Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorruhestandserstattung nach Ausscheiden aus dem tariflichen Geltungsbereich

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Scheidet ein Arbeitgeber infolge von Betriebsänderungen aus dem fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über den Vorruhestand im Baugewerbe vom 26.9.1984 idF vom 12.11.1986 und idF vom 27.10.1988 (TV Vorruhestand) und des Tarifvertrages über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe vom 12. Dezember 1984 idF vom 12.11.1986 und 12.12.1984 idF vom 27.10.1988 (TV Vorruhestandsverfahren) aus, so erlischt der Anspruch des Arbeitgebers gegen die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes auf Vorruhestandserstattung. Eine Ausnahme gilt nur im Fall der Betriebsaufgabe aus Altersgründen nach § 12 Abs 7 TV Vorruhestand idF vom 27. Oktober 1988.

2. Die von der ZVK erlassenen Vorbescheide und Erstattungsbescheide begründen keinen Anspruch auf Erstattung von Vorruhestandsleistungen. Die ZVK kann sich nach einer Änderung der Sachlage darauf berufen, daß tarifvertragliche Voraussetzungen der Vorruhestandserstattung weggefallen sind (Fortführung der im Urteil vom 11. Januar 1990 - 8 AZR 365/88 - AP Nr 4 zu § 1 TVG Vorruhestand vertretenen Auffassung und Aufgabe der abweichenden Meinung im Urteil vom 3. April 1990 - 3 AZR 273/88 - BAGE 64, 276 = AP Nr 5 zu § 1 TVG Vorruhestand).

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 01.10.1990; Aktenzeichen 16 Sa 586/90)

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.02.1990; Aktenzeichen 5 Ca 3042/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Vorruhestandserstattungen für Januar 1987 bis November 1988 zurückzuzahlen.

Der Kläger ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Nach § 1 seiner Satzung vom 28. Oktober 1957 in der Fassung vom 26. Juni 1986 und 25. Juni 1987 ist er als Gemeinsame Einrichtung von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes errichtet, die nach §§ 4, 5 der Satzung auch die alleinigen Mitglieder des Vereins, Versicherungsnehmer sowie Beitragsschuldner sind. Nach § 3 Abs. 2 der Satzung hat der Kläger u.a. den Zweck, den Arbeitnehmern in Betrieben des Baugewerbes Vorruhestandsleistungen sicherzustellen, deren Anspruch über ein Vorruhestandsgeld dem Grund und der Höhe nach festgestellt wurde. In § 11 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über den Vorruhestand im Baugewerbe (TV-Vorruhestand) vom 26. September 1984 in den Fassungen vom 12. November 1986 und vom 27. Oktober 1988 ist die Sicherung der Vorruhestandsleistungen gegen Insolvenz geregelt:

"§ 11

Insolvenzsicherung

(1) Unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VRG

gewährt die Kasse die Vorruhestandsleistungen

(§§ 5, 7) wie ein Arbeitgeber. ..."

Durch den Änderungstarifvertrag vom 27. Oktober 1988, in Kraft getreten am 15. November 1988, ist ergänzend festgelegt worden, in welchen Fällen einer stillen Liquidation (§ 11) und der Betriebsaufgabe (§ 12) der Kläger Vorruhestandsleistungen anstelle des Arbeitgebers zu erbringen hat.

Neben diesen an die versicherten Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen erstattet der Kläger den Arbeitgebern nach Maßgabe des § 10 TV Vorruhestand die von ihnen erbrachten Vorruhestandsleistungen (Vorruhestandserstattung):

"§ 10

Ausgleichsregelung

(1) Die als Gemeinsame Einrichtung der Tarifver-

tragsparteien bestehende Zusatzversorgungskasse

des Baugewerbes VVaG, Wiesbaden, erstattet dem

Arbeitgeber auf Antrag und Nachweis monatlich die

von ihm erbrachten Vorruhestandsleistungen

(§§ 5,7). Sie erstattet 90 v.H. der Vorruhe-

standsleistungen (§§ 5, 7), wenn der Vorruhestand

nach dem 31. Dezember 1985 beginnt.

(2) Der Arbeitgeber hat die dazu erforderlichen

Mittel durch Beiträge aufzubringen. ..."

Die Höhe der Beiträge und das Vorruhestandsverfahren sind in dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe (TV Vorruhestandsverfahren) vom 12. Dezember 1984 in der Fassung vom 12. November 1986, in Kraft getreten am 1. Januar 1987, und in der Fassung vom 27. Oktober 1988, in Kraft getreten am 15. November 1988, geregelt.

"§ 5

Anerkennungsantrag

Der Arbeitgeber hat den im Wartezeitennachweis

vorgesehenen Antrag auf Anerkennung der Erstat-

tungspflicht (Anerkennungsantrag) zu stellen ...

§ 6

Vorbescheid und Ablehnungsbescheid

(1) Die ZVK-Bau hat dem Arbeitgeber unverzüglich

mitzuteilen, daß der Erstattungsantrag dem Grunde

nach besteht (Vorbescheid), wenn die Wartezeiten-

voraussetzungen bis zum Ablauf des Tages vor dem

beantragten Beginn des Vorruhestandes erfüllt

sein können ...

§ 7

Erstattungsantrag

(1) Die ZVK-Bau übersendet dem Arbeitgeber mit

dem Vorbescheid das Formular "Erstattungsantrag".

...

§ 8

Erstattungsbescheid

(1) Die ZVK-Bau soll dem Arbeitgeber binnen zwei

Wochen nach Antragseingang mitteilen, in welcher

Höhe sie die Vorruhestandsleistungen erstattet

(Erstattungsbescheid).

..."

Die Beklagte unterhielt von 1974 bis Ende 1986 einen baugewerblichen Betrieb in S , ihre Firma lautete damals "B GmbH". Für das von dem Kläger durchgeführte Sozialkassenverfahren des Baugewerbes war von der Beklagten als betriebliche Tätigkeit "Rammarbeiten" gemeldet. Im Februar 1985 traten der Bauarbeiter H Kr und im März 1986 der Bauarbeitnehmer M M in den Vorruhestand. Die Beklagte hatte beim Kläger den Antrag auf Anerkennung der Erstattungspflicht für die Vorruhestandsleistungen dieser Arbeitnehmer gestellt. Der Kläger erteilte einen Vorbescheid mit dem Inhalt, daß ein Erstattungsanspruch dem Grunde nach besteht sowie einen Erstattungsbescheid über die Höhe der Erstattung der Vorruhestandsleistungen. Die Erstattungsbescheide enthalten den Hinweis, daß die Erstattungen nur erfolgen, "solange die tarifvertraglichen Voraussetzungen gegeben sind" und die Beklagte verpflichtet ist, alle Änderungen unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

Die Beklagte stellte mit Wirkung zum 1. Januar 1987 ihre baugewerbliche Tätigkeit vollständig ein, ohne dies dem Kläger mitzuteilen. Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 17. November 1987 wurden Firma und Gegenstand des Unternehmens geändert, sowie der Sitz der Gesellschaft von S nach K verlegt. Gegenstand der Beklagten ist nunmehr ausschließlich der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an Einzelhandelsunternehmen. Die Beklagte gab auf den monatlichen Sozialkassenbeitragsmeldungen an, daß sie für die beiden Vorruheständler die inzwischen dynamisierten Vorruhestandsleistungen weiterhin erbringe. Wegen des fehlenden Ausgleichs mit Beitragsforderungen des Klägers wurde für die Monate Januar 1987 bis einschließlich November 1988 an Vorruhestandserstattung der Beklagten auf deren Girokonto ein Betrag von 137.164,94 DM gutgeschrieben. Die Beklagte teilte am 27. Februar 1989 mit, daß sie ihre baugewerbliche Tätigkeit Anfang 1987 aufgegeben habe. Der Kläger forderte daraufhin die Rückzahlung der von ihm erbrachten Vorruhestandserstattungen für Januar 1987 bis November 1988.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ohne Rechtsgrund ab Januar 1987 die Vorruhestandserstattungen in Anspruch genommen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Vorruhestandserstattung sei, daß der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich der einschlägigen Tarifverträge erfaßt werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 137.164,94 DM

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe über Jahre hinweg Sozialkassenbeiträge zur Finanzierung der Vorruhestandsleistungen erbracht. Deshalb habe sie auch nach Einstellung ihres Baubetriebs die Vorruhestandserstattung beanspruchen können.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Klageziel. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Revision ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Vorruhestandserstattungsleistungen.

Die Beklagte hatte in der Zeit vom Januar 1987 bis November 1988 weder einen tariflichen Erstattungsanspruch nach § 10 Abs. 1 TV Vorruhestand oder einen Resterstattungsanspruch wegen Betriebsaufgabe nach § 12 Abs. 7 n.F. TV Vorruhestand noch einen Anspruch auf Versicherungsleistung gegen den Kläger.

1. Die Beklagte hat mit Beginn des Vorruhestands ihrer ehemaligen Mitarbeiter M und Kr den Anspruch erworben, ihre Vorruhestandsleistungen monatlich erstattet zu bekommen. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, mit dem Beginn des Vorruhestandes entstehe sowohl der Anspruch der Vorruheständler auf tarifliche Vorruhestandsleistungen gegen den Arbeitgeber wie auch der Anspruch des Arbeitgebers gegen den Kläger auf Vorruhestandserstattung als einheitlicher Anspruch, kann nicht gefolgt werden.

a) Weder das Vorruhestandsgeld noch der Anspruch auf Vorruhestandserstattung sind einheitliche Kapitalansprüche. Die Gleichsetzung mit dem Übergangsgeld nach § 62 Abs. 1 BAT ist verfehlt. Während das Übergangsgeld in den §§ 63, 64 BAT als einheitlicher Kapitalanspruch ausgestaltet ist (BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - BAGE 40, 355 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG), fehlen für das Vorruhestandsgeld entsprechende tarifliche Regelungen. Das folgt auch aus der jährlichen Dynamisierung (§ 6 TV Vorruhestand) und aus dem Katalog der Erlöschens- und Ruhenstatbestände (§ 8 TV Vorruhestand). Bei Beginn des Vorruhestandes ist ferner die Dauer und Höhe des für die Vorruhestandsleistungen aufzubringenden Gesamtkapitals noch nicht absehbar. Besonders deutlich wird der Unterschied zum tariflichen Übergangsgeld beim Tod des Arbeitnehmers bzw. Vorruheständlers. Während die restlichen Raten des Übergangsgeldes bei Tod des Arbeitnehmers an die Erben gezahlt werden müssen (§ 64 Abs. 3 BAT), erlischt bei Tod des Vorruhestandsempfängers der Anspruch auf Vorruhestandsgeld mit Ablauf des Todesmonats (§ 8 Abs. 5 Satz 2 TV Vorruhestand).

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wird der Kläger auch nicht durch das Antrags- und Anerkennungsverfahren nach §§ 5, 6, 7, 8 TV Vorruhestandsverfahren zur Erstattung der Vorruhestandsleistungen bis zum Ende des Vorruhestandes verpflichtet.

Der Kläger hatte die Erstattungspflicht für die Zeit ab Januar 1987 nicht für die Dauer des Vorruhestands der ehemaligen Arbeitnehmer der Beklagten anerkannt. Mit den Erstattungsbescheiden vom 12. Juli 1985 und 30. April 1986 bezüglich der Bauarbeitnehmer M und Kr ist nur die Höhe des bei Eintritt in den Vorruhestand zu erstattenden Vorruhestandsgeldes festgelegt, das später noch nach § 11 TV Vorruhestand dynamisiert wird. Der Erstattungsbescheid enthält ausdrücklich einen Vorbehalt hinsichtlich des Fortbestands der tarifvertraglichen Voraussetzungen. Rechtlich stellt er sich somit als ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Klägers dar (vgl. Koch, Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes Rz 214). Sinn und Zweck des in § 6 TV Vorruhestandsverfahren und § 8 TV Vorruhestandsverfahren geregelten Erstattungsbescheids ist es, dem Arbeitgeber eine Kalkulation über seine finanzielle Belastung zu ermöglichen, bevor der Vorruhestand beginnt. Dazu bedarf es keines konstitutiven Schuldanerkenntnisses. Es genügt, daß das Schuldverhältnis dem weiteren Streit der Beteiligten dadurch entzogen wird, daß der Kläger auf die möglichen Einwendungen, die ihm bis dahin bekannt geworden sind, verzichtet. Dies wird auch dem antragstellenden Arbeitgeber durch den Vorbehalt und den Hinweis auf die Mitteilungspflicht für später eintretende Änderungen verdeutlicht. Der erkennende Senat folgt insoweit der Auffassung des Achten Senats (vgl. BAG Urteil vom 11. Januar 1990 - 8 AZR 365/88 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Vorruhestand). Soweit der Dritte Senat (Urteil vom 3. April 1990 - 3 AZR 273/88 - BAGE 64, 276 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Vorruhestand) davon abweichend einen Schuldbestätigungsvertrag angenommen hat, mit dem alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur für die Zukunft ausgeschlossen werden, wird daran von dem für Fragen des Vorruhestandes allein zuständigen Senat nicht festgehalten.

2. Mit der Aufgabe des Baubetriebes Anfang 1987 erlosch der Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger.

a) Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 TV Vorruhestand hat die Ausgleichskasse dem Arbeitgeber für den vor dem 1. Januar 1986 in den Vorruhestand eingetretenen Arbeitnehmer die erbrachten Vorruhestandsleistungen im Sinne von §§ 5, 7 TV Vorruhestand zu erstatten. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 TV Vorruhestand hat die Ausgleichskasse 90 v.H. der Vorruhestandsleistungen zu erstatten, die der Arbeitgeber an den Vorruheständler erbracht hat, dessen Vorruhestand nach dem 31. Dezember 1985 begonnen hat. Voraussetzung für die Anwendung dieser tariflichen Rechtsnormen auf das Rechtsverhältnis der Parteien ist jedoch deren Geltung. Nach § 4 Abs. 1 TVG ist Voraussetzung für die Tarifgeltung, daß der Tarifgebundene auch weiterhin dem Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfällt. Die gleiche Voraussetzung gilt nach § 5 Abs. 4 TVG für die hier allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge. Durch die Verweisung in § 1 Abs. 2 TV Vorruhestand und § 1 Abs. 2 TV Vorruhestandsverfahren auf § 1 Abs. 2 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe ist der betriebliche Geltungsbereich auf Betriebe des Baugewerbes beschränkt. Der Baubetrieb der Beklagten in S ist Anfang 1987 aufgegeben worden. Der neue Betrieb in K ist kein Betrieb des Baugewerbes. Damit fehlt eine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 1 TV Vorruhestand für die Zeit ab Januar 1987.

b) § 10 Abs. 1 TV Vorruhestand wirkt auch nicht analog § 4 Abs. 5 TVG auf das Rechtsverhältnis des Klägers als Gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien und der Beklagten als Arbeitgeber nach.

Der Dritte Senat hat mit Urteil vom 5. Oktober 1993 (- 3 AZR 586/92 - EzA § 1 BetrAVG Zusatzversorgung Nr. 6) die Nachwirkung von Regelungen über gemeinsame Einrichtungen von Tarifvertragsparteien abgelehnt, wenn der Arbeitgeber durch Änderung des Betriebszweckes aus dem fachlichen Geltungsbereich herausfällt und keine Beiträge mehr an die Gemeinsame Einrichtung zu erbringen hat. Dem hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 14. Juni 1994 (- 9 AZR 89/93 - auch zur Veröffentlichung vorgesehen) angeschlossen.

Daran ist festzuhalten. In § 10 Abs. 2 TV Vorruhestand haben die Tarifvertragsparteien für ihren abweichend vom VRG geregelten tariflichen Vorruhestand erkennbar einen Zusammenhang zwischen Beitragsaufbringung und Erstattung festgelegt. Die Tarifvertragsparteien sprechen deshalb von einer "Ausgleichsregelung". Die erforderlichen Mittel dazu wurden in Höhe eines Prozentsatzes der Bruttolohnsumme aller Bauarbeitgeber erhoben (§ 17 TV Vorruhestandsverfahren in der Fassung vom 12. November 1986 = § 18 TV Vorruhestandsverfahren in der Fassung vom 27. Oktober 1988). Die Betriebe, die nicht mehr Baubetriebe sind, stehen außerhalb dieser Solidargemeinschaft. Sie brauchen keine Beiträge zu zahlen und erhalten keine Erstattungsleistungen. Dem entspricht auch die weitere Ausgestaltung der tariflichen Regelungen. Nach § 14 Abs. 5 TV Vorruhestandsverfahren in der Fassung vom 12. November 1986 ( = § 15 Abs. 5 in der Fassung vom 27. Oktober 1988) erfolgt die Vorruhestandserstattung durch Gutschrift auf dem Beitragskonto. Nur soweit sich für einen Monat zugunsten des Bauarbeitgebers ein Habensaldo ergibt, erfolgt eine Auszahlung. Nach § 15 b TV Vorruhestandsverfahren in der Fassung vom 12. November 1986 (= §16 b in der Fassung vom 27. Oktober 1988) besteht ein Zurückbehaltungsrecht der Ausgleichskasse, wenn der Arbeitgeber die Erfassung seines Betriebes durch die Tarifverträge des Baugewerbes bestreitet. Bei beiden tariflichen Vorschriften sind die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, daß Vorruhestandserstattungen nur erbracht werden, wenn auch gleichzeitig Beiträge erhoben werden.

c) Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht verkannt, daß die Erstattungspflicht nach § 10 Abs. 1 TV Vorruhestand nicht bei jeder Erbringung von Vorruhestandsleistungen sondern nur insoweit begründet wird, wie das vom Arbeitgeber geleistete Vorruhestandsgeld auf der Grundlage der tariflichen Vorschriften erbracht worden ist (vgl. BAG Urteil vom 3. April 1990 - 3 AZR 273/88 - BAGE 64, 276, 280 = AP, aaO, zu II 1 a der Gründe). Nach Ausscheiden der Beklagten aus dem tariflichen Geltungsbereich bestimmen sich die Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer gegen ihren früheren Bauarbeitgeber nicht mehr nach dem Tarifvertrag, sondern nach § 611, § 612 BGB (BAG Urteil vom 14. Juli 1994 - 9 AZR 89/93 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Zur Erstattung von Vorruhestandsleistungen, die auf der Grundlage vertraglicher Verpflichtungen erbracht werden, ist der Kläger nicht verpflichtet.

d) Es lag auch kein Fall der durch § 12 Abs. 7 TV Vorruhestandstarifvertrag vom 27. Oktober 1988 mit Wirkung zum 15. November 1988 eingeführten Resterstattungspflicht der Kasse bei Aufgabe des Baubetriebes durch den Arbeitgeber vor. Nach § 12 Abs. 7 Satz 2 in Verb. mit Abs. 2 n.F. TV Vorruhestand erstattet die Kasse ab Januar 1987 nach einer Betriebsaufgabe, die mit einem Ausscheiden aus dem tariflichen Geltungsbereich verbunden ist, die Vorruhestandsleistungen für die Vorruhestandsempfänger auch für die Zeit nach der Betriebsaufgabe. Vorausgesetzt wird u.a., daß der Arbeitgeber die Übernahme der Vorruhestandsleistungen beantragt (§ 12 Abs. 1), bei einer Einmann-GmbH der alleinige Gesellschafter - Geschäftsführer seit mindestens 12 Monaten vor dem Eintritt der Arbeitnehmer in den Vorruhestand Betriebsinhaber war (§ 12 Abs. 4) und bei der Aufgabe des Baubetriebes das 65. Lebensjahr vollendet hatte (§ 12 Abs. 2 a). Im Streitfall fehlt für die Erfüllung dieser Voraussetzungen jeglicher Anhaltspunkt.

Soweit das Landesarbeitsgericht aus dem Änderungstarifvertrag zum TV Vorruhestand vom 27. Oktober 1988 ableitet, daß nach Herausfallen aus dem betrieblichen Geltungsbereich infolge Aufgabe des Baubetriebes die Vorruhestandserstattung stets fortgesetzt werde, muß dem widersprochen werden. Zwar wird in § 12 Abs. 2 e des Änderungs-TV als weitere Voraussetzung für die Übernahme der Zahlungspflicht bei Betriebsaufgabe "eine Erstattungspflicht (§ 10 Abs. 1 Satz 2)" vorausgesetzt. Damit soll sichergestellt werden, daß nur dann die Vorruhestandslasten von der Ausgleichskasse übernommen werden, wenn ohne Betriebsaufgabe die Kasse 90 % der Vorruhestandsleistungen erstatten müßte.

3. Die Beklagte hatte gegen den Kläger auch keinen versicherungsrechtlichen Anspruch auf Vorruhestandserstattung für die Zeit ab Januar 1987; denn die Beklagte war nicht Versicherungsnehmer i.S. des § 1 Abs. 2 VVG. Nach § 5 der Satzung des Klägers, die gemäß § 4 Abs. 2 TVG auch für das Verhältnis der Parteien verbindlich ist, sind nämlich nur die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände des Baugewerbes, nicht jedoch der einzelne Arbeitgeber Versicherungsnehmer.

Im übrigen verkennt die Beklagte, daß nach der Satzung des Klägers nicht die Arbeitgeber, sondern die früheren Arbeitnehmer Versicherte sind. Deren Ansprüche sind durch die Versicherungsleistungen des Klägers nach Maßgabe des § 11 TV Vorruhestand gesichert.

II. Da die Beklagte keine konkreten Tatsachen für den von ihr behaupteten pauschalen Wegfall der Bereicherung dargelegt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie nach § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist.

III. Die Beklagte hat als vollständig Unterlegene gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dörner Böck Düwell

Fr. Holze Schwarz

 

Fundstellen

Haufe-Index 441824

BAGE 00, 00

BAGE, 155

BB 1996, 56

DB 1995, 1237-1238 (LT1-2)

EBE/BAG 1995, 46-48 (LT1-2)

NZA 1995, 1054

NZA 1995, 1054-1056 (LT1-2)

AP § 1 TVG Vorruhestand (LT1-2), Nr 22

EzA § 2 VRG Bauindustrie, Nr 14 (LT1-2)

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