Rechtskräftig!

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Arbeitnehmer als Kraftfahrer durch Trunkenheit am Steuer einen Verkehrsunfall verursacht, so muß er u. a. auch den Vermögensschaden ersetzen, der seinem Arbeitgeber durch die Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien entsteht.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 249; ZPO §§ 182, 218, 331

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 06.04.1979; Aktenzeichen 11 Sa 132/78)

ArbG Berlin (Urteil vom 13.10.1978; Aktenzeichen 42 Ca 74/77)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 6. April 1979 – 11 Sa 132/78 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung des Klägers wird das Schlußurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Oktober 1978 – 42 Ca 74/77 – abgeändert:

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.030,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Oktober 1979 zu zahlen.

  • Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Beklagte war bei dem Kläger vom 16. Juni 1976 bis zum 2. September 1979 als Taxifahrer beschäftigt. Am 2. September 1979 verursachte er einen Verkehrsunfall. An dem Pkw des anderen Unfallbeteiligten entstand erheblicher Schaden, der durch die Haftpflichtversicherung des Klägers reguliert wurde. Der Beklagte hatte zum Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 1,39 ‰.

Der Kläger hat u.a. den Ersatz des Schadens verlangt, der ihm durch die Rückstufung des Schadensfreiheitsrabattes für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung entstanden ist. Er hat hierfür unstreitig Mehraufwendungen in Höhe von 1.030,20 DM erbracht.

Da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin vom 13. Oktober 1978 vor dem Arbeitsgericht nicht erschienen ist, hat der Kläger beantragt,

den Beklagten durch Versäumnisurteil zu verurteilen, an ihn 1.030,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14.10.1977 zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat durch Schlußurteil vom 13. Oktober 1978 die Klage insoweit abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter, jedoch mit der Maßgabe, daß er Zinsen erst ab 14. Oktober 1979 geltend macht.

Der Beklagte ist zu dem Termin vom 5. Mai 1981 ordnungsgemäß durch Niederlegung der Ladung bei der Post geladen worden, aber nicht erschienen. Durch verkündeten Beschluß wurde neuer Termin auf den 23. Juni 1981 bestimmt. Der Beklagte war wiederum säumig. Der Kläger hat den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts durch Versäumnisurteil, da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin vom 23. Juni 1981 nicht erschienen ist.

Die Ladung zum Termin vom 5. Mai 1981 ist dem Beklagten am 9. März 1981 ordnungsgemäß zugestellt worden. Nach der Zustellungsurkunde von diesem Tage hat der Zusteller den Beklagten selbst in seiner Wohnung nicht angetroffen und die Zustellung weder an einen zur Familie gehörigen erwachsenen Hausgenossen noch an den Hauswirt oder Vermieter ausführen können. Nach diesen Feststellungen konnte der Zusteller gemäß § 182 ZPO eine Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Post in Berlin 41 vornehmen. Die ordnungsgemäße Ersatzzustellung wird nicht dadurch berührt, daß der Beklagte die Ladung nach der Mitteilung der Postanstalt nicht abgeholt hat. Kenntnis des Zustellungsempfängers und Abholung des zuzustellenden Schriftstücks berühren die Wirksamkeit der Niederlegung und damit des Zustellungsaktes nicht (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 182 ZPO [zu 1 der Gründe]).

Nachdem die Ladung zum Termin vom 5. Mai 1981 ordnungsgemäß erfolgt ist, kommt es auf die Ladung zum Termin vom 23. Juni 1981 nicht mehr an (§ 218 ZPO), da dieser im Termin vom 5. Mai 1981 verkündet worden ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 39. Aufl., § 218 Anm. 1 m.w.N.).

II. Da der Kläger im Termin vom 23. Juni 1981 den Erlaß eines Versäumnisurteils gegen den nicht erschienenen Beklagten beantragt hat, war sein tatsächliches Vorbringen als vom Beklagten zugestanden anzunehmen und daraufhin nach dem Klageantrag zu erkennen (§ 331 Abs. 1 und 2 ZPO in Verbindung mit § 72 Abs. 5 ArbGG, § 557 ZPO). Es war davon auszugehen, daß der Kläger in der Zeit vom 14. Oktober 1977 bis zum 14. Oktober 1979 infolge des Unfalls Mehraufwendungen für die Prämien der Haftpflichtversicherung in Höhe von 1.030,20 DM gehabt hat. Diese Mehraufwendungen muß der Beklagte dem Kläger ersetzen.

Der Beklagte hat seine Vertragspflichten verletzt, indem er in alkoholbedingt absolut fahruntüchtigem Zustand mit der Taxe des Klägers gefahren ist und dabei einen Unfall verschuldet hat. Für den Kläger ist dadurch über den Sachschaden hinaus ein Vermögensschaden entstanden, der in dem Prämienmehraufwand für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht (vgl. Honsell, JuS 1978, 745 [747]; Klimke, VersR 1977, 134 [135]; Geigel, Haftpflichtprozeß, 17. Aufl., Kap. 13 Nr. 72). Angesichts der Bedeutung von Versicherungsverhältnissen und der dadurch entstehenden Kosten ist der berechtigte Fahrer verpflichtet, die versicherungsvertraglichen Belange des Halters zu wahren. Führt er schuldhaft einen Unfall herbei, so ist er gegenüber dem Halter auch insoweit zum Schadenersatz verpflichtet, als der Halter nach den Versicherungsbedingungen wegen des Schadensfalles in der folgenden Zeit höhere Versicherungsbeiträge zahlen muß (vgl. Schwerdtner, NJW 1971, 1673; Honsell, aaO; Klimke, aaO; Weyert, VersR 68, 133, 134); auch Mehraufwendungen, die der Arbeitgeber aufgrund eines schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers hat, stellen einen Schaden dar.

Demgegenüber meint das Landesarbeitsgericht, eine Ersatzpflicht scheide aus, weil die Versicherungsbeiträge zu den notwendigen Betriebsausgaben gehörten. Da der Arbeitgeber nach dem Pflichtversicherungsgesetz und auf Grund der Fürsorgepflicht für einen ausreichenden Versicherungsschutz sorgen müsse, dürfe er Arbeitnehmer, die einen Kraftfahrzeugschaden und damit Beitragserhöhungen verursachen, nur dann in Anspruch nehmen, wenn er sie auch durch Prämien für unfallfreies Fahren am Schadensfreiheitsrabatt “beteiligt” habe. Diese Ansicht wird jedoch nicht begründet und ist mit dem geltenden Schadenersatzrecht unvereinbar. Die Erhöhung notwendiger Betriebsausgaben ist ein typischer Fall des Vermögensschadens. Auch die Tatsache, daß diese Ausgaben auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen, ist nicht ungewöhnlich und rechtfertigt keine Ausnahmen. Weder das Pflichtversicherungsgesetz noch arbeitsvertragliche Rücksichtspflichten sollen den Arbeitgeber daran hindern, seine Beitragsbelastung möglichst gering zu halten. Wenn dafür eine Möglichkeit besteht, die durch eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung eines Arbeitnehmers vereitelt wird, so ist der entsprechende Nachteil als Schaden auszugleichen.

III. Ist der Beklagte danach verpflichtet, dem Kläger grundsätzlich auch den durch den Prämienmehraufwand entstandenen Schaden zu ersetzen, so schließt das nicht aus, daß die Haftung der Höhe nach durch die Grundsätze über die Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit begrenzt ist. Das Landesarbeitsgericht hat aber zutreffend angenommen, daß der Beklagte den Unfall grob fahrlässig verursacht hat. Der Beklagte haftet daher für den aus diesem Unfall entstandenen Schaden in vollem Umfang (vgl. BAG 7, 290 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).

 

Unterschriften

Dr. Dieterich, Dr. Gehring, Schnabel, Dr. Hoppe

zugleich für den durch Urlaub an der Unterschrift verhinderten Richter Schneider

 

Fundstellen

Haufe-Index 1458819

NJW 1982, 846

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