Entscheidungsstichwort (Thema)

Abtretung von Erstattungsansprüchen zur Sicherung von Honorarforderungen

 

Leitsatz (NV)

Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften ist es nicht gestattet, sich zur Sicherung ihrer Honorarforderungen geschäftsmäßig von ihren Mandanten deren Steuererstattungsansprüche abtreten zu lassen.

 

Normenkette

AO 1977 § 46 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Steuerberatungsgesellschaft, ließ sich in zahlreichen Fällen von ihren Mandanten Steuererstattungsansprüche zur Sicherung ihres Beraterhonorars abtreten. In den streitbefangenen beiden Abtretungsfällen sind Teilbeträge von 75 DM bzw. 88 DM der Erstattungsansprüche aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 dieser Mandanten an die Klägerin abgetreten. Als Abtretungsgrund ist in den Abtretungsanzeigen genannt: ,,Sicherungsabtretung Honorar 1982"; die Lohnsteuer-Jahresausgleichsanträge enthalten den Hinweis: ,,Achtung: Honorar-Abtretung."

Der Beklagte und Revisionbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die beantragte Auszahlung der beiden abgetretenen Erstattungsbeträge an die Klägerin ab. Der Einspruch und die Klage der Klägerin blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Abtretungen seien unwirksam. Nach § 46 Abs. 4 (Satz 1) der Abgabenordnung (AO 1977) sei der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung nicht zulässig. Der Senat brauche nicht zu entscheiden, in welchen Fällen der geschäftsmäßige Erwerb und die geschäftsmäßige Einziehung von Ansprüchen, die lediglich zur Sicherung abgetreten würden, nach den Sätzen 2 und 3 dieser Vorschrift zulässig seien. Denn die streitbefangenen Erstattungsansprüche seien nicht lediglich zur Sicherheit, sondern zur sofortigen Einziehung der Forderungen durch die Klägerin auf deren eigene Rechnung abgetreten worden. Das ergebe sich insbesondere aus den Abtretungshinweisen in den Lohnsteuer-Jahresausgleichsanträgen, der Aufforderung an das FA, den abgetretenen Betrag auf das Konto der Klägerin zu überweisen, und aus der mangelnden Anforderung der Honorare bei den Mandanten. Die Klägerin habe beim Erwerb der Erstattungsansprüche und in bezug auf deren Einziehung auch geschäftsmäßig gehandelt. Dazu reiche die bei ihr bestehende Wiederholungsabsicht aus, die durch weitere Abtretungen zum Zwecke des Ausgleichs von Honorarforderungen (inzwischen über 50 Fälle) bestätigt werde.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das FG sei zu Unrecht von einer Abtretung erfüllungshalber und einem geschäftsmäßigen Handeln ihrerseits ausgegangen. Nur in den Fällen, in denen Anhaltspunkte bestünden, daß ihre Mandanten das geschuldete Honorar nicht zahlen würden, sei zur Sicherung ihrer Honorarforderung die Teilabtretung des steuerlichen Erstattungsanspruchs vereinbart worden. Die beantragte Direktauszahlung des Erstattungsbetrages an die Klägerin diene bei dieser und beim FA der Arbeitsvereinfachung und könne nicht als Indiz für eine verbotene Abtretung und Einziehung erfüllungshalber herangezogen werden. Ein geschäftsmäßiges Handeln liege nicht vor, weil die Abtretung lediglich Ausfluß ihrer freiberuflichen Beratungstätigkeit sei und mit ihr kein geschäftsmäßiger Selbstzweck mit eigenen Renditeerwartungen verbunden sei. In dem maßgeblichen Zeitraum habe sie sich bei ca. 3000 Lohnsteuerbearbeitungsfällen in 54 Fällen Erstattungsansprüche zur Sicherung ihres Honoraranspruchs abtreten lassen. Da demnach die Sicherungsabtretungen auf besondere Einzelfälle (1,8 % der Lohnsteuerberatungsfälle) beschränkt worden seien, könne nicht von einem unzulässigen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungsansprüchen ausgegangen werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung, des die Erstattung ablehnenden Bescheids und der Einspruchsentscheidung festzustellen, daß die Teilabtretung von Steuererstattungsansprüchen in Höhe von insgesamt 163 DM rechtswirksam sei, und das FA zu verpflichten, diesen Betrag an sie zu erstatten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 46 Abs. 4 AO 1977 ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung nicht zulässig (Satz 1). Dies gilt nicht für die Fälle der Sicherungsabtretung (Satz 2). Zum geschäftsmäßigen Erwerb und zur geschäftsmäßigen Einziehung der zur Sicherung abgetretenen Ansprüche sind nur Unternehmen befugt, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist (Satz 3). Die Klägerin handelte geschäftsmäßig, als sie sich die streitbefangenen Steuererstattungsansprüche von ihren Mandanten abtreten ließ. Da sie als Steuerberatungsgesellschaft zum geschäftsmäßigen Erwerb und zur geschäftsmäßigen Einziehung der zur Sicherung abgetretenen Ansprüche nicht befugt ist (§ 46 Abs. 4 Satz 3 AO 1977), sind die Abtretungen nichtig (vgl. § 46 Abs. 5 Halbsatz 2 AO 1977). Das FA hat es demnach zu Recht abgelehnt, die von den Mandanten abgetretenen Teilbeträge an die Klägerin zu erstatten.

Der Senat kann im Streitfall das Vorliegen von Sicherungsabtretungen - die das FG verneint hat - dahingestellt lassen. Er braucht insoweit auf die von der Revision gegen die Vorentscheidung erhobenen Einwendungen und die von ihm selbst aufgestellten Kriterien für die Abgrenzung der Sicherungsabtretung von der erfüllungshalber vorgenommenen Abtretung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Februar 1984, VII R 72/82, BFHE 140, 412, BStBl II 1984, 411, und VII R 102/83, BFHE 140, 415, BStBl II 1984, 413) nicht näher einzugehen. Denn die an die Klägerin bewirkte Abtretung der Steuererstattungsansprüche ist gemäß § 46 Abs. 4 Sätze 1 und 3 i.V.m. Abs. 5 AO 1977 auch dann nichtig, wenn man zu ihren Gunsten das Vorliegen einer Sicherungsabtretung unterstellt.

Nach dem Urteil des Senats vom 23. Oktober 1985 VII R 196/82 (BFHE 144, 526, BStBl II 1986, 124) sind die Regelungen der Sätze 1 bis 3 des § 46 Abs. 4 AO 1977 dahin auszulegen, daß der geschäftsmäßige Erwerb und die geschäftsmäßige Einziehung von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen auch in den Fällen der Sicherungsabtretung nur Bankunternehmen gestattet ist. Da die Vorschrift lediglich Bankunternehmen, die der Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen unterliegen (§§ 6, 32 des Kreditwesengesetzes), privilegiert, ist es nach der vorstehend genannten Entscheidung des Senats, auf die wegen der Begründung im einzelnen Bezug genommen wird, auch Steuerberatern untersagt, sich zur Sicherung ihrer Honorarforderungen Steuererstattungs- oder Vergütungsansprüche ihrer Mandanten abtreten zu lassen, soweit sie dabei geschäftsmäßig tätig werden.

Geschäftsmäßig i.S. des § 46 Abs. 4 AO 1977 handelt, wie der Senat unter Berufung auf das Schrifttum in dieser Entscheidung ausgeführt hat, wer die Tätigkeit (Erwerb) selbständig und mit der Absicht, sie zu wiederholen, ausübt. Die Auslegung der Vorinstanz zum Begriff der Geschäftsmäßigkeit steht somit im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Ein von der Haupttätigkeit getrennter selbständiger Zweck mit eigenständiger Renditeerwartung wird bei der geschäftsmäßigen Tätigkeit nicht vorausgesetzt.

Für eine Wiederholungsabsicht im Sinne dieser Auslegung spricht nach der Rechtsprechung des Senats, wenn für den Erwerb von Erstattungsansprüchen organisatorische Vorkehrungen getroffen werden (z. B. das Bereithalten vorformulierter Abtretungserklärungen); diese sind allerdings keine notwendigen Voraussetzungen für die Geschäftsmäßigkeit. Vereinzelte im Rahmen eines Handelsgeschäfts oder an einen steuerlichen Berater vorgenommene Abtretungen reichen für die Annahme der Geschäftsmäßigkeit nicht aus. Daraus folgt - wie der Senat in der genannten Entscheidung ausgeführt hat -, daß grundsätzlich auch Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften sich zur Sicherung ihrer Honorarforderungen Steuererstattungs- und Vergütungsansprüche ihrer Mandanten wirksam abtreten lassen können, soweit sie in dieser Weise nur gelegentlich anläßlich besonders begründeter Einzelfälle tätig werden.

Im Streitfall hat sich die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen und nach den Feststellungen des FG im Rahmen ihrer lohnsteuerlichen Beratungstätigkeit für ein Kalenderjahr in mehr als 50 Fällen Erstattungsansprüche ihrer Mandanten abtreten lassen. Diese nicht unerhebliche Zahl von Abtretungen zeigt, daß die Klägerin - wie sie mit der Revision selbst einräumt - die Sicherung risikobehafteter Honorarforderungen durch Abtretung von Steuererstattungsansprüchen zu einer feststehenden und nachhaltigen Einrichtung ihrer geschäftlichen Tätigkeit gemacht hat. Darauf deutet auch ihr gleichförmiges Verhalten hin: der Hinweis ,,Achtung: Honorar-Abtretung" in den Lohnsteuer-Jahresausgleichsanträgen, die Angabe des eigenen Kontos zum Zwecke der Erstattung und die Angabe ,,Sicherungsabtretung Honorar 1982" als Abtretungsgrund in den Abtretungsanzeigen. Diese Abtretungen stellen sich nicht mehr als gelegentliche, im Rahmen der Steuerberatungspraxis der Klägerin vereinzelt vorgenommene Abtretungen dar. Der Senat schließt sich vielmehr der Würdigung des FG an, daß die Klägerin bei dem Erwerb der ihr (sicherungshalber) abgetretenen Erstattungsansprüche mit Wiederholungsabsicht und damit geschäftsmäßig i.S. des § 46 Abs. 4 AO 1977 gehandelt hat. Für diese Beurteilung ist das Verhältnis der Zahl der Abtretungen zu den im Streitjahr insgesamt bearbeiteten Lohnsteuerberatungsfällen ohne Bedeutung (vgl. Senat in BFHE 144, 526, BStBl II 1986, 124). Denn eine Abtretung von Erstattungsansprüchen ist nur in den Fällen möglich, in denen solche bestehen; ferner besteht aus der Sicht des Steuerberaters hierfür nur dann ein Bedürfnis, wenn seine Honorarforderung nicht als gesichert erscheint.

Die Klägerin konnte demnach die ihr abgetretenen Erstattungsansprüche nicht wirksam erwerben (§ 46 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 Halbsatz 2 AO 1977). Das FG hat ihre auf die Auszahlung der abgetretenen Ansprüche gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415332

BFH/NV 1988, 9

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