Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederholte Einlegung einer Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Rechtsmittel können wiederholt eingelegt werden. Ein Rechtsmittelführer kann deshalb bestimmen, ob er eine oder mehrere Berufungen gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil einlegen will. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung, kommt es auf das prozessuale Verhalten des Rechtsmittelführers an.
  • Wird die Berufung durch Telefax übermittelt und wird in diesem Schriftsatz die Zusendung beglaubigter Abschriften angekündigt, liegt allein in der Zusendung dieser Schriftstücke an das Berufungsgericht keine neue Einlegung einer Berufung (im Anschluß an BGH Beschluß vom 20. September 1993 – II ZB 10/93 – AP Nr. 62 zu § 518 ZPO = NJW 1993, 3141).
 

Normenkette

ZPO § 518 Abs. 1, § 236 Abs. 2 S. 2; ArbGG § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.06.1994; Aktenzeichen 1 Sa 44/94)

ArbG Koblenz (Urteil vom 18.11.1993; Aktenzeichen 1 Ca 1334/93)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juni 1994 - 1 Sa 44/94 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Berufung der Klägerin gegen ein klagabweisendes Urteil der ersten Instanz zulässig war. In der Sache selbst geht es um die Höhe der Versorgungsrente, die der Klägerin in den ersten drei Monaten nach dem Tod ihres Ehemannes zusteht.

Der Ehemann der Klägerin bezog ab 1. März 1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Seit 1. Mai 1984 erhielt er eine Versorgungsrente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Am 22. Juli 1992 verstarb der Ehemann. Die Versorgungsanstalt zahlte der Klägerin für die Monate August bis Oktober 1992 eine gekürzte Rente, weil die gesetzliche Rente des Ehemannes über dessen Tod hinaus drei Monate lang (“Sterbe-Viertel-Jahr”) weiter gezahlt wurde. Nach § 65 Abs. 3a Buchst. b der Satzung der Versorgungsanstalt wurde deshalb während dieses Zeitraumes nur die der Klägerin zustehende Mindestrente nach § 49 Abs. 4 der Satzung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 104,28 DM gezahlt.

Die Klägerin hat mit der Klage vom früheren Arbeitgeber ihres Ehemannes, der Bundesrepublik Deutschland, die Differenz zwischen diesem Betrag und der ihr grundsätzlich zustehenden Versorgungsrente gefordert. Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hat sie als Zahlstelle der beklagten Bundesrepublik Deutschland bezeichnet. Die Einführung der Ruhensregelung durch die 18. und 21. Änderung der Satzung sei rechtswidrig und damit rechtsunwirksam. Die Klägerin hat beantragt,

die beklagte Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, an sie 2.023,32 DM nebst 4 % Zinsen seit 2. Juli 1992 zu zahlen.

Die beklagte Bundesrepublik Deutschland hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht Schuldnerin des geltend gemachten Anspruchs. Die Satzungsänderungen seien wirksam.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin am 15. Dezember 1993 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. Januar 1994 legten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein. Sie fügten Seite 1 des erstinstanzlichen Urteils bei. Am Schluß des Schriftsatzes heißt es: “Abschriften erfolgen auf dem Postweg.” Beide Schriftstücke gingen am 14. Januar 1994 als Telefax beim Landesarbeitsgericht ein. Die in diesem Schriftsatz angekündigten Schriftstücke gingen am Montag, dem 17. Januar 1994, beim Landesarbeitsgericht ein. Die in diesem Schriftsatz angekündigten Schriftstücke gingen an Montag, dem 17. Oktober 1994, beim Landesarbeitsgericht ein mit dem Vermerk “Beglaubigte Abschrift”. Der Schriftsatz war beglaubigt vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin.

Mit einem Schriftsatz vom 16. Februar 1994, der wiederum per Telefax übermittelt wurde und am gleichen Tage beim Landesarbeitsgericht einging, beantragten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Der Schriftsatz enthält den Hinweis: “Abschriften folgen auf dem Postweg.” Am 17. Februar 1994 ging der vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beglaubigte Schriftsatz als “Beglaubigte Abschrift” beim Landesarbeitsgericht ein.

Am 23. Februar 1994 erhielt der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Hinweis des Landesarbeitsgerichts, daß der Antrag vom 16. Februar 1994 verspätet eingegangen sei. Die Frist zur Begründung der Berufung sei am 14. Februar 1994 abgelaufen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin habe bereits am 14. Januar 1994 Berufung eingelegt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der am 17. Januar 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Schriftsatz enthalte eine selbständige Berufung. Die Frist zur Begründung dieser Berufung sei erst am 17. Februar 1994 abgelaufen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Es hat den hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen. Die Klägerin will mit der Revision erreichen, daß das angefochtene Urteil aufgehoben und ihrem Sachantrag stattgegeben wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Die Berufung wurde nicht rechtzeitig begründet. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgewiesen.

I. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am 14. Februar 1994 ab (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Klägerin hat nur einmal, und zwar am 14. Januar 1994, Berufung eingelegt. Der am 17. Februar 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Schriftsatz enthält keine weitere Berufung.

1. Rechtsmittel können zwar wiederholt eingelegt werden. Jede dieser Erklärungen löst eine selbständige Frist zur Begründung der Berufung aus (vgl. BAG Beschluß vom 13. September 1972 – 2 AZB 32/71 – BAGE 24, 432 = AP Nr. 8 zu § 519b ZPO; BGHZ 24, 179; 45, 380, 383; 72, 1, 5; zuletzt Beschluß vom 20. September 1993 – II ZB 10/93 – AP Nr. 62 zu § 518 ZPO = NJW 1993, 3141; Zöller/Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 518 Rz 3; MünchKommZPO-Rimmelspacher, § 518 Rz 36 – 38).

2. Die Klägerin hat jedoch nur eine Berufung eingelegt, nämlich am 14. Januar 1994 durch den per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz. Die Übermittlung der beglaubigten Abschrift dieser Erklärung am 17. Januar 1994 ist, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, keine weitere selbständige Erklärung der Rechtsmittelführerin, sie wolle nochmals Berufung einlegen.

a) Der Rechtsmittelführer kann bestimmen, ob er eine oder mehrere Berufungen einlegen will. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung, ist das prozessuale Verhalten des Rechtsmittelführers entscheidend (BGH Beschluß vom 20. September 1993 – II ZB 10/93 – AP Nr. 62 zu § 518 ZPO = NJW 1993, 3141).

b) Das prozessuale Verhalten des Rechtsmittelführers läßt im vorliegenden Fall nicht erkennen, daß eine weitere Berufung eingelegt werden sollte. Die Übersendung von beglaubigten Abschriften und Abschriften für die Gegenseite war nur Teil einer einheitlich geplanten Prozeßhandlung, nämlich der Einlegung einer Berufung. Dieser Vorgang begann am 14. Januar 1994. Er wurde mit dem Einreichen der Abschriften vervollständigt. Die Ankündigung, es würden Abschriften nachgereicht, läßt ein anderes Verständnis nicht zu.

c) Die Einwendungen der Klägerin gegen diese rechtliche Würdigung sind nicht begründet.

Die Klägerin kann sich nicht auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Mai 1978 (– 1 AZR 664/75 – AP Nr. 42 zu § 518 ZPO) berufen. In diesem Rechtsstreit war nur zu entscheiden, ob die Einreichung einer beglaubigten Abschrift der Berufungsschrift die Form wahrt, in der das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden muß. Auch wenn man diese Frage bejaht, ist damit noch nicht entschieden, ob die Einreichung einer beglaubigten Abschrift eine selbständige Einlegung der Berufung enthält, wenn ihr bereits eine formgerechte Einlegung der Berufung mit Hilfe einer Fernkopie vorausgegangen war.

Die Klägerin kann weiter nicht geltend machen, ihre Prozeßbevollmächtigten hätten durch die Einreichung von beglaubigten Abschriften am 17. Januar 1994 die Frist zur Begründung der Berufung in vollem Umfange ausnutzen wollen. Tatsächlich haben die Prozeßbevollmächtigten nach ihren eigenen Erklärungen die Berufung nur deshalb per Telefax eingelegt, um die Berufungsfrist sicher zu wahren. So sind die Prozeßbevollmächtigten auch bei der Einreichung ihres Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist verfahren. Der Wille, erneut Berufung einzulegen, kommt in der Übersendung der beglaubigten Abschriften der Rechtsmittelschrift nicht hinreichend zum Ausdruck.

d) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Einreichung einer weiteren Berufungsschrift per Brief in der Regel als eine zusätzliche weitere Einlegung der Berufung zu verstehen ist (so BGH Beschluß vom 20. September 1993 – II ZB 10/93 – AP Nr. 62 zu § 518 ZPO = NJW 1993, 3141; kritisch Zöller/Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 518 Rz 18c). Im hier zu beurteilenden Verfahren ergibt sich aus dem gesamten prozessualen Verhalten und den Begleitumständen, daß die Prozeßbevollmächtigten keine neue und selbständige Berufungsschrift eingereicht haben.

3. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist konnte keinen Erfolg haben. Er ging erst nach Ablauf der Frist ein.

II. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zurückweisung des Antrags sorgfältig und zutreffend begründet. Die Revision enthält keine Angriffe gegen diese rechtliche Beurteilung.

Der Antrag der Klägerin konnte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin innerhalb der Antragsfrist die versäumte Prozeßhandlung, nämlich die Begründung der Berufung, nicht nachgeholt hat (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lief spätestens am 8. März 1994 ab, wenn man davon ausgeht, daß das Hindernis erst am 23. Februar 1994 beseitigt wurde. Das ist der Tag, an dem der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Hinweis des Gerichts erhalten hatte, die Begründungsfrist sei nicht gewahrt. Bis zum 8. März 1994 hätte die Klägerin auch die versäumte Prozeßhandlung, das ist die Begründung der Berufung, nachholen müssen. Die Berufungsbegründung ging aber erst am 14. März 1994 beim Landesarbeitsgericht ein.

Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist reicht als – vorab erfolgte – Nachholung der versäumten Prozeßhandlung nicht aus. Die Prozeßhandlung selbst, nämlich die Begründung der Berufung, ist nachzuholen (BGH Beschluß vom 13. Juli 1988 – IVa ZR 303/87 – NJW 1988, 3021; Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 236 Rz 8; MünchKommZPO-Feiber, § 236 Rz 18; a.A. Ganter, NJW 1994, 164, 166). Die Partei, die eine Frist versäumt hat, soll angehalten werden, innerhalb der Frist für die Wiedereinsetzung die versäumte Prozeßhandlung selbst nachzuholen. Sie soll so dafür sorgen, daß der weitere Ablauf des Rechtsstreits nicht mehr verzögert wird.

III. Streitigkeiten eines Versicherten mit der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder über die Berechnung der Versorgungsbezüge sind zwischen dem Versorgungsberechtigten und der Versorgungsanstalt auszutragen. Anhaltspunkte dafür, daß die Versorgungsbezüge der Klägerin nicht zutreffend berechnet wurden, bestehen nicht.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bröhl, Schwarze, G. Hauschild

 

Fundstellen

Haufe-Index 871620

BB 1996, 276

NJW 1996, 1365

JR 1996, 308

JR 1996, 395

NZA 1996, 278

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