Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine beitragsrechtliche Fortsetzung des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach gerichtlichem Vergleich über eine Freistellung von der Arbeitsleistung

 

Orientierungssatz

Haben sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs darauf geeinigt, den Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung mit fortbestehendem Anspruch auf Entgeltzahlung freizustellen, fehlen aber alle übrigen Elemente des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses wie das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers, die Eingliederung in den fremden Betrieb, die persönliche Abhängigkeit sowie die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers, so besteht keine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mehr, die ein beitragsrechtliches Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses notwendig machen könnte (vgl LSG Essen vom 27.2.1997 - L 16 Kr 54/96 und LSG München vom 12.4.2007 - L 4 KR 37/04).

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 3.9084,98 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage ob beim Beigeladenen zu 1) über den 30. Juni 2005 hinaus bis 30. November 2005 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, und die Klägerin daraus Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.

Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde durch den vor dem Arbeitsgericht N. am 16. Juni 2005 geschlossenen Vergleich durch eine ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung zum 30. November 2005 aufgelöst. In Ziff. 2 dieses Vergleichs vereinbarten die Parteien, dass die Klagepartei (der Beigeladene zu 1) "bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung und unter Anrechnung auf eventuell noch offen stehende Urlaubsansprüche und eventuell noch offen stehende Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt" wird. Der zunächst widerruflich geschlossene Vergleich wurde mit Ablauf des 30. Juni 2005 wirksam. Ab 1. Dezember 2005 war der Beigeladene zu 1) arbeitslos gemeldet.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 10. November 2005 die Klägerin auf die bis 30. November 2005 fälligen Beiträge nachzuweisen und zu entrichten und die Abmeldung auf den 30. November 2005 zu berichtigen.

Der Klägerbevollmächtigte teilte mit, dass das Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne als Grundlage für eine Beitragspflicht mit der Vereinbarung des Vergleichs am 16. Juni 2005 beendet war, da der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt war. Bezug genommen werde auf das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA vom Juli 2005. Da also ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis spätestens seit dem 16. Juni 2005 nicht mehr bestanden habe, bestünden auch keine Abführungspflichten der Klägerin. Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, dass - entsprechend dem Besprechungsergebnis - von einem fortbestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen sei wenn durch ein Arbeitsgerichtsurteil oder einen arbeitsgerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem letzten Arbeitstag festgelegt und dem Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung der tatsächlichen Arbeitsleistung das bisherige Arbeitsentgelt oder ein Teilarbeitsentgelt gezahlt werde. Deshalb habe die versicherungspflichtige Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) erst zum 30. November 2005 geendet.

Die Klägerin wies darauf hin, dass es sich gerade nicht um die Umwandlung einer fristlosen Kündigung handle, deren Behandlung wie von der Beklagten zitiert, erfolgen solle, sondern um eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung. Die im Vergleich geschlossene einvernehmliche Vereinbarung der Freistellung sei noch während der laufenden Kündigungsfrist und vor Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Aus diesem Grunde ende die versicherungspflichtige Beschäftigung am 16. Juni 2005.

Die Beklagte teilte am 23. November 2005 mit, dass sie an ihrer Auffassung festhalte. Den von Klägerbevollmächtigten geforderten rechtsbehelfsfähigen Bescheid erließ die Beklagte am 21. Februar 2006.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit dem bisherigen Vorbringen begründet und von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 zurückgewiesen. Sie ist der Auffassung das Beschäftigungsverhältnis des Herrn M. habe erst mit Ablauf des 30. November 2005 geendet, sodass bis zu diesem Zeitpunkt Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Nach § 7 SGB IV sei das Beschäftigungsverhältnis du...

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