Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Gewährung einer Wegstreckenentschädigung für die Wahrnehmung eines Meldetermins. Anforderung an die Abrechnung. Bestimmung des Berufungswerte bei einer objektiven Klagehäufung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit der Berufung erstinstanzlich verbundener Verfahren.

Zum Nachweis und Umfang des Aufwendungsersatzes anlässlich der Wahrnehmung von Meldeterminen.

 

Orientierungssatz

1. Eine Wegstreckenentschädigung für die Wahrnehmung eines Meldetermins durch einen Grundsicherungsempfänger kann nur dann gewährt werden, wenn die tatsächlich angefallenen Kosten abgerechnet und dabei auch nachgewiesen werden. Dabei kann eine pauschalierte Entschädigung mit einem festen Satz je Kilometer nur dann gewährt werden, wenn die Anfahrt tatsächlich mit einem Kraftfahrzeug erfolgte. Wird die Art des benutzten Verkehrsmittels dagegen nicht nachgewiesen, scheidet die Gewährung einer Entschädigung aus.

2. Wurden in einem sozialgerichtlichen Verfahren durch das Sozialgericht mehrere Klagen miteinander zu einem Verfahren verbunden, so ermittelt sich der Berufungswert aus der Addition der Werte für die geltend gemachten Ansprüche. Dabei kommt es für die Wertermittlung auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.03.2017; Aktenzeichen B 14 AS 97/16 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.07.2014 wird in Bezug auf das vormalige Verfahren S 13 AS 1105/13 (Ziffer III des Tatbestandes und Entscheidungsgründe) zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Reisekosten zu zwei Meldeterminen.

Seit Oktober 2006 bezieht die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Nachdem die Klägerin zwei Meldetermine am 13.09.2012 und 27.09.2012, zu denen sie der Beklagte unter Hinweis auf § 59 SGB II iVm § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geladen hatte, erschienen war, beantragte sie am 08.05.2013 die Erstattung der ihr anlässlich dieser Termine entstandenen Reisekosten. Sie habe ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt. Belege seien nicht mehr vorhanden. Die Reisekosten seien daher pauschaliert in Höhe von 0,20 € je Entfernungskilometer, d.h. in Höhe von jeweils 4,40 € (= 22 Kilometer x 0,20 €/km), zu erstatten. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2013 ab. Die geltend gemachten Kosten seien nur gegen Vorlage von Nachweisen zu erstatten. Trotz Aufforderung habe die Klägerin solche nicht vorgelegt. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe die Meldetermine unstreitig wahrgenommen. Bereits die Lebenserfahrung spreche dagegen, dass die Anreise ohne Kostenaufwand habe erfolgen können. Die Erstattungspflicht des Beklagten ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Antragsformulare mit anderen Personengruppen eine Pauschalabrechnung vorsehe. Die Vorlage von Nachweisen stelle insoweit einen unangemessenen Verwaltungsaufwand dar. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2013 zurück. Die Klägerin habe nach ihren Angaben ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt. Einen Nachweis dafür, dass ihr Kosten für die Wahrnehmung der Termine entstanden seien, könne sie aber nicht führen. Ein derartiger Kostenaufwand müsse auch nicht zwangsläufig entstanden sein, denn es erscheine denkbar, dass die Klägerin andere Möglichkeiten einer kostenfreien Anreise zu den Terminen genutzt habe. Eine pauschale Erstattung entsprechend einer Fahrt mit einem PKW komme nicht in Betracht, denn die Klägerin sei nicht mit einem privaten PKW angereist, dessen Nutzung einen Kostenaufwand verursacht hätte.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (S 13 AS 1105/13). Der Beklagte sei verpflichtet die Reisekosten zu erstatten, denn diese seien auf seine Veranlassung entstanden. Unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sei ihr eine Pauschale von 0,20 €/km zu erstatten, denn die Anreise zu dem Meldetermin habe ohne Zweifel einen Kostenaufwand verursacht, selbst wenn sie zu Fuß gegangen wäre. Gegebenenfalls sei der Kostenaufwand durch das Gericht zu schätzen. Das SG hat nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung das Verfahren S 13 AS 1105/13 mit weiteren sechs dort anhängigen Verfahren (S 13 AS 99/13, S 13 AS 252/13, S 13 AS 1106/13, S 13 AS 1107/13, S 13 AS 1123/13 und S 13 AS 642/14) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und, nachdem die Klägerin nicht erschienen war, auf Antrag des Beklagten, nach Lage der Akten zu entscheiden, die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 09.07.2014 abgewiesen (Ziffer III des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe). Grundsätzlich habe die Klägerin zwar Anspruch auf Erstattung von Reisekosten zu Meldeterminen iSd § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III auch wenn es sich um eine Ermessensleis...

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