Entscheidungsstichwort (Thema)

Karenzentschädigung nach Wettbewerbsverstoß

 

Leitsatz (redaktionell)

Hält der Arbeitnehmer nach einem Verstoß gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dieses wieder ein, so kann er auch wieder Karenzentschädigung verlangen. Der Arbeitgeber kann jedoch von den in § 325 BGB aufgezählten Rechten Gebrauch machen und sich von der Zahlungsverpflichtung befreien, wenn er an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots kein Interesse mehr hat.

 

Orientierungssatz

Vom Senat ist nicht zu prüfen, inwieweit der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung tatsächlich eine Auswahl aus den Listen, die von den dafür vorgesehenen Verbänden eingereicht werden, vornimmt oder sich an die Vorschläge der Verbände hält. Die Berufung der ehrenamtlichen Richter ist nicht schon deshalb nichtig, weil möglicherweise Mängel in dem Verfahren der Berufung bestehen.

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.08.1983; Aktenzeichen 15 Sa 842/83)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.02.1983; Aktenzeichen 7 Ca 6683/82)

 

Tatbestand

Der Kläger trat am 1. Oktober 1979 in die Dienste der Beklagten. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien ein Wettbewerbsverbot vereinbart, in dem der Kläger sich verpflichtet hat, während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses und innerhalb einer Sperrzeit von zwei Jahren nach dessen Beendigung in kein Konkurrenzunternehmen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin als Angestellter, Inhaber oder Teilhaber einzutreten, kein solches zu gründen oder sonstwie für es direkt oder indirekt - ganz gleich in welcher Rechtsform - tätig zu sein, sich an einem solchen auch nur finanziell zu beteiligen oder es mit Rat und Tat in irgendeiner Form zu unterstützen. Als Konkurrenzunternehmen gelten solche, die im räumlichen Geltungsbereich Waren herstellen, herzustellen beabsichtigen, vertreiben, Verfahren zu deren Erzeugung in anderer Weise verwerten, oder solche maschinellen Einrichtungen, Apparaturen, Meß-, Prüf- und Regeleinrichtungen konstruieren oder herstellen, die dem Entwicklungs-, Fabrikations- oder Vertriebsprogramm der Beklagten bei Abschluß des Wettbewerbsverbotes ganz oder teilweise entsprechen. Die Beklagte hat sich andererseits verpflichtet, eine Karenzentschädigung in der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthöhe zu zahlen. Sie ist ein Unternehmen, das Hochleistungsfilter für Druckluft und technische Gase herstellt und vertreibt. Mit Schreiben vom 15. Februar 1982 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 31. März 1982. Die Beklagte erklärte ihm am 16. Februar 1982 eine Änderungskündigung zum 31. März 1982, wonach der Arbeitsvertrag ein Wettbewerbsverbot nicht mehr enthalten sollte.

Am 1. April 1982 nahm der Kläger die Arbeit bei der C P GmbH, München, auf. Diese bezieht Filter von der Beklagten, baut sie in Filtergehäuse ein und vertreibt sie an ihre Kunden. Zwischen der Beklagten und der C P GmbH besteht für die Branchen Brauereien und Molkereien ein Kundenschutzabkommen. Darin haben sich die beiden Unternehmen verpflichtet, Listen derjenigen Kunden auszutauschen, bei denen sie weiter tätig sein wollen. Ferner übernahm die C P GmbH die Verpflichtung, für mindestens 300.000,-- DM Ultrafilter umzusetzen, während die Beklagte die Werbemaßnahmen unterstützen soll.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß auch die C P GmbH zu ihren Wettbewerbern gehört. Ein Kundenschutzabkommen bestehe nur für ein verhältnismäßig kleines Gebiet in Bayern und nur für einige Branchen. Darauf beendete der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 31. März 1983.

Der Kläger hat behauptet, er habe ausschließlich Geräte vertrieben, in die Filter der Beklagten eingebaut gewesen seien. Außerdem habe er nur solche Unternehmen besucht, für die die C P GmbH Kundenschutz gehabt habe. Da er sich damit an das Wettbewerbsverbot gehalten habe, müsse diese Karenzentschädigung zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

35.819,20 DM nebst 4 % Zinsen aus je

2.238,70 DM seit dem jeweiligen Monats-

ersten fortlaufend ab dem 1. Mai 1982

zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und auf ihre Widerklage den Kläger zu verurteilen,

1. über Art und Umfang seiner Tätigkeit

für die Firma P Auskunft zu er-

teilen;

2. die Richtigkeit seiner Angaben an Ei-

des statt zu versichern.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe verbotenen Wettbewerb betrieben. Die C P GmbH sei nicht verpflichtet gewesen, die Filter bei ihr zu beziehen. Tatsächlich beziehe sie auch Filter von anderen Unternehmen und vertreibe sie auch in nicht geschützte Gebiete.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte für die Zeit vom 1. April 1983 bis zum 1. Juli 1983 zur Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 8.954,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Fälligkeitstag verurteilt. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die vollständige Klageabweisung erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht kann über die Revision befinden.

In der Sozialgerichtsbarkeit sind Bedenken aufgetaucht, ob die ehrenamtlichen Richter in einer der Verfassung entsprechenden Weise in das Richteramt berufen worden sind (vgl. Presseinformation des BSG Nr. 59/85 vom 20. August 1985). Da § 43 Abs. 1 Satz 2 ArbGG und § 45 Abs. 2 SGG wegen der Berufung der ehrenamtlichen Richter am Bundesarbeitsgericht und am Bundessozialgericht im Wortlaut übereinstimmen, bestand für den Senat Veranlassung, seine ordnungsgemäße Besetzung von Amts wegen zu prüfen (BVerfGE 40, 356, 357, 360). Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt.

1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 43 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sind nicht begründet. Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt durch staatliche Gerichte ausgeübt. Hierzu gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 18, 241, 253 f.; 26, 186, 194 ff.; 27, 312, 320; 48, 300, 315; 54, 159, 166 ff.), daß die Gerichte auch in personeller Hinsicht hinreichend an den Staat gebunden sind. Staatliche Gerichtsbarkeit muß nicht nur auf staatlichem Gesetz beruhen und der Erfüllung staatlicher Aufgaben dienen; das Organ, das sie ausübt, muß auch personell vom Staat entscheidend bestimmt sein.

Diesem Erfordernis genügt § 43 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Dort ist vorgeschrieben, daß die ehrenamtlichen Richter vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung berufen werden und "im angemessenen Verhältnis unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten aus den Vorschlagslisten zu entnehmen" sind, die von den dafür vorgesehenen Verbänden eingereicht werden. Die Zusammensetzung des Gerichts wird danach vom zuständigen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung entscheidend dadurch bestimmt, daß dieser die ehrenamtlichen Richter aufgrund eigener Entscheidung den Vorschlägen der Verbände entnimmt, diese aber nicht übernehmen muß. Wenn er bei der gebotenen umfassenden Überprüfung dazu gelangt, einzelne oder mehrere vorgeschlagene ehrenamtliche Richter nicht zu ernennen, ist es ihm unbenommen, weitere Vorschläge anzufordern (BVerfGE 26, 186, 197; 27, 312, 321).

2. Inwieweit der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung tatsächlich eine Auswahl aus den Listen vornimmt oder sich an die Vorschläge der Verbände hält, ist vom Senat nicht zu prüfen. Die Berufung der ehrenamtlichen Richter ist nicht schon deshalb nichtig, weil möglicherweise Mängel in dem Verfahren der Berufung bestehen. Selbst wenn ehrenamtliche Richter nur aufgrund von Einzelvorschlägen oder von Listen berufen werden, die nicht mehr Namen enthalten als ehrenamtliche Richter zu berufen sind, kann daraus nicht geschlossen werden, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung sich an den Vorschlag für gebunden hielt und sich - gesetzwidrig - seiner Befugnis begeben hätte, die Zusammensetzung des Bundesarbeitsgerichts entscheidend zu bestimmen.

II. Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht für die Zeit vom 1. April 1983 bis zum 31. Juli 1983 Karenzentschädigung zu, wie er es am Schluß der Berufungsverhandlung ohne Rüge der Beklagten (§ 531 ZP0) auch zuletzt beantragt hatte.

1. Die Parteien haben in dem Arbeitsvertrag vom 7. August 1979 ein Wettbewerbsverbot vereinbart, aufgrund dessen sich der Kläger zur Unterlassung von Wettbewerb und die Beklagte als Gegenleistung zur Zahlung einer Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe verpflichtet hat. Die Voraussetzungen der Zahlungspflicht sind zumindest seit dem 1. April 1983 eingetreten. Seit diesem Zeitpunkt enthält sich der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts des Wettbewerbs. Hiergegen sind Verfahrensrügen nicht erhoben. Wegen der Berechnung der Karenzentschädigung sind Einwendungen von der Beklagten nicht geltend gemacht. Hieran ist der Senat gebunden (§ 561 ZP0).

2. Die Beklagte irrt, wenn sie die Auffassung vertritt, das Wettbewerbsverbot habe infolge einseitiger Lossagung mit dem 31. März 1983 sein Ende gefunden. Nach § 75 a HGB kann der Arbeitgeber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, daß er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung frei wird. Eine derartige Erklärung hat die Beklagte nicht abgegeben. Mit ihrem Schreiben vom 16. Februar 1982 hat sie eine Änderungskündigung ausgesprochen und den Abschluß eines Arbeitsvertrages ohne Wettbewerbsverbot angeboten. Eine Änderungskündigung unterscheidet sich jedoch von der Lossageerklärung nach § 75 a HGB. Sie geht über deren Wirkungen weit hinaus. Mit der Änderungskündigung und dem Angebot des abgeänderten Arbeitsvertrages ohne Wettbewerbsverbot sollen die Wirkungen und Nachwirkungen des Wettbewerbsverbots mit sofortiger Wirkung beseitigt werden. Dagegen läßt die Lossageerklärung des § 75 a HGB, die Verpflichtung des Arbeitgebers, noch für ein Jahr die Karenzentschädigung zu zahlen, unberührt.

3. Rechtsirrig ist die Auffassung der Beklagten, der Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung sei erloschen, weil er bis zum 31. März 1983 Konkurrenz gemacht habe.

a) Das Wettbewerbsverbot ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem die Unterlassungspflicht und die Entschädigungspflicht zueinander in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Daher sind grundsätzlich die Regeln über Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag anzuwenden (BAG Urteil vom 5. August 1968 - 3 AZR 128/67 -, AP Nr. 24 zu § 74 HGB, zu III 1, 4 der Gründe; Urteil vom 5. Oktober 1982 - 3 AZR 451/80 -, AP Nr. 42 zu § 74 HGB, zu II 2 b und III 2 b der Gründe; Buchner, Wettbewerbsverbot, 1981, S. 100; Röhsler/Borrmann, Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981, S. 72; alle mit weiterem Nachweis).

b) Wird in einem gegenseitigen Vertrag dem Schuldner die Leistung aus Gründen unmöglich, die er zu vertreten hat, so kann der Gläubiger die Rechte aus § 325 Abs. 1 BGB geltend machen. Er kann bei Vorliegen eines durch die Unmöglichkeit begründeten Schadens Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung erheben (§ 325 Abs. 1 Satz 1 BGB); bei teilweiser Unmöglichkeit ist er berechtigt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit zu verlangen, wenn die teilweise Erfüllung des Vertrages für ihn kein Interesse hat (§ 325 Abs. 1 Satz 2 BGB). Insoweit kann der Anspruch auf Karenzentschädigung für die Gesamtzeit erlöschen. Der Gläubiger kann ferner vom Wettbewerbsverbot zurücktreten (§ 325 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder statt dieser Rechte das Wettbewerbsverbot für beendet erklären (§ 325 Abs. 1 Satz 3 BGB in Verb. mit § 323 Abs. 1 BGB). Soweit im Schrifttum nach einer Wettbewerbshandlung des Arbeitnehmers von einem Erlöschen des Anspruches auf Karenzentschädigung für die gesamte Folgezeit ausgegangen wird (Schlegelberger/Schröder, HGB, 5. Aufl., 1973, § 74 Rz 16 b; LAG Baden-Württemberg, AR-Blattei, Wettbewerbsverbot: Entscheidung 16), vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Infolge des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot ist dem Kläger aus Gründen, die er zu vertreten hat, die Erfüllung seiner Unterlassungspflichten teilweise unmöglich geworden. Die Beklagte hat hieraus irgendwelche Konsequenzen nicht gezogen, obwohl der Kläger bereits im Jahre 1982 Klage auf Zahlung einer Karenzentschädigung erhoben hat und spätestens mit der Berufungsbegründung vom 9. Juni 1983 mitgeteilt hat, daß er sein Arbeitsverhältnis zur C P GmbH wieder gekündigt habe. Es fehlt jeglicher Sachvortrag der Beklagten, warum sie an einer teilweisen Erfüllung des Wettbewerbsverbots kein Interesse hat. Dann muß sie aber Karenzentschädigung zahlen.

Schaub Griebeling Schneider

Kynast Dr. Hoppe

 

Fundstellen

Haufe-Index 438630

BB 1986, 462-462 (LT1)

DB 1986, 178-178 (LT1)

NJW 1986, 1192

NJW 1986, 1192-1193 (LT1)

AuB 1986, 192-192 (T)

Stbg 1986, 171-172 (T)

ARST 1986, 124-125 (LT1)

NZA 1986, 134-135 (LT1)

RdA 1986, 66

WM IV 1986, 394-395 (LT1)

AP § 74 HGB (LT1), Nr 49

AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit IV Entsch 31 (ST)

AR-Blattei, ES 160.4 Nr 31 (ST)

AR-Blattei, ES 1830 Nr 146 (LT1)

AR-Blattei, Wettbewerbsverbot Entsch 146 (LT1)

EzA § 74 HGB, Nr 46 (LT1)

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