Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezahlte Freistellung von Mandatsträgern

 

Orientierungssatz

1. Nach dem Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Niedersachsen vom 27.2.1981 haben Mandatsträger der vertragsschließenden Gewerkschaften Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Teilnahme an Sitzungen in Gewerkschaftsangelegenheiten für höchstens 6 Tage im Jahr. Dazu gehören auch Delegierte zu einer Bezirkskonferenz der DAG und Mitglieder des Bezirksvorstandes zu Bezirksvorstandssitzungen.

2. Vergleiche auch Urteil vom BAG vom 11.9.1985 4 ABR 147/85.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 616

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 16.04.1984; Aktenzeichen 2 Sa 151/83)

ArbG Nienburg (Entscheidung vom 02.08.1983; Aktenzeichen 2 Ca 196/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin, die der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) als Mitglied angehört, steht seit 11. Dezember 1972 in den Diensten der Beklagten. Sie wird als Substitutin mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.968,-- DM beschäftigt. Die Klägerin ist Mitglied des Bezirksvorstandes des Bezirks Hannover und Vorsitzende des Ortsgruppenvorstandes Nienburg der DAG.

Am 20. November 1982 nahm die Klägerin als ordentliche Delegierte an einer Bezirkskonferenz des DAG-Bezirks in Hannover teil, die 4,5 Stunden der Arbeitszeit der Klägerin in Anspruch nahm. Ferner nahm die Klägerin am 4. Dezember 1982 und 5. Februar 1983 an Bezirksvorstandssitzungen der DAG in Hannover teil, für die sie jeweils fünf Stunden ihrer Arbeitszeit aufwendete. Die Beklagte stellte die Klägerin zur Teilnahme an diesen Veranstaltungen jeweils von der Arbeit frei, lehnte aber eine Bezahlung der dadurch ausgefallenen Arbeitszeit ab.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei nach § 11 Ziff. 7 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Niedersachsen vom 27. Februar 1981 (MTV Einzelhandel Ns) verpflichtet, die wegen der Teilnahme an den Veranstaltungen vom 20. November 1982, 4. Dezember 1982 und 5. Februar 1983 ausgefallene Arbeitszeit zu vergüten. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe der tarifliche Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an Sitzungen in Gewerkschaftsangelegenheiten nicht ausschließlich Arbeitnehmern zu, die als Amtsträger auf Landesebene tätig seien, sondern allen Arbeitnehmern, die innerhalb der Gewerkschaft in ein satzungsmäßig vorgesehenes Amt gewählt worden seien. Denn damit seien die gewählten Amtsinhaber Amtsträger. Die Beschränkung des Freistellungsanspruchs auf die "in verantwortlich leitender Stellung für die vertragschließenden Gewerkschaften tätigen Arbeitnehmer (Mandatsträger)", wie sie in früheren Tarifverträgen vorgesehen gewesen sei, sei weggefallen. Dadurch sei der anspruchsberechtigte Personenkreis erweitert worden. Für die am 20. November und 4. Dezember 1982 sowie 5. Februar 1983 ausgefallene Arbeitszeit stehe ihr Gehalt in Höhe von 164,86 DM brutto zu. Dieser Betrag ist in seiner rechnerischen Höhe unstreitig.

Die Klägerin hat demgemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläge-

rin einen Betrag von 164,86 DM brutto zu

zahlen nebst 4 % Zinsen seit Klagezustel-

lung.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Klägerin gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns. Dieser umfasse ausschließlich gewerkschaftliche Amtsträger auf Landesebene. Das ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Tarifnorm. Darin sei von "vertragschließenden Gewerkschaften" die Rede, die es nur auf Landesebene gebe. Bestätigt werde dies durch die Tarifgeschichte. Ein Freistellungsanspruch in Gewerkschaftsangelegenheiten sei früher nur für Tarifkommissionsmitglieder vorgesehen gewesen. Durch Tarifvertrag vom 26. Oktober 1973 sei dieser Personenkreis erweitert worden. Danach habe der Freistellungsanspruch "Tarifkommissionsmitgliedern sowie den in verantwortlich leitender Stellung für die vertragschließenden Gewerkschaften tätigen Arbeitnehmern (Mandatsträger)" zugestanden. Damit sei zugleich der Begriff "Mandatsträger" definiert worden. Daran habe sich durch die Neufassung der tariflichen Regelung im Jahre 1977 nichts geändert. Mit der Änderung der Vorschrift durch den Tarifvertrag vom 14. Januar 1977 habe allein die Höchstdauer des Freistellungsanspruchs für Tarifkommissionsmitglieder verlängert werden sollen. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises sei damit aber nicht beabsichtigt gewesen. Die redaktionelle Neufassung der Tarifnorm stelle nur eine sprachliche Neufassung dar. Eine verantwortlich leitende Stellung innerhalb der DAG habe die Klägerin ersichtlich nicht eingenommen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage in Höhe von 51,17 DM (Gehalt für den 20. November 1982) zurückgenommen und insoweit auf die Klageforderung verzichtet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 113,69 DM brutto nebst Zinsen verurteilt war, und die Klage im übrigen durch Verzichtsurteil abgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der in der Revisionsinstanz noch anhängigen Klage mit Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die am 4. Dezember 1982 und 5. Februar 1983 ausgefallene Arbeitszeit in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 113,69 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit 26. März 1983 zu vergüten. Denn die Klägerin war während dieser Zeit zur Teilnahme an Bezirksvorstandssitzungen der DAG in Hannover von der Arbeit unter Fortzahlung des Gehalts freizustellen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Niedersachsen vom 27. Februar 1981 (MTV Einzelhandel Ns) kraft Allgemeinverbindlichkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für die Klageforderung ist § 11 MTV Einzelhandel Ns heranzuziehen, in dem es heißt:

Freistellung von der Arbeit

---------------------------

Der Beschäftigte hat in den folgenden Fällen

Anspruch auf Freistellung von der Arbeit oh-

ne Anrechnung auf den Urlaub und unter Fort-

zahlung seines Arbeitsentgelts:

...

6. Tarifkommissionsmitglieder der vertrag-

schließenden Gewerkschaften sind für Ta-

rifverhandlungen von der Arbeit freizu-

stellen.

7. Die für die vertragschließenden Gewerk-

schaften tätigen Mandatsträger sind zur

Teilnahme an Sitzungen in Gewerkschafts-

angelegenheiten freizustellen. Die Frei-

stellung darf im Jahr nicht mehr als 6

Tage umfassen.

Die Klägerin ist als Mitglied des Bezirksvorstandes Hannover der DAG Mandatsträger im tariflichen Sinne. Der Begriff des Mandatsträgers wird vom Tarifvertrag nicht näher umschrieben. Er hat aber in der Rechtsterminologie einen fest umrissenen Inhalt, wobei er allerdings im Privat-, Staats- und Völkerrecht mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 17. Aufl., Bd. 12, S. 73; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 1982, S. 574). Wenn Tarifvertragsparteien in einer Tarifnorm einen Begriff verwenden, der in der Rechtsterminologie einen fest umrissenen Inhalt hat, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag davon auszugehen, daß sie diesen Begriff auch in seiner rechtlichen Bedeutung unmittelbar oder entsprechend angewendet wissen wollen (BAG 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall kommt der Begriff des Mandatsträgers allein im staatsrechtlichen (politischen) Sinne in Betracht. Denn die Gewerkschaften sind insoweit mit politischen Parteien in einer parlamentarischen Demokratie vergleichbar. Sie sind demokratisch organisiert, beteiligen sich an der politischen Willensbildung, schaffen durch den Abschluß von Tarifverträgen - ebenso wie der Gesetzgeber - Rechtsnormen und nehmen damit eine durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte sozialpolitische Aufgabe wahr (vgl. § 4 der Satzung der DAG). Ebenso wie die staatliche Willensbildung auf die wahlberechtigten Bürger zurückgeht und die Willensbildung innerhalb der politischen Parteien auf deren Mitglieder, ist die gewerkschaftliche Willensbildung auf die Mitglieder der einzelnen Gewerkschaften zurückzuführen, die durch Wahl ihre Repräsentanten bestimmen. Wegen der nach denselben Prinzipien organisierten staatlichen und gewerkschaftlichen Willensbildung kann mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag für einen gewerkschaftlichen Mandatsträger der Begriff des Mandats - ebenso wie für einen politischen Mandatsträger - nur in einem an das Staatsrecht angelehnten Sinne verstanden werden.

Danach ist Mandat "die Vollmacht zur Ausübung von Kompetenzen, die der Substanz nach dem Vollmachtgeber verbleiben" (Brockhaus Enzyklopädie, aaO), oder - konkreter - "einem Vertreter eines beschlußfassenden Organs (meist Parlament) durch Wahl erteilter Auftrag" (Brockhaus/Wahrig, aaO), wobei für ein Mandat in der parlamentarischen Demokratie die zeitliche Begrenzung des Auftrags kennzeichnend ist. Gewerkschaftliche Mandatsträger sind demgemäß Personen, die durch Wahl eines gewerkschaftlichen Gremiums einen zeitlich begrenzten Auftrag erhalten und damit zur Wahrnehmung bestimmter gewerkschaftlicher Aufgaben befugt sind. Nach welchen Grundsätzen und in welcher Zahl Mandatsträger gewählt werden und welche Aufgaben ihnen übertragen werden, bestimmen die Gewerkschaften im Rahmen ihrer Organisationsgewalt durch die Satzung selbst. Hätten die Tarifvertragsparteien den Begriff des Mandatsträgers im Sinne von § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns auf bestimmte Funktionen beschränken wollen, hätten sie dies im Tarifvertrag zum Ausdruck gebracht. Das ist nicht geschehen. Deshalb sind alle Gewerkschaftsmitglieder, die nach der Satzung einer Gewerkschaft durch Wahl zur Ausübung von Kompetenzen bevollmächtigt sind, Mandatsträger im tariflichen Sinne. Die Tarifvertragsparteien haben es damit in Kauf genommen, daß die Mandatsträger durch die jeweilige Satzung der vertragschließenden Gewerkschaft bestimmt werden und infolgedessen - je nach den Satzungsbestimmungen - die einzelnen Gewerkschaften - hier: DAG und HBV - eine unterschiedlich große Zahl von Mandatsträgern aufweisen können, denen ein Freistellungsanspruch nach § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns zugute kommen kann.

Zu den Mandatsträgern in diesem Sinne gehört die Klägerin als Mitglied des Bezirksvorstandes Hannover der DAG. Der Bezirksvorstand wird nach der vorliegend maßgebenden Satzung der DAG aus dem Jahre 1979 von der Bezirkskonferenz für die Dauer von vier Jahren gewählt (§§ 49, 50 der Satzung der DAG) und nimmt in dieser Zeit gewerkschaftliche Aufgaben wahr (vgl. § 4, § 36 Abs. 1 der Satzung der DAG). Bei den Sitzungen des Bezirksvorstandes handelt es sich um Sitzungen in Gewerkschaftsangelegenheiten, für die ein Freistellungsanspruch nach § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns besteht. Insoweit ist es nicht erforderlich, daß es sich bei der Sitzung um eine gewerkschaftliche Betätigung mit Außenwirkung handeln muß (BAG Urteil vom 11. September 1985 - 4 AZR 147/85 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Für eine Beschränkung des Freistellungsanspruchs nach § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns auf Mandatsträger auf Landesebene und Bundesebene enthält der Tarifvertrag keinen Anhaltspunkt. Insoweit sind Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung eindeutig. Der Begriff des Mandats knüpft an die Übertragung von Kompetenzen an; dies ist auf allen Ebenen der gewerkschaftlichen Betätigung bis zur Ortsgruppe hin möglich. Da Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung eine eindeutige Auslegung ermöglichen, kommt es auf die Tarifgeschichte nicht mehr an (BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Im übrigen spricht die Tarifgeschichte entgegen der Auffassung der Beklagten für die hier vorgenommene Auslegung. Ursprünglich hatten die Tarifvertragsparteien dem Begriff des Mandatsträgers einen besonderen tariflichen Sinn gegeben, indem sie den Worten "den in verantwortlich leitender Stellung für die vertragschließenden Gewerkschaften tätigen Arbeitnehmern" den Klammerzusatz "Mandatsträger" hinzufügten. Durch den Klammerzusatz brachten sie zum Ausdruck, daß Mandatsträger im tariflichen Sinne nur die in verantwortlich leitender Stellung bei den vertragschließenden Gewerkschaften tätigen Arbeitnehmer sein sollten. Das ist rechtlich zulässig und bindet die Gerichte bei der Auslegung des Tarifvertrags. Wenn die Tarifvertragsparteien dann in den ab 1977 abgeschlossenen Tarifverträgen auf eine besondere Begriffsbestimmung des Mandatsträgers durch Klammerzusatz verzichteten und den Begriff "Mandatsträger" nicht näher erläuterten, bedeutet dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ohne weiteres, daß damit der Begriff des Mandatsträgers seine bisherige einschränkende Bedeutung beibehalten hat. Dieser Schluß wäre nur zulässig, wenn in der Rechtsterminologie der Begriff des Mandatsträgers einen der bisherigen tariflichen Regelung entsprechenden Inhalt erhalten hätte, so daß auf eine besondere tarifliche Definition verzichtet werden konnte, oder wenn bei den beteiligten Berufskreisen der Begriff des Mandatsträgers übereinstimmend im Sinne der bisherigen tariflichen Regelung verstanden worden wäre. Im letzteren Falle könnte man davon ausgehen, daß die Tarifvertragsparteien durch die Verwendung des Begriffs Mandatsträger auf die Anschauung der beteiligten Berufskreise Bezug nehmen wollten (vgl. BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben.

Dann aber müssen sich Tarifvertragsparteien daran festhalten lassen, daß ein von ihnen verwendeter Begriff mit fest umrissenem Inhalt im Sinne der Rechtsterminologie auch so verstanden wird. Das muß auch dann gelten, wenn die Tarifvertragsparteien in einer früheren tariflichen Regelung dem Begriff durch eine Erläuterung einen besonderen tariflichen Inhalt gaben, später aber auf eine solche Erläuterung verzichteten und damit der nicht mehr näher erläuterte Begriff eine andere Bedeutung im Sinne der Rechtsterminologie erhielt. Diese materielle Änderung der Tarifnorm kann den Tarifvertragsparteien vorliegend auch nicht unbemerkt geblieben sein, weil sie bewußt eine andere Wortwahl vorgenommen haben. Durch eine Änderung der Wortwahl in einer Tarifnorm bringen Tarifvertragsparteien im allgemeinen ihren Willen zum Ausdruck, auch eine materielle Änderung des Norminhalts herbeizuführen, wenn sich aus dem Tarifvertrag selbst nichts anderes ergibt. Wollten die Tarifvertragsparteien vorliegend - wie die Beklagte behauptet - mit der Änderung der Wortwahl keine Änderung des Begriffs des Mandatsträgers herbeiführen oder haben sie insoweit über eine Änderung überhaupt nicht verhandelt, so ist dies unbeachtlich, weil der fehlende Änderungswille der Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden hat. Vielmehr ist hier aus der Änderung der Wortwahl auf die Änderung des Begriffsinhalts zu schließen.

Auch daraus, daß der MTV Einzelhandel Ns vom Landesverband der DAG und der Landesbezirksleitung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) abgeschlossen worden ist, folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, daß damit unter der "vertragschließenden Gewerkschaft" im Sinne von § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns nur die Gewerkschaft auf Landes- und Bundesebene gemeint ist. Vertragschließende Gewerkschaften des MTV Einzelhandel Ns sind die DAG und die Gewerkschaft HBV. Die Landesverbände bzw. Landesbezirksleitungen der Gewerkschaften sind keine selbständigen Gewerkschaften, sondern nur Gliederungen der DAG bzw. der Gewerkschaft HBV ohne eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. § 34 der Satzung der DAG). Vertragschließende Gewerkschaften sind ausschließlich die DAG und die Gewerkschaft HBV. Deren Mandatsträger auf allen Ebenen haben nach § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns den Freistellungsanspruch. Insoweit kommt den Worten "bei den vertragschließenden Gewerkschaften" nur die Bedeutung zu, daß damit Mandatsträger anderer (nicht vertragschließender) Gewerkschaften den Freistellungsanspruch nach § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns nicht haben sollen. Es geht damit lediglich um die Abgrenzung zu Drittorganisationen. Auch der Hinweis der Beklagten auf das Senatsurteil vom 5. April 1978 - 4 AZR 640/76 - (AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Banken) geht fehl, da nach dem damals vom Senat zu beurteilenden Tarifvertrag der Freistellungsanspruch sich ausdrücklich auf Inhaber gewerkschaftlicher Ämter in "verantwortlich leitender Stellung" beschränkte.

Wenn die Beklagte andeutet, eine Auslegung des § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns in dem hier vorgenommenen Sinne verstoße gegen Art. 9, 12 und 14 GG, da es dabei um Vorgänge gehe, die von ihrer Zielsetzung her den Interessen der Arbeitgeber klar zuwiderliefen und denjenigen der Kontrahenten der Arbeitgeber dienten, will sie wohl geltend machen, daß nach den Prinzipien des Koalitionsrechts insbesondere die finanzielle Unabhängigkeit des jeweiligen sozialen Gegenspielers gewährleistet sein muß (vgl. BAG 24, 459 = AP Nr. 2 zu § 40 BetrVG 1972) und hiergegen verstoßen werde, wenn durch die Entgeltfortzahlung Gewerkschaftsarbeit vom Arbeitgeber finanziert würde. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Würde den gewerkschaftlichen Mandatsträgern kein bezahlter Freistellungsanspruch nach § 11 Ziff. 7 MTV Einzelhandel Ns eingeräumt, könnten sie von ihrer Gewerkschaft für versäumte Arbeitszeit keinen Verdienstausfall verlangen. Sie üben in der Gewerkschaft ein Ehrenamt aus. Da somit die Gewerkschaften ihren Mandatsträgern für die Wahrnehmung gewerkschaftlicher Aufgaben keine Vergütung oder Verdienstausfall zu zahlen haben, wird durch entsprechende Vergütung von Arbeitgeberseite gewerkschaftliche Arbeit nicht finanziert. Richtig ist, daß durch die bezahlte Freistellung gewerkschaftliche Arbeit erleichtert wird. Das berührt aber noch nicht die finanzielle Unabhängigkeit der Gewerkschaften. Im übrigen ist zu bedenken, daß sich der Freistellungsanspruch der Mandatsträger auf sechs Tage im Jahr beschränkt und die damit verbundene finanzielle Belastung der Arbeitgeber im Verhältnis zur gesamten Arbeitszeit geringfügig ist.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel

Jansen Dr. Apfel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439315

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