Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Prozeßkosten an Gewerkschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Werden von einer Gewerkschaft im Rahmen des von ihr gewährten Rechtsschutzes die einem Mitglied entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten übernommen, so sind diese gewerkschaftlichen Unterstützungsleistungen nicht auf den Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber anzurechnen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 398; ZPO § 322

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 09.03.1979; Aktenzeichen 3 Sa 99/78)

ArbG Hamburg (Urteil vom 03.08.1978; Aktenzeichen 7 Ca 64/78)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. März 1979 – 3 Sa 99/78 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Erstattung von Anwalts- und Gerichtskosten, die sie im Rahmen der Gewährung von Rechtsschutz für ihre beiden Mitglieder und Arbeitnehmer der Beklagten, Heiko M… und Paul K…, bezahlt hat.

Der als Rangierleiter bei der Beklagten beschäftigte Heiko M… ist durch Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 2. August 1977 – 7 U 64/77 – aufgrund eines von ihm verursachten Rangierunfalls zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000,– DM an die Köchin Maria H… verurteilt worden. Während die Beklagte ihrem Arbeitnehmer 80 % der Schmerzensgeldsumme nach den Grundsätzen über die gefahrgeneigte Arbeit erstattete, verweigerte sie jegliche Übernahme der in dem Rechtsstreit in Höhe von 7.018,91 DM entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten. Mit Schreiben vom 28. Februar 1978 forderte die Klägerin ihr Mitglied zur Erstattung dieser Kosten auf, erklärte sich aber gleichzeitig bereit, die Abtretung der Freistellungsansprüche gegen die Beklagte an Zahlungs Statt zu akzeptieren. Eine dem Schreiben beigelegte Abtretungserklärung unterzeichnete Herr M… am 1. März 1978.

Von ihrem Mitglied Paul K…, der durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 28. Januar 1975 – 9 U 97/74 – zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.500,– DM an den bei einem Arbeitseinsatz von ihm verletzten Bundeswehrangehörigen K… verurteilt worden ist, ließ sich die Klägerin mit Erklärung vom 25. November 1977 dessen Freistellungsanspruch gegen die Beklagte an Zahlungs Statt abtreten. Die Beklagte hatte ihrem Arbeitnehmer K… zwar 2/3 der Schmerzensgeldsumme erstattet, ebenfalls aber jegliche Zahlung der in Höhe von 3.644,76 DM in dem Rechtsstreit entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten abgelehnt. Eine im Jahre 1976 von Herrn K… gegen die Beklagte angestrengte Klage auf Zahlung dieser Kosten ist durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 1976 – 9 Ca 217/76 – abgewiesen worden.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei verpflichtet, ihr 80 % der in dem Rechtsstreit ihres Mitglieds Heiko M… und 2/3 der in dem Rechtsstreit ihres Mitglieds Paul K… entstandenen und von ihr verauslagten Anwalts- und Gerichtskosten zu erstatten. Nach § 20 ihrer Satzung habe sie diese Kosten nur insoweit zu übernehmen, als Dritte nicht zur Kostentragung verpflichtet seien. Die Subsidiarität der Rechtsschutzgewährung folge auch daraus, daß der Rechtsschutz wie sonstige Unterstützungsleistungen nach ihrer Satzung lediglich eine freiwillige Leistung darstellte, auf die ein Rechtsanspruch nicht bestehe. Ihre satzungsmäßige Rechtsschutzgewährung könne daher auch nicht einer Rechtsschutzversicherung gleichgesetzt werden. Es widerspreche dem Zweck der zum Schutz des einzelnen Mitglieds gewährten Unterstützungsleistungen, mit Mitgliedsbeiträgen die Beklagte von Kosten zu entlasten, die diese aufgrund ihres Betriebsrisikos nach den Grundsätzen gefahrgeneigter Arbeit zu tragen habe. Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.615,13 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 8. März 1978 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.429,13 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 1. März 1978 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei zur Erstattung der von der Klägerin im Rahmen ihrer Rechtsschutzgewährung bezahlten Anwaltsund Gerichtskosten nicht verpflichtet, da ihren beiden Arbeitnehmern insoweit ein Vermögensschaden nicht entstanden sei; zumindest seien Freistellungsansprüche durch die Zahlungen der Klägerin erloschen. Es sei auch zweifelhaft, ob Freistellungsansprüche überhaupt an die Klägerin abgetreten werden könnten. Jedenfalls sei die Klägerin hinsichtlich der Bezahlung der Anwalts- und Gerichtskosten nicht lediglich in Vorlage getreten, sondern habe eine aus ihrer Satzung sich ergebende Verpflichtung erfüllt. Es sei nicht einzusehen, daß die Klägerin einerseits mit der Gewährung von Rechtsschutz Mitglieder werbe, andererseits diese Leistungen wirtschaftlich nicht selbst erbringen wolle. Hinsichtlich der geltend gemachten Anwalts- und Gerichtskosten des Arbeitnehmers Paul K… stehe der Klage zudem die Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 15. September 1976 entgegen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin könne zwar nicht aus eigenem Recht, aber aus abgetretenem Recht die eingeklagten Beträge beanspruchen, da die Freistellungsansprüche der Arbeitnehmer Heiko M… und Paul K… infolge der Abtretung sich in Erstattungsansprüche umgewandelt hätten. Die Freistellungsansprüche beider Arbeitnehmer gegen die Beklagte seien nicht durch die Unterstützungsleistungen der Klägerin entfallen, da andernfalls Gewerkschaftsmitglieder gegenüber anderen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft seien und keine Beiträge entrichteten, schlechter gestellt würden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Gewerkschaft, wie im Streitfall, von ihren Mitgliedern die Rückzahlung der Anwalts- und Gerichtskosten beanspruche und die Mitglieder nach der Gewerkschaftssatzung verpflichtet seien, die vorgelegten Kosten bei Dritten geltend zu machen. Dem Anspruch auf Zahlung der Anwalts- und Gerichtskosten hinsichtlich des Mitglieds Paul K… stehe auch nicht die Rechtskraft des Arbeitsgerichtsurteils vom 15. September 1976 entgegen, da die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits unterschiedlich seien und zum damaligen Zeitpunkt die Klägerin noch nicht die Erstattung der von ihr verauslagten Kosten von ihren Mitgliedern verlangt habe.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hat auf Befragen erklärt, gegen eine Freistellungsquote für Gerichtskosten in Höhe von 80 % für Heiko M… und 2/3 der Kosten für Paul K… – entsprechend der Freistellung von den diesbezüglichen Schadenersatzansprüchen – wolle sie im Prinzip nichts einwenden. Sie hat aber vorgetragen, die Gerichts- und Anwaltskosten wären nicht oder zumindest nicht in dieser Höhe entstanden, wenn sie von ihren Arbeitnehmern rechtzeitig von den drohenden Prozessen unterrichtet worden wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 5.615,13 DM, da im Zeitpunkt der Abtretung der Zedent M… keinen Freistellungsanspruch gegen die Beklagte mehr gehabt habe.

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, es könne offenbleiben, ob dem Arbeitnehmer M… jemals ein Anspruch auf Freistellung von den in dem Schadenersatzprozeß angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten gegen die Beklagte zugestanden habe. Jedenfalls habe im Zeitpunkt der Abtretung am 1. März 1978 ein Freistellungsanspruch nicht mehr bestanden. Dieser sei nur gegeben, wenn den Arbeitnehmer damals noch eine Haftung aus gefahrgeneigter Arbeit getroffen hätte. Eine Haftung habe aber nicht mehr bestanden, nachdem die Klägerin die Anwalts- und Gerichtskosten für ihr Mitglied M… aufgrund ihrer Satzung ohne Vorbehalt gezahlt und auch keinen Rückforderungsanspruch habe. Nach der Satzung der Klägerin stelle die Rechtsschutzgewährung nämlich nicht wie die anderen Unterstützungsleistungen lediglich eine freiwillige Leistung dar, sondern räume den Mitgliedern einen Rechtsanspruch ein. Aus der Satzung ergebe sich auch nichts dafür, die Kostentragung im Rahmen der Rechtsschutzgewährung habe nur vorläufigen Charakter. Ebensowenig könne die Klägerin die von ihr vorbehaltlos gezahlten Anwalts- und Gerichtskosten von ihrem Mitglied zurückfordern, da hierfür die in § 20 Ziff. 8 und 9 der Satzung geregelten Voraussetzungen im Streitfall nicht vorlägen.

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der an die Klägerin abgetretene Anspruch des Arbeitnehmers M… gegen die Beklagte auf Freistellung von den in dem Schadenersatzprozeß angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten nicht aufgrund der Bezahlung dieser Kosten durch die Klägerin erloschen. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß die von einer Gewerkschaft im Rahmen ihrer Rechtsschutzgewährung erbrachten Unterstützungsleistungen auf den Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nicht anrechenbar sind und daher auch nicht mit befreiender Wirkung zugunsten des Arbeitgebers zur Erfüllung des Freistellungsanspruchs führen. Rechtlich ohne Bedeutung ist insoweit, ob das Mitglied nach der Satzung der Rechtsschutz gewährenden Gewerkschaft auf diese Unterstützungsleistung einen Rechtsanspruch hat, oder ob es sich lediglich um eine freiwillige Leistung handelt. Ebensowenig spielt es eine Rolle, ob das Mitglied seinen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber vor oder nach Ausgleichung der Anwalts- und Gerichtskosten durch die Rechtsschutz gewährende Gewerkschaft an diese abtritt.

Im einzelnen gilt folgendes:

a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt auf den gegen den Arbeitgeber gerichteten Freistellungsanspruch, der seiner Rechtsnatur nach nicht selbst einen Schadenersatzanspruch darstellt, sondern auf die Befreiung von einer Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers gegenüber einem bei Ausübung gefahrgeneigter Tätigkeit geschädigten Dritten oder auf Erstattung dessen, was er dem Dritten bereits geleistet hat, abzielt (vgl. BAG 5, 1, 8 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO; Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, Göttingen 1966, S. 118), Grundsätze des Schadenersatzrechts angewandt. Wenn das Landesarbeitsgericht im folgenden aber entsprechend der sog. Differenzhypothese (vgl. MünchKomm-Grunsky, BGB, vor § 249 Rz 6, mit weiteren Nachweisen) einen Anspruch des Arbeitnehmers M… gegen die Beklagte auf Freistellung bzw. Erstattung der in dem Schadenersatzprozeß angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten verneint hat, da nach Ausgleichung dieser Kosten durch die Klägerin insoweit den Arbeitnehmer M… eine Haftung nicht mehr treffe und daher auch kein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte mehr gegeben sei, so hat das Landesarbeitsgericht übersehen, daß im Schadenersatzrecht schon seit langem für die Ermittlung des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens nicht mehr uneingeschränkt nach der Differenzhypothese vorgegangen wird. Vielmehr können den Schädiger nicht alle Vorteile, die dem Geschädigten neben den nachteiligen Folgen aus dem Schadensereignis erwachsen, entlasten, sondern bestimmte Vorteile sind auf den Schadenersatzanspruch des Geschädigten nicht anzurechen (vgl. H. Lange, JuS 1978; 649 ff.; Grunsky, aaO, vor § 249 Rz 93 ff.). Unabhängig davon, ob die Frage der Anrechenbarkeit eines Vorteils mit Hilfe eines allgemeingültigen Kriteriums entschieden werden kann oder nur induktiv durch Bildung von Fallgruppen, besteht Einigkeit darüber, daß freiwillige Leistungen Dritter, aber auch Versicherungsleistungen, soweit auf diese nicht schon § 67 VVG anwendbar ist und diese nicht auf einem vom Schädiger zugunsten des Geschädigten abgeschlossenen Versicherungsvertrag beruhen, auf den Schadenersatzanspruch des Geschädigten nicht anzurechnen sind, da mit diesen Leistungen nur der Geschädigte, nicht aber auch der Schädiger begünstigt werden soll (vgl. H. Lange, aaO, S. 655; Grunsky, aaO, vor § 249 Rz 99, 105, jeweils mit weiteren Nachweisen). Soweit schließlich gesetzlich ein Übergang des Schadenersatzanspruches auf den Dritten, der dem Geschädigten zur Leistung verpflichtet ist, geregelt ist (z. B. § 67 VVG, § 1542 RVO, § 4 LohnFG), kann davon gesprochen werden, daß diese Vorschriften eine Nichtanrechenbarkeit der Leistungen des Dritten auf den Schadenersatzanspruch voraussetzen und eine gesetzliche Einschränkung der Differenzhypothesen darstellen, allerdings durch den angeordneten Forderungsübergang eine Leistungskumulation bei dem Geschädigten von vornherein ausschließen wollen.

b) Diese für das Schadenersatzrecht entwickelten Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auch auf den Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anwendbar. Denn auch insoweit stellt sich die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer als Freistellungsberechtigter von dem zur Freistellung verpflichteten Arbeitgeber sich Leistungen Dritter auf seinen Freistellungsanspruch anrechnen lassen muß. Entscheidend ist auch hier die zumindest für die erwähnten Fallgruppen der Vorteilsausgleichung maßgebliche Frage, ob mit den Leistungen des Dritten nur der Arbeitnehmer oder aber auch der Arbeitgeber begünstigt werden soll.

Es sind weder aus der Satzung der Klägerin noch anderweitig Anhaltspunkte dafür ersichtlich, mit der Gewährung von Rechtsschutz verfolge die Klägerin nicht nur den wirtschaftlichen Schutz ihrer Mitglieder, sondern auch eine wirtschaftliche Entlastung des Arbeitgebers des Mitglieds, dem Rechtsschutz gewährt wird. Dem steht vor allem entgegen, daß die finanziellen Mittel für die Rechtsschutzgewährung aus den Beitragsleistungen aller Mitglieder stammen und daher auch nur den Mitgliedern zugute kommen sollen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang in den Vorinstanzen darauf hingewiesen hat, es sei nicht einsichtig, daß die Gewerkschaft mit der Gewährung von Rechtsschutz Mitglieder werben dürfe, ohne diese Leistungen wirtschaftlich zu erbringen, verkennt sie, daß diese Leistungen, wie bereits ausgeführt, aus dem Beitragseinkommen der Mitglieder aufgebracht werden. Eine wirtschaftliche Entlastung der Beklagten durch Rechtsschutzleistungen der Klägerin würde daher letztendlich zu einer Belastung der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der Beklagten führen. Es liegt auf der Hand, daß ein solches Ergebnis im Widerspruch zu den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Rahmen gefahrgeneigter Tätigkeit und zu der damit zugunsten des Arbeitnehmers beabsichtigten Haftungsprivilegierung stünde.

Entgegen der in seinen weiteren Ausführungen zum Ausdruck kommenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts spielt es für die Anrechenbarkeit der Leistungen des Dritten auf den Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers keine Rolle, wie bereits die Ausführungen zur Vorteilsausgleichung aufgezeigt haben, ob der Dritte diese Leistungen freiwillig gewährt hat oder hierzu rechtlich verpflichtet war (vgl. auch OLG Hamm, VersR 1969, 1150, 1151). Es bedarf daher keiner näheren Auseinandersetzung mit der von der Revision angegriffenen Ansicht des Landesarbeitsgerichts, nach der Satzung der Klägerin habe das Mitglied im Unterschied zu anderen Unterstützungsleistungen einen Rechtsanspruch auf Rechtsschutzgewährung. Entscheidend ist, daß es sich beim Rechtsschutz der Klägerin für ihre Mitglieder um Leistungen aus einer freiwilligen Versicherung handelt, die aus den Mitteln ihrer Mitglieder (Gewerkschaftsbeiträge) gewährt werden.

Der Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers wird auch nicht davon berührt – darauf hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht maßgeblich abgestellt –, ob nach der Satzung der Rechtsschutz gewährenden Gewerkschaft diese die von ihr verauslagten Kosten von ihrem Mitglied zurückfordern kann, wenn dem Mitglied diese Kosten im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs von seinem Arbeitgeber erstattet würden. Abgesehen davon, daß bei fehlender Satzungsermächtigung eine Rückzahlung der von der Gewerkschaft verauslagten Kosten zwischen dem Mitglied und der Gewerkschaft vertraglich vereinbart werden kann, wie dies im Streitfall geschehen ist, obliegt es allein der Gewerkschaft, durch geeignete Maßnahmen einer Leistungskumulation bei ihrem Mitglied zu begegnen, wenn man nicht weitergehend – dies kann hier offenbleiben – eine analoge Anwendbarkeit der Legalzessionsnormen oder der §§ 255, 281 BGB befürworten will (vgl. MünchKomm-Selb, BGB, § 421 Rz 21). Jedenfalls widerspräche es dem Grundsatz der Nichtanrechenbarkeit gewerkschaftlicher Rechtsschutzleistungen auf den Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers, diesen Freistellungsanspruch wieder davon abhängig zu machen, daß die Gewerkschaft die von ihr vorab erbrachten Unterstützungsleistungen von ihrem Mitglied nach ihrer Satzung zurückfordern kann bzw. tatsächlich zurückfordert. Diesem Umstand kann allenfalls unter dem Gesichtspunkt rechtsmißbräuchlicher Geltendmachung des Freistellungsanspruchs Bedeutung zukommen. Da im Streitfall aufgrund der gewillkürten Abtretung eine Leistungskumulation ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin kraft ihrer Satzung berechtigt war, die von ihr im Rahmen ihrer Rechtsschutzgewährung gezahlten Anwalts- und Gerichtskosten von ihrem Mitglied M… zurückzuverlangen.

c) Die von der Beklagten in den Vorinstanzen geäußerten Bedenken gegen eine Abtretbarkeit des Freistellungsanspruchs an die Klägerin sind schon deswegen unbegründet, weil entgegen dem Wortlaut der Abtretungserklärung das Mitglied M… aufgrund der Zahlung der Anwalts- und Gerichtskosten bereits einen Zahlungs- bzw. Erstattungsanspruch gegen die Beklagte im Zeitpunkt der Abtretung hatte. Durch die Abtretung ist daher eine Inhaltsänderung der abgetretenen Forderung nicht bewirkt worden, so daß die Abtretung auch nicht nach § 399 BGB unwirksam ist. Unabhängig davon begegnet eine Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Geschädigten oder an einen schuldübernehmenden Dritten keinen Bedenken (vgl. BAG Urteile vom 18. Januar 1966 – 1 AZR 247/63 – und 11. Februar 1969 – 1 AZR 280/68 – AP Nr. 37, 45 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).

3. Da nach alledem das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der von ihr für ihr Mitglied Heiko M… verauslagten Anwalts- und Gerichtskosten verneint hat, ist die angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben (vgl. § 564 Abs. 1 ZPO).

Der Rechtsstreit ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, dem Einwand der Beklagten nachzugehen, Gerichts- und Anwaltskosten wären überhaupt nicht, zumindest nicht in dieser Höhe entstanden, wenn die Beklagte rechtzeitig von dem drohenden Prozeß unterrichtet worden wäre. Sie hätte dann Gelegenheit gehabt, durch außergerichtliche Verhandlungen diese Kosten zu vermeiden oder zumindest dadurch gering zu halten, daß sie einen Teil der Ansprüche anerkannt und nur über den Rest prozessiert hätte.

II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von weiteren 2.429,84 DM verneint.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klage sei insoweit unzulässig, da der von dem Arbeitnehmer der Beklagten Paul K… an die Klägerin abgetretene Freistellungsanspruch bereits Streitgegenstand der Klage dieses Arbeitnehmers gegen die Beklagte gewesen sei, die das Arbeitsgericht Hamburg mit Urteil vom 15. September 1976 rechtskräftig abgewiesen habe. Aus den Gründen dieser Entscheidung ergebe sich nicht, die Klage sei lediglich als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden. Als Zessionarin sei die Klägerin an die Rechtskraft dieser Entscheidung gebunden.

2. Die Revision weist zu Recht darauf hin, die Klage sei – entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts – als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden. Der von dem Arbeitnehmer K… an die Klägerin abgetretene Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch sei durch Tatsachen, die nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 1976 entstanden sind, begründet worden.

3. In diesen Fällen, in denen ein im Vorprozeß aberkannter Anspruch durch eine nachträgliche Veränderung der Tatumstände begründet werden kann, steht die Rechtskraft der in dem Vorprozeß ergangenen Entscheidung einer neuen Klage nicht entgegen (vgl. BGHZ 37, 375, 377 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 13. Aufl., vor § 322 Anm. I 3). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Aus dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts, das in der erstinstanzlichen Entscheidung dieses Rechtsstreits zitiert worden ist, heißt es u.a., daß die jetzige Klägerin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Sache – 9 Ca 217/76 (jenes rechtskräftige Urteil) wegen der Erstattung der von ihr verauslagten Anwalts- und Gerichtskosten noch nicht an den damaligen Kläger herangetreten gewesen sei. Im Urteil erster Instanz dieses Rechtsstreits wird in diesem Zusammenhang auch ausgeführt, in dem Verfahren – 9 Ca 217/76 – sei nicht bereits über den Sachverhalt entschieden worden, der hier zugrunde liege.

Dies hat das Landesarbeitsgericht im angefochtenen Urteil bei der Auslegung des rechtskräftigen Urteils unberücksichtigt gelassen und ohne nachvollziehbare Begründung angenommen, aus den Gründen des rechtskräftigen Urteils ergebe sich nicht, die Klage sei lediglich als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden. Der Senat ist daher an diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht gebunden, denn es hat das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg fehlerhaft ausgelegt, indem es nicht den gesamten Inhalt des Urteils berücksichtigt hat (vgl. BAG Urteil vom 27. Juni 1963 – 5 AZR 383/62 – AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß).

Aus dem Tenor des rechtskräftigen Urteils läßt sich zwar nicht erkennen, ob die Klage unbedingt oder als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden ist. Der Inhalt der Entscheidung und damit der Gegenstand der Rechtskraft ist jedoch oft nur aus Formel, Tatbestand und Entscheidungsgründen, also aus der Entscheidung im ganzen festzustellen (BGHZ 34, 337, 339). Aus dem auszugsweise zitierten rechtskräftigen Urteil folgt, daß die Klage tatsächlich als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden ist. Ferner folgt aus der Abtretungserklärung vom 25. November 1977, daß die Klägerin an ihr Mitglied K… wegen der Prozeßkosten herangetreten ist. In dieser Abtretungserklärung heißt es u.a., die Klägerin sei wegen dieser Kosten in Vorlage getreten. Sie hat erklärt, sie lasse die Abtretung an Zahlungs Statt gegen sich gelten. Im Urteil erster Instanz dieses Rechtsstreits ist ausgeführt worden, der Rechtsstreit 9 Ca 217/76 (in dem die Klage des Klägers rechtskräftig abgewiesen worden ist) unterscheide sich von dem jetzigen Rechtsstreit u.a. dadurch, daß die jetzige Klägerin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Sache – 9 Ca 217/76 – noch nicht an den damaligen Kläger wegen der Erstattung der von ihr verauslagten Anwalts- und Gerichtskosten herangetreten war. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, denn im angefochtenen Urteil ist auf diese Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils ausdrücklich verwiesen worden.

Steht nach alledem die Rechtskraft dieser Entscheidung des Arbeitsgerichts dem jetzigen Klagebegehren nicht entgegen, so kann die Klage wegen der Kosten des Mitgliedes K… ebenso begründet sein wie die Klage wegen der Kosten des Arbeitnehmers M…, wie oben unter I im einzelnen ausgeführt worden ist.

Die angefochtene Entscheidung ist daher auch insoweit aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Bichler, Roeper, Dr. Becker, Dr. Kleemann

zugleich für den früheren ehrenamtlichen Richter Hollmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1493715

BAGE, 242

JR 1985, 176

ZIP 1983, 1513

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