Entscheidungsstichwort (Thema)

Zukunftssicherungsfreibetrag und Lohnsteuerpauschalierung bei rückwirkendem Abschluß eines Direktversicherungsvertrages

 

Leitsatz (NV)

1. Auch wenn ein Arbeitgeber einen Direktversicherungsgruppenvertrag für seine Arbeitnehmer rückwirkend abschließt, wird der Zukunftssicherungsfreibetrag von 312 DM je Arbeitnehmer in dem Jahr gewährt, in dem der Arbeitgeber die entsprechenden Lebensversicherungsbeiträge an die Versicherungsgesellschaft zahlt. Dabei wird der Freibetrag im Kalenderjahr der Zahlung auch dann nur einmal gewährt, wenn Zukunftssicherungsfreibeträge in früheren Jahren nicht ausgeschöpft wurden.

2. Der Grenzbetrag des § 40 b Abs. 2 S. 1 EStG vervielfältigt sich in diesem Fall ebenfalls nicht (Anschluß an BFH-Urteil vom 18. Dezember 1987 VI R 204/83, BFHE 152, 135, BStBl II 1988).

 

Normenkette

EStG § 40b; LStDV § 2 Abs. 3 Nr. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Am 27. November 1979 schloß der Kläger und Revisionskläger (Kläger) für seine Arbeitnehmer rückwirkend zum 1. Januar 1978 einen Direktversicherungsgruppenvertrag ab. Die für die Jahre 1978 und 1979 zu leistenden Lebensversicherungsprämien in Höhe von . . . DM zahlte der Kläger am . . . 1980 an die Versicherungsgesellschaft. Der Versicherungsschutz trat nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen erst nach Eingang des Einlösungsbetrages ein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat demgemäß einen Lohnzufluß an die Arbeitnehmer im Jahre 1980 angenommen und die Versicherungsprämien im Jahre 1980 der Lohnsteuer unterworfen. Dies hatte zur Folge, daß der Zukunftssicherungsfreibetrag des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) in Höhe von 312 DM je Arbeitnehmer nur für das Jahr 1980 und nicht auch für das Jahr 1979 berückichtigt wurde und auch die Pauschalierung nach § 40 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ebenfalls nur für das Jahr 1980 erfolgte.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage mit folgender, in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 91 veröffentlichten Begründung ab: Allein der Abschluß der Direktversicherungen am 27. November 1979 könne noch nicht zu einer Pauschalierung nach § 40 b EStG führen. Selbst wenn der Kläger mit den Arbeitnehmern arbeitsvertraglich verbindliche Abmachungen auf Abschluß eines Gruppenversicherungsvertrages getroffen haben sollte, so habe sich allein daraus nur ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Abschluß des Direktversicherungsvertrages und auf Zahlung der Prämien ergeben. Die Entstehung eines solchen arbeitsrechtlichen Anspruch bewirke aber nicht, daß der Arbeitgeber bereits zu diesem Zeitpunkt eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit 10 v. H. der Versicherungsbeiträge vornehmen könne. Nach § 40 b Abs. 1 EStG könne eine Pauschalierung der Lohnsteuer von Beiträgen für eine Direktversicherung vorgenommen werden; eine Pauschalierung auf der Grundlage arbeitsrechtlicher Ansprüche sei nicht vorgesehen. Es komme für die Pauschalierung insbesondere nicht darauf an, in welchem Kalenderjahr der Arbeitnehmer den Arbeitslohn bezogen habe (§ 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG), sondern lediglich darauf, wann Beiträge durch den Arbeitgeber entrichtet worden seien.

Der Kläger beantragt mit seiner Revision, die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid dahingehend abzuändern, daß die Versicherungsprämien-Zahlungen für die Jahre 1978 und 1979 in der Gesamthöhe von . . . DM nicht im Jahre 1980, sondern bereits im Jahre 1979 unter Berücksichtigung der Zukunftssicherungsfreibeträge der Jahre 1978 und 1979 und nach Maßgabe des § 40 b EStG der Lohnsteuer zu unterwerfen seien; hilfsweise wird beantragt, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Zur Begründung trägt der Kläger im wesentlichen vor: Die Vorentscheidung verstoße als Überraschungsentscheidung gegen § 278 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (Verletzung des rechtlichen Gehörs). Im gesamten bisherigen Verfahren sei lediglich erörtert worden, ob den Arbeitnehmern der Arbeitslohn bereits im Jahre 1979 oder erst 1980 zugeflossen sei. In der Vorentscheidung hingegen habe das FG überraschend darauf abgestellt, daß es nicht auf den Zufluß bei den Arbeitnehmern, sondern vielmehr darauf ankomme, wann der Kläger die Beiträge an die Versicherungsgesellschaft gezahlt habe. Die Vorentscheidung sei auch sachlich unzutreffend. Bei den von einem Arbeitgeber regelmäßig für aufeinanderfolgende Zeiträume entrichteten Prämienzahlungen einer für die Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung handele es sich um laufenden Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils. Im Streitfall sei der Zufluß des geldwerten Vorteils spätestens zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Versicherungsprämien und damit noch im Jahre 1979 erfolgt. Die Arbeitnehmer hätten durch die dienstvertragliche Verpflichtung und den Abschluß des Versicherungsvertrages bereits einen latenten zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung erlangt, da er, der Kläger, nicht unverzüglich bei Fälligkeit der Versicherungsprämie für den vollen Versicherungsschutz durch die Prämienzahlung gesorgt habe. Aus lohnsteuerrechtlicher Sicht hätten die Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Wert des Versicherungsvertrages erlangt, wie dies bei einer Prämienzahlung bereits im Jahre 1979 eingetreten wäre. Damit handele es sich bei den im Jahre 1979 anteilig für das Jahr 1979 fällig werdenden Prämien um ,,laufenden Arbeitslohn", der gemäß § 38 a Abs. 1 Satz 2 EStG im Jahre 1979 zu versteuern sei. Diese Versteuerung könne nach § 40 b EStG erfolgen, denn die Vorschrift knüpfe nicht an die Zahlung der Versicherungsbeiträge an. Einziges objektives Kriterium für den Zeitpunkt der Anwendung des § 40 b Abs. 1 EStG sei der Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge und nicht der Zeitpunkt von deren Entrichtung. Daher müßten im Jahre 1979 der auf das Jahr 1978 entfallende Teil der Beiträge und der auf das Jahr 1979 entfallende Teil der Beiträge jeweils nach § 40 b EStG unter jeweiligem Ansatz der Zukunftssicherungsfreibeträge versteuert werden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Mit seinem Hauptanliegen hat der Kläger allerdings keinen Erfolg.

1. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV gehören gewisse Zukunftssicherungsleistungen, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer gewährt, nur insoweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr insgesamt 312 DM übersteigen. Der Zukunftssicherungsfreibetrag kann nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift im Kalenderjahr des Zuflusses der Zukunftssicherungsleistung nur einmal in Höhe von 312 DM zum Ansatz gebracht werden. Die Vorschrift bestimmt unter Anknüpfung an den Arbeitslohn des Kalenderjahres, daß die Zukunftssicherungsleistungen eines Kalenderjahres insoweit zum Arbeitslohn gehören, als sie insgesamt 312 DM übersteigen. Dies gilt nach Ansicht des Senats auch dann, wenn es sich um Zukunftssicherungsleistungen handelt, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer bereits in früheren Jahren zugesagt hatte, die er aber erst in einem späteren Jahr leistet. Im Jahr des Zuflusses können damit die in früheren Jahren noch nicht ausgeschöpften Zukunftssicherungsfreibeträge nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. schon Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. Oktober 1957 VI 1/54 U, BFHE 66, 8, BStBl III 1958, 4).

Im Streitfall sind die Zukunftssicherungsleistungen in Form der Beiträge zu der Direktversicherung erst im Jahre 1980 gezahlt worden und damit den Arbeitnehmern des Klägers erst in diesem Jahr als Lohn zugeflossen. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht bereits die Zusage der Prämienzahlungen als Zufluß von Arbeitslohn angesehen werden. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV ist der Zukunftssicherungsfreibetrag an entsprechende Ausgaben des Arbeitgebers geknüpft. Diese sind vom Kläger aber erst im Jahre 1980 getätigt worden.

Die Verfahrensrügen des Klägers sind nicht begründet. Die Vorentscheidung stellt keine Überraschungsentscheidung dar, so daß eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers nicht erkennbar ist.

2. Nach § 40 b Abs. 1 EStG kann ein Arbeitgeber die Lohnsteuer von Beiträgen u. a. für eine Direktversicherung mit einem Pauschsteuersatz von 10 v. H. der Beiträge erheben, soweit diese nicht steuerfrei sind. Diese Pauschalierungsmöglichkeit gilt nach § 40 b Abs. 2 Satz 1 EStG nicht, soweit die zu besteuernden Beiträge des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer 2 400 DM im Kalenderjahr übersteigen. Auch diese Vorschrift knüpft an Beiträge an, die der Arbeitgeber in einem bestimmten Kalenderjahr u. a. in eine Direktversicherung gezahlt hat. Der Grenzbetrag von 2 400 DM kann sich nicht deshalb erhöhen, weil der Arbeitgeber in einem Kalenderjahr auch Beiträge zu Direktversicherungen leistet, die in früheren Kalenderjahren fällig waren oder die der Arbeitgeber in früheren Kalenderjahren dem Arbeitnehmer zugesagt hatte. Eine Vervielfältigung des Grenzbetrages sieht das Gesetz in § 40 b Abs. 2 Satz 3 EStG lediglich dann vor, wenn der Arbeitgeber Beiträge zu einer Direktversicherung für den Arbeitnehmer aus Anlaß der Beendigung des Dienstverhältnisses erbracht hat. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend aber nicht. Der Senat tritt daher auch insoweit den zutreffenden Ausführungen des FG bei und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 18. Dezember 1987 VI R 204/83 (BFHE 152, 135, BStBl II 1988, 379).

3. Die Sache war dennoch unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird zu prüfen haben, ob die Beiträge zur Direktversicherung Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 3 EStG darstellen und ob die Lohnsteuer unter Anwendung des § 39 b Abs. 3 Satz 9 EStG 1975 ff. zu berechnen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415827

BFH/NV 1989, 23

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