Bei betriebsbedingten Kündigungen ist die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nach 4 Kriterien – Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung des Arbeitnehmers – zu treffen. Alle 4 Kriterien haben das gleiche Gewicht. Maßgeblich ist die objektive Sachlage.

Bei der Berücksichtigung von Unterhaltspflichten ist auf bestehende gesetzliche Pflichten abzustellen. Hierzu gehören nicht nur Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehegatten und den Kindern, sondern auch solche gegenüber pflegebedürftigen Eltern sowie eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz.

Tatsachen, die dem Arbeitgeber nicht bekannt sind, z. B. Unterhaltspflichten, die in den ELStAM nicht eingetragen sind, müssen ebenso erfragt werden wie eine etwaige Schwerbehinderung. Die Angaben in den ELStAM des Arbeitnehmers sind damit nicht geeignet, ein abschließendes und verbindliches Bild über die Unterhaltspflichten, die im Rahmen der Sozialauswahl maßgeblich sind, zu verschaffen.

Die Berechnung von Alter und Betriebszugehörigkeit erfordert es darüber hinaus, zur Erstellung der Auswahlliste einen festen Stichtag zugrunde zu legen. Dieser darf nicht willkürlich gewählt werden. In Betracht kommt beispielsweise der Tag der Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers.

Die Anknüpfung an das Lebensalter als Sozialauswahlkriterium ist nicht diskriminierend, da hierdurch pauschalierend die künftigen Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt erfasst werden.[1]

Im Rahmen der Sozialauswahl darf bei der Gewichtung des Kriteriums Lebensalter daher auch ein "rentennahes Alter" zulasten des Arbeitnehmers gewertet werden. Wenn spätestens innerhalb von 2 Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses entsprechend der jeweiligen rentenversicherungsrechtlichen Vorgaben die Regelaltersrente oder eine andere Rente wegen Alters – mit Ausnahme der Altersrente für schwerbehinderte Menschen – abschlagsfrei bezogen werden kann, besteht eine geringere Schutzbedürftigkeit.[2]

Weitere soziale Gesichtspunkte, wie etwa die Pflege von nahen Angehörigen, spielen seit der Gesetzesänderung zum 1.1.2004 keine Rolle mehr.

Sozialauswahl bei Betriebsübergang und Betriebsänderung

Arbeitnehmer, die einem Betriebsübergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber nach § 613a Abs. 6 BGB widersprochen haben, können sich bei einer nachfolgenden, vom Betriebsveräußerer erklärten Kündigung nicht auf Gründe für den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber berufen.[3]

Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die gesetzlich festgelegten Grunddaten hinaus vereinbarte Kriterien der Sozialauswahl sind unbeachtlich.[4] Arbeitgeber und Betriebsrat können aber durch eine Betriebsvereinbarung nach § 95 BetrVG (Auswahlrichtlinie) festlegen, wie die 4 im Gesetz genannten Grunddaten im Verhältnis zueinander zu bewerten sind. Das Ergebnis der Auswahlentscheidung kann für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung dann nach § 1 Abs. 4 KSchG nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

Wird bei einer Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG ein Interessenausgleich vereinbart, so können die zu entlassenden Arbeitnehmer namentlich im Interessenausgleich bezeichnet werden.[5] Die Namensliste kann sich auch über eine Auswahlrichtlinie hinwegsetzen, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie von denselben Betriebsparteien herrühren. Wie das BAG[6] entschieden hat, können die Betriebsparteien nämlich Vereinbarungen über eine Auswahlrichtlinie bei späterer oder schon bei zeitgleicher Gelegenheit ändern – etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste. Setzen sie sich in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, ist die Namensliste maßgeblich. Bei diesen Arbeitnehmern wird kraft Gesetzes vermutet, dass ihre Entlassung durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist. Die soziale Auswahl kann vom Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn nach Abschluss des Interessenausgleichs eine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten ist. Voraussetzung für einen wirksamen Interessenausgleich mit Namensliste ist die Wahrung der Schriftform nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Das Schriftformerfordernis erstreckt sich dabei auch auf die Namensliste. Dabei genügt es, wenn die Namenliste nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist und Interessenausgleich und Namensliste eine einheitliche Urkunde bilden. Dies liegt dann vor, wenn sowohl Interessenausgleich als auch die Namensliste unterschrieben und von Anfang an körperlich (z. B. mit Heftklammer) miteinander verbunden sind. Die Urkunde ist darüber hinaus auch einheitlich, wenn die Namensliste zwar getrennt vom Interessenausgleich erstellt worden ist, aber beide jeweils aufeinander verweisen und auch beide von den Betriebsparteien unterschrieben w...

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