Leitsatz (amtlich)

1. Auch Gerüstbauarbeiten können als Bauausführungen i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG eine Betriebstätte bilden.

2. Durch die Art der Bauausführungen bedingte Unterbrechungen von kürzerer Dauer berühren den Fortgang der Sechsmonatsfrist des § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG nicht.

 

Normenkette

StAnpG § 16 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Stadt A, der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), ein Zerlegungsanteil am Gewerbesteuermeßbetrag 1965 und 1966 der Firma X OHG, Stuckgeschäft und Gerüstbau in B, zusteht.

Die Firma X OHG (OHG) war in den Streitjahren im Zusammenhang mit einem Hochhausneubau im Stadtgebiet von A mit Gerüstbauarbeiten beschäftigt, und zwar:

1965 vom 4. Oktober bis 16. Dezember mit einer über zwei Wochen hinausgehenden Unterbrechung (15. Oktober bis 11. November) und im einzelnen an folgenden Kalendertagen: 4., 5., 7., 8., 12. und 15. Oktober, 11., 12., 15., 16. und 26. November, 10., 11., 13. und 16. Dezember;

1966 vom 14. Februar bis 23. Dezember mit zwei über zwei Wochen hinausgehenden Unterbrechungen (14. September bis 6. Oktober und 3. November bis 28. November) und im einzelnen an folgenden Kalendertagen: 14. bis 16., 18. bis 23. Februar; 3., 4., 5., 14., 17., 18., 19., 24. bis 26. März; 5., 13. bis 18., 21. bis 26., 28., 29. April; 2., 5., 12., 13., 23. bis 25., 27., 31. Mai; 1., 2., 7., 8., 13. bis 15., 22., 27., 30. Juni; 7., 14., 15., 19., 21., 28., 29. Juli; 1., 8., 10., 11., 12., 17., 23., 24. August; 5. bis 8., 13., 14. September; 6., 12., 18., 25., 26. Oktober; 3., 28. bis 30. November; 1., 2., 6., 7., 12., 13., 15., 19. bis 23. Dezember.

Der Beklagte und Anschlußrevisionskläger (FA) nahm zunächst aufgrund der Angaben der OHG eine Zerlegung der Gewerbesteuermeßbeträge 1965 und 1966 vor und teilte neben der Stadt B auch der Klägerin einen Zerlegungsanteil zu. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, bei den Gerüstbauarbeiten handle es sich nicht um Bauausführungen i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG. Es erließ aufgrund der Betriebsprüfung für die Streitjahre berichtigte Gewerbesteuermeßbetragsbescheide mit höheren Gewerbesteuermeßbeträgen und lehnte nunmehr eine Zerlegung ab.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der Stadt A hatte Erfolg. Das FG, das die Stadt B zum Verfahren beigeladen hatte, verpflichtete das FA, eine Zerlegung durchzuführen und der Klägerin einen Anteil an den Gewerbesteuermeßbeträgen der Streitjahre zuzuweisen. Dabei ging das FG davon aus, daß die OHG in den Streitjahren im Stadtgebiet der Klägerin Bauausführungen von mehr als sechsmonatiger Dauer durchgeführt und damit i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG dort eine Betriebstätte unterhalten habe. Der Begriff Bauausführungen sei weit zu fassen. Die OHG habe entsprechend dem Baufortschritt und damit entsprechend der Natur der Sache zwar nicht täglich, aber doch laufend an den Baustellen gearbeitet. Die Gerüstbauarbeiten hätten in einem derart notwendigen Zusammenhang mit der Errichtung von Hochbauten gestanden, daß sie als Bauausführungen zu beurteilen seien. Auch wenn hier bei den Gerüstbauarbeiten weniger Arbeitstage angefallen seien als etwa bei Rohbauarbeiten von gleicher Dauer, seien die Bauausführungen doch von einer sechs Monate übersteigenden Dauer gewesen. Damit seien die Voraussetzungen für eine Zerlegung nach §§ 28 ff. GewStG zugunsten der Klägerin gegeben.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Stadt B (Revisionsklägerin), der sich das FA angeschlossen hat. Es wird Verstoß gegen § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG gerügt und geltend gemacht, die von der OHG im Stadtgebiet der Klägerin geleisteten Arbeiten seien keine "Bauausführungen". Bei dem Gerüstbau handle es sich weder um Bauarbeiten noch um eine mit Bauarbeiten verbundene Tätigkeit, sondern lediglich um die Montage von Bauhilfsgerät. Es fehle an einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchführung von Bauarbeiten. - Darüber hinaus seien aber auch die zeitlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des FG habe die OHG im Jahre 1965 an 18 Tagen und im Jahre 1966 an 95 Tagen, insgesamt also an 113 Tagen in A gearbeitet. Das seien aber, obwohl durch Wochenenden unterbrochene Arbeitszeiten voll gerechnet worden seien, keine sechs Monate. Stelle man für die Zeit von Oktober 1965 bis Dezember 1966 die 113 Arbeitstage der OHG den 457 Kalendertagen gegenüber, so zeige sich, daß zwar die Dauer der Baustellen in A, nicht aber die Zahl der Tage, an denen tatsächlich gearbeitet worden sei, den Zeitraum von sechs Monaten überstiegen hätten. Da während des genannten Zeitraumes mehr nicht gearbeitet als gearbeitet worden sei, könne es sich auch nicht um übliche und daher außer Betracht bleibende Unterbrechungen handeln. Wollte man jede Unterbrechung bis zu zwei Wochen als unschädlich behandeln, so würde es genügen, wenn sechs Monate lang alle 14 Tage an einem Tag gearbeitet würde. Das entspreche nicht dem Sinn des § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG. Der Berechnung des Sechsmonatszeitraums sei daher nicht die Dauer der Baustelle, sondern die tatsächliche Arbeitsdauer unter Berücksichtigung üblicher kurzer Unterbrechungen (Feiertage, Wochenenden) zugrunde zu legen. - Vorsorglich werde mit der Revision noch gerügt, daß das FG die notwendige Beiladung der OHG zum Verfahren verabsäumt und damit gegen § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO verstoßen habe.

Die Revisionsklägerin und das FA als Anschlußrevisionskläger beantragen Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revisionen.

 

Entscheidungsgründe

Revision und Anschlußrevision sind nicht begründet.

1. Der Senat hat vorweg zu prüfen, ob das FG dadurch gegen Grundvoraussetzungen des Verfahrens verstoßen hat, daß es die OHG als nach § 384 Nr. 1 AO am Zerlegungsverfahren Beteiligte nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beigeladen hat (vgl. Urteil des Senats vom 10. Februar 1966 IV 258/63, BFHE 85, 464, BStBl III 1966, 423). Das ist jedoch zu verneinen. Der Senat hat zwar im Urteil vom 24. Juni 1971 IV R 219/68 (BFHE 102, 460, BStBl II 1971, 714) hinsichtlich der Beteiligten i. S. von § 384 AO grundsätzlich die Notwendigkeit der Beiladung bejaht. Wie der I. Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 10. Juli 1974 I R 54/72 (BFHE 113, 123, BStBl II 1975, 42) jedoch ausgeführt hat, gilt dies nur für solche Beteiligte, deren Belange durch das Klagebegehren berührt werden. Die Belange der OHG konnten aber durch den anhängigen Rechtsstreit nur berührt werden, wenn in den um die Zerlegung der Gewerbesteuermeßbeträge streitenden Gemeinden unterschiedliche Hebesätze gegolten hätten. Das ist jedoch, wie das FG festgestellt hat, nicht der Fall.

2. Die von der Klägerin begehrte Zerlegung war vom FA durchzuführen, wenn die OHG in den Streitjahren nicht nur, wie unstreitig, in B, sondern auch in A eine Betriebstätte unterhalten hat (§ 28 GewStG). In Betracht kommt hier nur eine Betriebstätte i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG, nach welcher Vorschrift "Bauausführungen" mit einer tatsächlichen oder voraussichtlichen Dauer von mehr als sechs Monaten als Betriebstätte gelten. Entgegen der Auffassung der Revisionsklägerin und des FA ist dieser Tatbestand sowohl in sachlicher Beziehung - Vorliegen von Bauausführungen - als auch hinsichtlich des zeitlichen Erfordernisses - Dauer von mehr als sechs Monaten - erfüllt.

a) Zurückgehend auf die Entscheidung des RFH vom 21. Januar 1942 VI B 21/41 (RStBl 1942, 66) werden unter Bauausführungen i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG Arbeiten aller Art verstanden, die zur Errichtung von Hoch- und Tiefbauten im weitesten Sinne ausgeführt werden (vgl. Beschluß des BFH vom 30. Oktober 1956 I B 71/56 U, BFHE 64, 22, BStBl III 1957, 8). Der Begriff "Bauausführungen" ist hiernach, wie stets betont wird (vgl. Müthling-Fock, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 2 Anm. 19; Spitaler, Steuer und Wirtschaft 1959 Spalte 1), weit auszulegen, um dem Zweck der Vorschrift gerecht zu werden, den Gemeinden, auf deren Gebiet Baustellen unterhalten werden, einen Ausgleich für die dadurch entstehenden Lasten zu verschaffen (BFH-Beschluß I B 71/56 U). Zu den Bauausführungen gehört deshalb nicht nur die eigentliche Errichtung des Bauwerks, sondern es gehören hierzu auch, wie der RFH im genannten Beschluß VI B 21/41 im Zusammenhang mit der Beurteilung von Montagearbeiten ausgeführt hat, andere an Ort und Stelle durchzuführende Arbeiten, die mit der Errichtung und Fertigstellung (oder auch dem Abbruch) von Bauwerken in notwendigem Zusammenhang stehen. Ein derartiger Zusammenhang kann bei den von der OHG durchgeführten Gerüstbauarbeiten nicht geleugnet werden. Ohne die Aufstellung und die dem Baufortschritt entsprechende Aufstockung der Baugerüste wäre die Durchführung der Baumaßnahmen nicht möglich gewesen. Dabei hat die OHG nicht etwa nur für den Bau (Gerüst-)Material beigesteuert, oder lediglich, wie die Revision meint, die Montage von Bauhilfsgerät durchgeführt, sondern sie hat, unter Beibehaltung der Verfügungsmacht über die Gerüstteile mit den fortlaufend anfallenden Gerüstbauarbeiten und mit der Überwachung über den Gerüstbau betraut, am Ort der Errichtung des Bauwerks eine ständige Baustelle unterhalten. Daß die Gerüstteile selbst nicht zu Teilen des Baukörpers werden, kann, wie das Beispiel von Schalungsarbeiten zeigt, den Gerüstbauarbeiten nicht den Charakter von bauausführenden Arbeiten nehmen.

b) Die somit als Bauausführungen i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG zu beurteilenden Gerüstbauarbeiten haben auch die Dauer von sechs Monaten überstiegen. Unstreitig kann sich dieser Zeitraum von sechs Monaten über mehrere Erhebungszeiträume erstrecken, so daß im Streitfall eine Zerlegung für das Streitjahr 1965 schon stattzufinden hat, wenn die im Oktober 1965 begonnenen Gerüstbauarbeiten insgesamt länger als sechs Monate gedauert haben. Erforderlich ist allerdings, daß es sich während dieser Zeit um eine grundsätzlich ununterbrochene, d. h. fortlaufende Tätigkeit gehandelt hat. Dabei liegt es in der Regel im Rahmen einer zutreffenden Auslegung, wenn die Verwaltung in Abschn. 24 Abs. 3 GewStR bei Unterbrechungen, z. B. wegen Materialmangels, Streik, ungünstiger Witterungsverhältnisse oder aus bautechnischen Gründen, eine Hemmung der Sechsmonatsfrist annimmt, dabei aber Unterbrechungen bis zu zwei Wochen unberücksichtigt läßt. Entscheidend kann jedoch letztlich nur das Gesamtbild des Einzelfalles sein (vgl. Beschluß des BFH vom 27. April 1954 I B 136/53 U, BFHE 58, 705, BStBl III 1954, 179; Spitaler, a. a. O.). Dieses Gesamtbild würde z. B. in dem von der Revisionsklägerin gebildeten theoretischen Fall, daß eine Firma über. einen Zeitraum von sechs Monaten in der Gemeinde alle 14 Tage nur einen Tag lang bauausführende Arbeiten tätigt, gegen die Annahme einer Betriebstätte i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG sprechen. Das besagt aber nichts für den Streitfall, sondern könnte allenfalls die Richtlinienregelung in Frage stellen, die jedoch offensichtlich nicht auf einen solchen Fall der kontinuierlichen, sondern auf ausnahmsweise eintretende Unterbrechungen abstellt. Ob von einer fortlaufenden Tätigkeit von mehr als sechs Monaten in dem von der Revisionsklägerin gebildeten Beispielsfall gesprochen werden könnte, wenn die Summe der einzelnen Arbeitstage (ca. 2 im Monat) die Zahl der Kalendertage von sechs Monaten übersteigt, erscheint zumindest zweifelhaft.

Umgekehrt bedeutet eine bauausführende Tätigkeit von mehr als sechs Monaten Dauer aber auch nicht, daß an der Baustelle ständig gearbeitet werden müßte. Die von der Revisionsklägerin aufgemachte Rechnung, mit der sie die Summe der tatsächlichen Arbeitstage der Summe der Kalendertage von sechs Monaten gegenüberstellt, ist für die Beurteilung des zeitlichen Erfordernisses des § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG auch insofern ungeeignet. Es würde sich bei dieser Methode sogleich die Frage aufdrängen, ob denn nicht ein Stundenvergleich anzustellen ist; in diesem Fall könnte der Revisionsklägerin entgegengehalten werden, ob denn jeweils eine Stunde tägliche Arbeitszeit über sechs Monate hinweg genüge, und ob das dann mehr für eine Betriebstätte i. S. von § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG spreche als etwa eine Arbeitszeit von zweimal acht Stunden in der Woche.

Im Streitfall hat das FG festgestellt, daß die OHG, von den längeren, in den Sechsmonatszeitraum nicht einzubeziehenden Unterbrechnungen abgesehen, von Oktober 1965 bis Dezember 1966 fortlaufend, nämlich an den festgestellten Tagen auf den Baustellen in A gearbeitet hat. Damit sind Bauausführungen von mehr als sechsmonatiger Dauer gegeben. Das Gesamtbild einer fortlaufenden Tätigkeit wird dadurch, daß immer wieder an einigen Zwischentagen nicht gearbeitet wurde, insbesondere deshalb nicht beeinträchtigt, weil es sich hier weitgehend auch um durch die Art der Bauausführungen bedingte und damit unschädliche Unterbrechungen handelt (vgl. auch Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Anm. 82, S. 223). Denn die Gerüstbauarbeiten konnten der Natur der Sache nach immer nur in bestimmten, durch den Baufortschritt bedingten Abständen durchgeführt werden. Solche, den Umständen nach zwangsläufige Unterbrechungen von kurzer Dauer berühren den Fortgang der Sechsmonatsfrist nicht und nehmen den Bauausführungen nicht den Charakter einer fortlaufenden Tätigkeit.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72640

BStBl II 1978, 140

BFHE 1978, 356

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge