkt habe die Forderung gegen die Stadtsparkasse wegen des zwischenzeitlich erlassenen allgemeinen Veräußerungsverbots nicht mehr der Verfügungsbefugnis der Vollstreckungsschuldnerin unterlegen.

Gegen diese rechtliche Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Auf der Grundlage eines vom Vollstreckungsschuldner abgeschlossenen Kontokorrentvertrages kann nicht nur das bei Wirksamwerden der Pfändungsmaßnahme vorhandene Guthaben, sondern es können auch alle zukünftigen Aktivsalden gepfändet werden, sofern die Pfändungsanordnung mit der nötigen Bestimmtheit erkennen läßt, daß dies gewollt ist (BGHZ 80, 172, 181). Das war hier der Fall.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung begründete Pfandrecht nicht deswegen unwirksam, weil vor Entstehung des Guthabens vom 17. Juni 1994 gegen die GmbH auf der Grundlage des § 106 Abs. 1 KO ein allgemeines Veräußerungsverbot mit gleichzeitiger Sequestrierung erlassen worden war. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies zur Beendigung des Girovertrages führte; denn die Pfändung hätte sich unabhängig hiervon auf den Anspruch auf Herausgabe der trotzdem auf dem Konto gutgeschriebenen Überweisungsbeträge erstreckt (vgl. BGH, Beschl. v. 21. März 1995 – XI ZR 189/94, WM 1995, 745).

a) Das Veräußerungsverbot nach § 106 Abs. 1 Satz 3 KO löst nach überwiegender Meinung die Rechtsfolgen der §§ 135, 136 BGB aus. Verfügungen – auch solche im Wege der Zwangsvollstreckung –, die dagegen verstoßen, sind danach nicht insgesamt, sondern nur dem geschützten Personenkreis – hier den späteren Konkursgläubigern – gegenüber unwirksam (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 106 Rdnr. 4 m. w. N.; offengelassen in BGHZ 118, 374, 377 f.; Senatsurt. v. 19. September 1996 – IX ZR 277/95, ZIP 1996, 1909, 1910, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Das im Konkurseröffnungsverfahren erlassene Veräußerungsverbot unterscheidet sich bei dieser Beurteilung insoweit nicht von dem mit einer Pfändung nach § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Schuldner verbundenen Verfügungsverbot. Für das Rangverhältnis zwischen mehreren derartigen Maßnahmen ist – die Revision weist darauf zutreffend hin –, auch soweit sie sich auf zukünftige Rechte des Adressaten auswirken, die zeitliche Reihenfolge der Verfügungsverbote maßgebend (§§ 804 Abs. 3 ZPO, 1209 BGB; BGHZ 32, 367; 52, 99, 107; 93, 71, 76). Auf dieser rechtlichen Grundlage konnte das Pfändungspfandrecht des Beklagten durch den Erlaß des allgemeinen Veräußerungsverbots auch insoweit nicht beeinträchtigt werden, als es sich auf erst danach fällig werdende oder entstehende Forderungen der Gemeinschuldnerin aus dem Kontokorrentverhältnis bezog.

b) Nach anderer Ansicht handelt es sich bei dem allgemeinen Veräußerungsverbot nach § 106 Abs. 1 Satz 3 KO jedenfalls dann, wenn gleichzeitig ein Sequester bestellt wird, nicht nur um eine relative, sondern um eine absolute Verfügungsbeschränkung, deren Mißachtung die allgemeine Nichtigkeit der verbotenen Rechtshandlung zur Folge habe (grundlegend Gerhardt, Festschrift Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 111, 121 ff.; zum künftigen Recht vgl. §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 InsO). Dies würde, wenn es so wäre, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die nach Erlaß des Sequestrationsbeschlusses gegen den Schuldner getroffen werden, nicht nur insoweit, als es um die Verwertung des Schuldnervermögens geht (§ 772 ZPO), sondern insgesamt unzulässig machen.

Damit wäre aber die Frage, wie sich das Veräußerungsverbot auf ein bereits vor seinem Erlaß erworbenes Pfändungspfandrecht an künftigen Forderungen auswirkt, noch nicht beantwortet. Für rechtsgeschäftliche Verfügungen wird allerdings die Ansicht vertreten, für das Vorliegen der Verfügungsmacht sei nicht der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern derjenige entscheidend, in dem es wirksam werden solle (Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. § 18 II 3 c S. 323). Das müßte auch für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gelten und würde für die Pfändung einer zukünftigen Forderung bedeuten, daß der Gläubiger kein Pfandrecht erwirbt, wenn der Schuldner vor dem voll wirksamen Entstehen der Forderung seine Verfügungsmacht verliert.

Indessen trifft die Aussage, die Verfügungsmacht müsse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verfügung vorliegen, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Richtig ist nur, daß die Verfügungsbefugnis beim letzten Teilstück der Verfügung gegeben sein muß (Medicus JuS 1967, 385, 390 f.). Bei der Übereignung einer beweglichen Sache muß der Übereignende noch bei Übergabe verfügungsbefugt sein, weil diese neben der Einigung über den Eigentumsübergang zum Verfügungstatbestand gehört. Dagegen enthält die Abtretung einer zukünftigen Forderung bereits selbst alle Merkmale, aus denen der Übertragungstatbestand besteht; die Entstehung der abgetretenen Forderung gehört sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt ist. Deshalb wird die Rechtsstellung des Zessionars dadurch, daß der Zedent nach Abtretung, aber vor Entstehung der abgetretenen Forderung die Verfügungsmacht verliert, nicht berührt (Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd. IV § 49 I 2 b). Die Pfändung einer zukünftigen Forderung kann abgesehen davon, daß sie überhaupt erst dann zulässig ist, wenn bereits eine ausreichend bestimmte rechtliche Grundlage für den Anspruch besteht (BGHZ 53, 29, 32) – nicht anders beurteilt werden.

c) Der Zweck eines mit einer Sequestration verbundenen Veräußerungsverbots nach § 106 KO rechtfertigt es nicht, Vorausverfügungen aus der Zeit davor, die sich erst nach Anordnung jener Maßnahmen auswirken, entgegen jenen allgemeinen Grundsätzen als hinfällig anzusehen. Die Sequestration dient der Sicherung der künftigen Konkursmasse; sie soll verhindern, daß das den Gläubigern als Haftungsmasse dienende Vermögen durch weitere Rechtshandlungen des Schuldners – und seiner Gläubiger – geschmälert wird. In welchem Umfang es möglich ist, mit den Mitteln der Sequestration bereits für das Konkurseröffnungsverfahren die Wirkungen der §§ 6, 7 KO herbeizuführen (dazu Gerhardt ZIP 1982, 1, 4), ist hier nicht weiter zu erörtern. Dadurch allein, daß die Verfügungsbefugnis ganz oder teilweise dem Schuldner entzogen und auf einen Vermögensverwalter übertragen wird, werden jedenfalls bereits abgeschlossene Rechtshandlungen auch insoweit nicht wirkungslos, als es um Rechtsfolgen geht, die erst nach dem Verlust der Verfügungsbefugnis eintreten. Das gilt im Grundsatz auch für den eröffneten Konkurs. Daß dort solchen Vorausverfügungen gleichwohl die Wirkung versagt wird, ist eine Folge des im Konkursverfahren geltenden Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung aller nicht dinglich gesicherten Gläubiger, der unter anderem in § 15 KO seinen Niederschlag gefunden hat. An Gegenständen, die zur Konkursmasse (§ 1 Abs. 1 KO) gehören, können danach den Konkursgläubigern gegenüber wirksame Rechte nur noch durch Rechtshandlungen des Konkursverwalters erworben werden. Damit sind nicht nur Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, die dieser nach Konkurseröffnung in bezug auf die Masse vornimmt, wirkungslos; vielmehr werden auch Handlungen aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung hinfällig, soweit sie nicht dazu geführt haben, daß ein Vermögensgegenstand bereits im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ganz oder teilweise aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden ist.

Dem geltenden Recht läßt sich kein hinreichend deutlicher Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung in gleicher Weise wie für den eröffneten Konkurs bereits für das Sequestrationsverfahren gelten soll (im Grundsatz ebenso für das künftige Recht der Insolvenzordnung Gerhardt ZZP 109 [1996], 415, 418). Dieses grundlegende Gebot des Konkursverfahrens wird zwar durch Maßnahmen nach § 106 KO in weitem Umfang bereits in diesem Verfahrensstadium durchgesetzt, indem ein neutraler Vermögensverwalter anstelle des Schuldners handeln und damit für ein späteres Konkursverfahren die gleichmäßig unter die – persönlichen – Gläubiger zu verteilende Masse sichern kann (vgl. auch BGHZ 118, 151, 160 f.). Der Sequestrationsbeschluß als solcher greift aber nicht wie der Konkursbeschlag kraft Gesetzes in bestehende Rechtsverhältnisse ein; er ist deshalb anders als dieser auch nicht in der Lage, Vorausverfügungen und bereits durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Wirkung zu nehmen. § 15 KO knüpft ebenso wie die §§ 17 ff. (zu § 17 vgl. BGHZ 130, 38, 42) an die Eröffnung des Verfahrens an. Die Regelung in § 21 Abs. 2 KO, wonach Vorausverfügungen über Miet- oder Pachtzinsen nur für einen kurzen Zeitraum nach Konkurseröffnung wirksam sind, läßt erkennen, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, solche Verfügungen blieben grundsätzlich sogar vom Konkursbeschlag unberührt. Es würde einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn man annehmen wollte, Vorausverfügungen würden schon durch einen Sequestrationsbeschluß außer Kraft gesetzt.

Auch aus Text und Entstehungsgeschichte der am 1. Januar 1999 in Kraft tretenden Insolvenzordnung läßt sich nichts entnehmen, was ein anderes Verständnis des geltenden Rechts nahelegen würde. § 110 Abs. 1, 2 InsO übernimmt inhaltlich die Regelung des § 21 Abs. 2 KO. § 114 Abs. 1, 3 InsO enthält entsprechende Bestimmungen für Bezüge aus einem Dienstverhältnis, wobei der Zeitraum, für den Vorausverfügungen für unwirksam erklärt werden, für rechtsgeschäftliche Verfügungen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unterschiedlich bemessen wird. In der Gesetzesbegründung heißt es zu dieser Vorschrift (§ 132 des Regierungsentwurfs), ohne einen Verzicht auf eine „Einschränkung der Vorausverfügungen” über solche Bezüge könnte das gesetzgeberische Ziel (der Restschuldbefreiung) nicht erreicht werden (RWS-Dokumentation „Das neue Insolvenzrecht” S. 310). Hinsichtlich der Wirkungen der Verfügungsbeschränkungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO verweist § 24 Abs. 1 zwar auf § 81, der damit zugleich hiergegen verstoßende Rechtshandlungen des Schuldners für unwirksam erklärt; ein Verweis auf die dem § 15 KO entsprechende Bestimmung des § 91 InsO fehlt aber für das Eröffnungsverfahren.

Es muß deshalb für Vorausverfügungen und bereits durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen jedenfalls für den Geltungsbereich der Konkursordnung dabei bleiben, daß die Masse gegen damit verbundene Schmälerungen im Eröffnungsverfahren nur durch die Anfechtungsvorschriften geschützt ist. Soweit im Zusammenhang mit der Frage nach dem Fortbestehen einer Kontokorrentvereinbarung ein anderer Standpunkt vertreten wird (Gerhardt ZIP 1982, 1, 8; ders. ZZP 109 [1996], 415, 419 m. w. N.; Canaris ZIP 1986, 1225, 1226; anders jedoch Henckel, Verfahrensrecht am Ausgang des 20. Jahrhunderts [Festschrift für Gerhard Lüke], 1997, S. 237, 243), kann dem nicht zugestimmt werden.

d) § 88 InsO, der inhaltlich dem § 28 Abs. 1 VerglO entspricht, sieht eine „Rückschlagsperre” für die Zeit von einem Monat vor Stellung des Eröffnungsantrags vor. Diese Regelung beruht auf dem neuen Konzept der Zusammenfassung von Vergleichs- und Konkursverfahren zu einem einheitlichen Insolvenzverfahren und kann deshalb nicht schon jetzt angewendet werden (vgl. BGHZ 130, 38, 43 zu § 55 Abs. 2 InsO).

III.

Die Verurteilung des Beklagten läßt sich danach mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten. Die Sache ist jedoch nicht entscheidungsreif, weil die Klage nach dem in den Tatsacheninstanzen vorgetragenen Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Konkursanfechtung begründet sein kann.

1. Mit seinem Antrag möchte der Kläger erreichen, daß die Zwangsvollstreckung aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung für unzulässig erklärt wird. Diese Fassung des Klageantrags entspricht einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO. Der Senat hat entschieden, daß ein solcher Anspruch nicht aus § 37 KO hergeleitet werden kann (Senatsurt. v. 11. Januar 1990 – IX ZR 27/89, ZIP 1990, 246, 247 f.). Auf die daran geäußerte Kritik (K. Schmidt, JZ 1990, 619 ff.; Jaeger/Henckel a.a.O. § 37 Rdnr. 62) kommt es hier nicht an. Antrag und Begründung der Klage bringen in ihrem Zusammenhang zum Ausdruck, daß der Beklagte an der Verwirklichung seiner Rechte aus dem Pfandrecht zugunsten der Konkursmasse gehindert werden soll, weil die gepfändete Forderung erst nach der Beschlagnahme durch den Sequestrationsbeschluß entstanden sei. Dies läßt auch eine Deutung des Antrags in dem Sinne zu, daß der Beklagte auf die Rechte aus der Pfändung verzichten (vgl. BGH, Urt. v. 1. März 1982 VIII ZR 75/81, ZIP 1982, 464, 466) solle.

2. Nach § 30 Nr. 2 KO ist unter anderem eine nach dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens vorgenommene Rechtshandlung, die einem Konkursgläubiger Befriedigung gewährt, anfechtbar, wenn dieser sie nach Art oder Zeitpunkt nicht zu beanspruchen hatte und nicht beweist, daß ihm weder der Eröffnungsantrag oder eine Zahlungseinstellung noch eine Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners bekannt war. Für die Frage der Kenntnis ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der gläubigerbenachteiligende Rechtserfolg eintritt (Senatsurt. v. 24. Oktober 1996 a.a.O. S. 2082). Das war hier erst der Fall, als die drei am 17. Juni 1994 dem Konto gutgeschriebenen Geldbeträge bei der Stadtsparkasse eingingen. Ein genauer Zeitpunkt ist zwar insoweit nicht vorgetragen; der Zeitraum zwischen Eingang und Gutschrift kann aber nur von unwesentlicher Dauer gewesen sein. Am 26. Mai 1994 war bereits die Sequestration angeordnet worden. Damals muß der Konkursantrag gestellt gewesen sein, denn Maßnahmen nach § 106 KO setzen einen solchen Antrag voraus. Ein Pfandrecht, das sich der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung verschafft, stellt grundsätzlich eine ihm nicht zustehende und damit inkongruente Deckung dar. Ob der Anfechtungstatbestand nach § 30 Nr. 2 KO erfüllt ist, hängt damit nur noch davon ab, ob der Beklagte zu der Zeit, als das Geld bei der Stadtsparkasse einging, etwas von dem Konkursantrag oder der Zahlungseinstellung oder einer Begünstigungsabsicht der Schuldnerin wußte. Hinsichtlich des zuletzt genannten Umstands ist der Entlastungsbeweis nur geführt, wenn der Gläubiger im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der angefochtenen Rechtshandlung der Überzeugung war, das Vermögen des Gemeinschuldners reiche zur vollen Befriedigung aller Gläubiger aus oder der Gemeinschuldner werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten (BGHZ 128, 196, 202 f.). Zu diesen subjektiven Voraussetzungen hat der Kläger freilich ebenfalls nichts vorgetragen. Dazu war er aber auch nicht gehalten; denn nach § 30 Nr. 2 KO ist es Sache des Anfechtungsgegners darzulegen und zu beweisen, daß er keine Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hatte. Letzteres ist bisher nicht festgestellt.

3. Entgegen der Ansicht der Revision scheidet ein anfechtungsrechtlicher Anspruch nicht deswegen aus, weil der Kläger die Klage in den Tatsacheninstanzen nicht auf ein Anfechtungsrecht gestützt hat. Zwar hat der Beklagte in der Berufungsbegründung festgehalten, daß eine Konkursanfechtung nicht erfolgt sei, und der Kläger hat dem nicht widersprochen. Das läßt jedoch die Notwendigkeit, den Prozeßstoff auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, nicht entfallen.

Die konkursrechtliche Anfechtung verlangt keine Gestaltungserklärung; sie ist die gerichtliche Geltendmachung der Rechtsfolge des § 37 KO. Diese besteht darin, daß ein Gegenstand, der ohne die anfechtbare Handlung zur Konkursmasse gehören würde, zum Zweck der Verwertung durch den Konkursverwalter der Masse wieder zugeführt werden muß. Eine Klage, mit der dieser Anspruch durchgesetzt werden soll, ist begründet, wenn ein Sachverhalt vorgetragen und festgestellt wird, der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt. Erforderlich sind demnach ein bestimmter Klageantrag und der Vortrag des diesen Antrag rechtfertigenden Sachverhalts. Nicht nötig ist es dagegen, daß der Kläger den rechtlichen Gesichtspunkt bezeichnet, unter dem sein Sachvortrag den Klageantrag stützt. Die Subsumtion des vorgetragenen Sachverhalts unter die in Betracht kommenden gesetzlichen Tatbestände ist vielmehr Sache des Gerichts. Für die Konkursanfechtung gilt insoweit nichts Besonderes. Ist ein Anfechtungstatbestand erfüllt und ist danach das Klagebegehren begründet, dann ist der Klage stattzugeben; es ist dazu nicht erforderlich, daß der Kläger ausdrücklich – oder stillschweigend – die Anfechtung „erklärt” oder sich jedenfalls auf diese Rechtsgrundlage beruft (Gerhardt JZ 1990, 243 f.). In § 146 InsO kommt dies darin zum Ausdruck, daß dort von einem „Anfechtungsanspruch” gesprochen wird.

Eine besondere „Geltendmachung” des Anfechtungsrechts zu verlangen, ist nicht durch das Schutzbedürfnis des Anfechtungsgegners veranlaßt, dem – innerhalb der Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO – auf diese Weise deutlich gemacht werden müßte, gegen welchen Angriff er sich zu verteidigen hat (so noch BGH, Urt. v. 1. März 1982 a.a.O. S. 466; Jaeger/Henckel a.a.O. § 41 Rdnr. 22). Dies bewirkt bereits die Einhaltung der Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach „Gegenstand” und „Grund des erhobenen Anspruchs” nebst einem bestimmten Antrag – also Klagebegehren und der dafür maßgebliche Sachverhalt – angegeben werden müssen (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1980 – II ZR 194/79, ZIP 1981, 71; v. 30. September 1993 – IX ZR 211/92, WM 1993, 2129, 2132 f.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall nicht. Der Klageanspruch wird daraus hergeleitet, daß der Beklagte das Pfändungspfandrecht nicht „konkursfest” erworben habe, weil die gepfändete Forderung erst nach Erlaß des Sequestrationsbeschlusses endgültig entstanden sei. Damit steht auch ein Anfechtungsanspruch zur Beurteilung. Der Beklagte ist dadurch ausreichend geschützt; eines besonderen Hinweises auf die Anfechtungsbestimmungen bedarf es dazu nicht. Auch sonst braucht der Kläger dem Beklagten nicht deutlich zu machen, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte dieser sich einzustellen habe.

Der Kläger braucht das in der Klage enthaltene Anfechtungsbegehren auch nicht deswegen besonders zu kennzeichnen, weil im Fall der Aufhebung des Konkurses vor Beendigung des Rechtsstreits der Anfechtungsanspruch untergeht und die Gemeinschuldnerin den Klageanspruch – nach Aufnahme des Prozesses – nur noch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt weiterverfolgen könnte. Diese rechtliche Situation soll nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung dazu nötigen, in derartigen Fällen zwei verschiedene Streitgegenstände anzunehmen (Henckel, Festschrift Schwab, 1990, S. 213, 229 f.; Jaeger/Henckel a.a.O. § 41 Rdnr. 22). Darauf kann es indessen hier nicht ankommen. Ein Streitgegenstand wird beispielsweise auch dann „auseinandergerissen”, wenn ein einheitlicher Anspruch unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten begründet sein kann, die ihn in einen jeweils anderen Rechtsweg verweisen. Nach der Rechtsprechung hat in einem solchen Fall das angerufene Gericht insoweit sachlich zu entscheiden, als der Rechtsweg zu ihm gegeben ist, und im übrigen die Klage als unzulässig abzuweisen; der Anspruch kann dann in dem anderen Rechtsweg erneut geltend gemacht werden (Senatsurt. v. 5. Oktober 1989 – IX ZR 265/88, WM 1989, 1902, 1904; vgl. jetzt § 17 Abs. 2 GVG). Die Frage, ob es sich in solchen Fällen um zwei verschiedene Streitgegenstände handelt, ist für die Sachbehandlung von untergeordneter Bedeutung. In einem Fall wie dem vorliegenden können die Anforderungen, die an die Kennzeichnung des Anfechtungsanspruchs zu stellen sind, nicht deswegen strenger beurteilt werden, weil die Klage nach Beendigung des Konkurses nicht mehr auf das Anfechtungsrecht, sondern allenfalls noch auf die vermeintliche Unwirksamkeit des Pfändungspfandrechts gestützt werden kann.

Soweit in früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gefordert worden ist, die Konkursanfechtung müsse als solche über den Vortrag des dafür erheblichen Sachverhalts hinaus besonders „geltend gemacht” oder „erklärt” werden (BGHZ 89, 189, 197; 109, 47, 54; BGH, Urt. v. 1. März 1982 a.a.O. S. 466; v. 14. Oktober 1985 – II ZR 276/84, ZIP 1986, 456, 457; vgl. auch Urt. v. 19. Oktober 1983 – VIII ZR 156/82, WM 1983, 1313, 1315), wird daran nicht mehr festgehalten. Der II. Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, daß er dem zustimmt. Eine Anfrage beim VIII. Zivilsenat erübrigt sich, weil die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten über Konkursanfechtung auf den erkennenden Senat übergegangen ist.

4. Die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO ist gewahrt. Der Konkurs ist am 18. August 1994 eröffnet und die Klage ist dem Beklagten am 17. Mai 1995 zugestellt worden.

IV.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit der Beklagte im Hinblick darauf, daß der Gesichtspunkt der Konkursanfechtung in den Vorinstanzen nicht erörtert worden ist, Gelegenheit erhält, zu der Frage der Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen Stellung zu nehmen. Das Berufungsgericht wird dazu sodann die nötigen Feststellungen zu treffen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609809

BGHZ, 140

NJW 1997, 1857

JR 1998, 28

ZIP 1997, 737

MDR 1997, 557

ZZP 1998, 77

ZBB 1997, 182

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