Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Entschädigungen zur Abgeltung der durch Sperrmaßnahmen der Sowjetzonenregierung entstandenen Ernteverluste auf landwirtschaftlichen Anbauflächen, die im Sowjetsektor Berlins oder in der Sowjetzone liegen, bleiben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG 1951/1953 bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 2 S. 2, § 24/1/a, § 13

 

Tatbestand

Der Bf. betreibt in Berlin-West eine Landwirtschaft, einen Kohleneinzelhandel und einen Fuhrbetrieb. Er bewirtschaftete außerdem in den hier streitigen Jahren in der sowjetischen Besatzungszone gelegene Pachtländereien. Da diese Pachtländereien nach ihrer Bestellung durch Sperrmaßnahmen der Sowjetzonenregierung der Bewirtschaftung des Bf. entzogen worden waren, erhielt dieser auf Grund des Erlasses des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - I A 3 - 1472 - 1858/52 II ---------------------------- IV B 2 - 4691 ----------- vom 31. Januar 1953 zur Abgeltung des Ernteverlustes 1952 eine Entschädigung in Höhe von 3.347,80 DM, die von den Vorinstanzen dem landwirtschaftlichen Gewinn 1952/1953 hinzugerechnet worden ist.

Einspruch und Berufung des Bf. blieben insoweit ohne Erfolg. Der Bf. vertrat die Auffassung, daß diese Entschädigung lediglich gezahlt worden sei, um den Vermögensverlust, den er durch den Entzug des in der sowjetischen Besatzungszone gelegenen Landes erlitten habe, auszugleichen. Es handle sich daher um Einnahmen, die unter keine der sieben Einkunftsarten des EStG fielen. Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, daß die Entschädigung für entgangenen Gewinn gezahlt worden sei, müsse berücksichtigt werden, daß der entgangene Gewinn in der sowjetisch besetzten Zone erzielt worden sei und nach § 2 Abs. 2 EStG 1951/1953 in Berlin (West) nicht hätte versteuert zu werden brauchen. Zumindest aber hätten von der Entschädigung die Aufwendungen für die Bestellung der in der sowjetischen Besatzungszone befindlichen äcker abgesetzt werden müssen.

Das Verwaltungsgericht lehnte die vom Bf. vertretene Auffassung aus folgenden Erwägungen ab: Einmal ergebe sich aus dem oben erwähnten Erlaß des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 31. Januar 1953 eindeutig, daß die Entschädigung für den Verlust der Ernte gezahlt werden sollte. Es handle sich also nicht um den Ausgleich eines Vermögensverlustes, sondern um eine Entschädigung für entgangenen Gewinn im Sinne des § 24 EStG. Diese Entschädigung sei nach dem erwähnten Erlaß vom 31. Januar 1953 nur an Westberliner (oder westdeutsche) Landwirte gezahlt worden. Grundlage für die Zahlung seien daher der Betrieb des Bf. in Berlin (West) und der Verlust, den dieser Betrieb durch den Entzug der Ernte von den in der sowjetischen Besatzungszone liegenden Ackerflächen erlitten habe. Hieraus ergebe sich einwandfrei, daß der Bf. die Entschädigung im Rahmen seines Westberliner Betriebes erhalten habe, so daß sie zu dessen Einnahmen gerechnet werden müsse.

Die dem Bf. in der sowjetischen Besatzungszone erwachsenen Betriebsausgaben in Gestalt der Bestellungskosten könnten entgegen der Auffassung des Bf. nicht berücksichtigt werden, da Betriebsvermögen in der sowjetischen Besatzungszone gemäß § 2 Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu bleiben hätten.

Hiergegen richtet sich die Rb., mit der wie in den vorhergehenden Instanzen die Auffassung vertreten wird, daß die dem Bf. gezahlte Entschädigung nicht steuerpflichtig sei. Sie habe noch nicht einmal die vom Bf. im Fragebogen für die Entschädigungsleistungen mit 3.524 DM-West angegebenen Bestellungskosten gedeckt, so daß trotz anderweitiger Bezeichnung in dem Erlaß vom 31. Januar 1953 eine echte Vermögensentschädigung vorgelegen habe. Im übrigen handle es sich hier um eine Entschädigung für einkommensteuerfreie Einkünfte, die ebenso wie diese nicht zur Einkommensteuer herangezogen werden dürfe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Nach § 24 Ziff. 1 a EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG auch die Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Voraussetzung für die Steuerpflicht solcher Entschädigung ist jedoch, daß die Einnahmen, für deren Ausfall Ersatz geleistet wird, selbst unter eine der im § 2 Abs. 3 EStG genannten steuerpflichtigen Einkunftsarten fallen. Denn die Entschädigungen sind als Einkünfte der Einkunftsart anzusehen, für die sie einen Ersatz bilden (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 630/55 U vom 21. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 164, Slg. Bd. 64 S. 437). Das folgt daraus, daß durch die Bestimmung des § 24 EStG nicht etwa eine neue selbständige Einkunftsart geschaffen werden sollte; daher sind auf diese Entschädigungen auch alle steuerlichen Vorschriften, insbesondere die über die Steuerpflicht selbst, die für die einzelnen Einkunftsarten gelten, anzuwenden. Die hier streitige Entschädigung ist daher nur dann einkommensteuerpflichtig, wenn die Einkünfte, an deren Stelle sie getreten ist, selbst einkommensteuerpflichtig gewesen wären. Das ist aber gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG dann nicht der Fall, wenn es sich um Einkünfte handelt, die ohne das Dazwischentreten der Sperrmaßnahmen der Sowjetzonenregierung in zum Inland gehörenden Gebieten außerhalb des Geltungsgebietes des Grundgesetzes und von Berlin (West) bezogen worden wären. Das Verwaltungsgericht hat den hierauf zielenden Einwand des Bf. mit dem Hinweise abgelehnt, daß nach der bereits erwähnten Anordnung vom 31. Januar 1953 eine Entschädigung nur an Westberliner (oder westdeutsche) Landwirte gezahlt worden sei, daß also die Entschädigung dem Bf. im Rahmen seines Westberliner Betriebes zugeflossen und daher zu dessen Einnahmen zu rechnen sei. Diese Schlußfolgerung kann jedoch auf den Wortlaut des in Abschrift bei den Akten des Verwaltungsgerichts befindlichen Erlasses vom 31. Januar 1953 nicht gestützt werden. Dieser Erlaß betrifft: "Abgeltung von Verlusten aus der Ernte 1952, die westdeutschen Eigentümern von landwirtschaftlich genutzten Flächen entstanden sind, welche im sowjetischen Besatzungsgebiet liegen und infolge der Sperrmaßnahmen der Sowjetzonenregierung ab 27. Mai 1952 der Bewirtschaftung entzogen worden sind". Nach Abs. 1 des Erlasses können nur Westberliner Eigentümer von landwirtschaftlich genutzten, im Sowjetsektor oder im sowjetischen Besatzungsgebiet liegenden Flächen eine Entschädigung beanspruchen. Voraussetzung für die Zahlung einer Entschädigung ist also nicht, daß ein landwirtschaftlicher Betrieb in Berlin (West) vorhanden ist, sondern ausschließlich, daß Westberliner Eigentümer landwirtschaftlich genutzte Flächen im Sowjetsektor oder in der sowjetischen Besatzungszone bewirtschaftet haben. Ist aber davon auszugehen, daß die Entschädigung unabhängig von dem landwirtschaftlichen Betrieb des Bf. in Berlin (West) ausschließlich für die in der Sowjetzone gelegenen Pachtländereien gezahlt worden ist, so ist diese Entschädigung steuerlich ebenso zu behandeln wie die aus diesen Pachtländereien erzielten Einnahmen. Sie würde also gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu bleiben haben. Das würde auch dann zutreffen, wenn man, wie das Verwaltungsgericht, davon ausgeht, daß die im Sowjetsektor von Berlin gelegenen Pachtländereien mit dem in Berlin (West) unterhaltenen landwirtschaftlichen Betrieb eine Einheit bildeten, da es nach dem Gesetz nur auf den Ort des Bezugs der Einkünfte, nicht aber auf die Belegenheit des Betriebes ankommt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409922

BStBl III 1961, 100

BFHE 1961, 266

BFHE 72, 266

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