Entscheidungsstichwort (Thema)

Detektivkosten als Schaden

 

Orientierungssatz

Ersatzpflicht für Kosten für Testkäufe und Vernehmungen durch Detektei bei laufenden Geschäftsbeziehungen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 142, 157, 249, 254, 280, 286, 315, 394, 611, 823, 123; StGB §§ 242, 246, 266

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 05.04.1984; Aktenzeichen 6 Sa 74/83)

ArbG Hameln (Entscheidung vom 15.02.1983; Aktenzeichen 1 Ca 78/82)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Einzelhandelsunternehmen mit zahlreichen Filialen. Die Beklagte war seit Mitte 1975 in der Filiale R als Verkäuferin tätig. Ab Mitte 1980 wurde sie daneben zeitweise als Kassiererin eingesetzt. Während ihrer Kassentätigkeit machte sie sich gelegentlich Notizen, deren Inhalt streitig ist. Nach ihrer Behauptung bezogen sich die Notizen auf Waren, die aufgefüllt werden mußten. Nach der Behauptung der Klägerin schrieb die Beklagte jedoch DM-Beträge auf. Dadurch sei bei der Filialleiterin der Verdacht entstanden, daß die Beklagte diese Beträge zwar vereinnahmt, aber nicht in die Kasse eingetippt und beabsichtigt habe, die notierten Beträge später zur eigenen Verwendung der Kasse zu entnehmen. Die Klägerin erteilte deshalb der A Ermittlungsgesellschaft mbH in L (im folgenden: Ermittlungsgesellschaft), mit der sie seit Jahren zusammenarbeitet, den Auftrag, die Beklagte zu überwachen. Die Ermittlungsgesellschaft führte am 2. und 4. Juni 1981 durch einen aus L angereisten Detektiv sechs Testkäufe durch. In drei Fällen tippte die Beklagte nicht den richtigen Kaufpreis in die Kasse ein. Statt zweier Beträge in Höhe von 26,-- DM und 17,50 DM, die sie passend erhielt, tippte sie nur 6,-- DM und 7,50 DM. In einem dritten Fall tippte sie den Kaufpreis von 29,-- DM überhaupt nicht. Der Detektiv hielt nach Auswertung der Kassenstreifen am 11. Juni 1981 der Beklagten das Ergebnis seiner Ermittlungen vor. Die Beklagte unterzeichnete während dieses Gesprächs ein vorgedrucktes Schreiben mit der Überschrift "Schuldanerkenntnis- und Bürgschaftsvertrag". Darin heißt es:

"Ich erkläre hiermit, der Firma "I "

einen Betrag zu schulden in Höhe DM 800,--

(achthundert) zuzüglich Kosten.

Zur Zahlung der Schuld verpflichte ich mich

wie folgt:

1. sofort in bar

2. in monatlichen Raten von DM 100,--

3. Beginn der monatlichen Ra-

ten am 1.7.1981

4. spätester Zahlungstermin

ist der 5. eines jeden Mo-

nats

5. bei Nichteinhalten dieser

Zahlungsvereinbarung wird

automatisch der Gesamtbe-

trag fällig

R 11.6.1981 Unterschrift"

In einem als "Aussage" bezeichneten Schreiben gab die Beklagte an, sie sei unehrlich gewesen und habe an der Kasse Gelder unterschlagen. Der gesamte Schaden belaufe sich, soweit sie sich entsinnen könne, auf etwa 800,-- DM. In einem handgeschriebenen Brief an den Geschäftsführer der Klägerin räumte sie ein, sie habe in der Filiale einige Male Geld entwendet, wolle aber nicht, daß jeder dies erfahre, und bitte daher, aus ihrem Arbeitsvertrag ohne Schwierigkeiten ausscheiden zu dürfen. Auch diese Schreiben tragen das Datum vom 11. Juni 1981.

Das Arbeitsverhältnis wurde noch an diesem Tag aufgelöst. Den Restlohn der Beklagten in Höhe von 779,27 DM verrechnete die Klägerin gegen die anerkannten 800,-- DM. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung der restlichen 20,73 DM sowie die Erstattung weiterer 2.408,92 DM, die die Ermittlungsgesellschaft ihr berechnete. Mit Rechnung vom 9. Juni 1981 forderte die Ermittlungsgesellschaft für die Durchführung der sechs Testkäufe 635,62 DM. Diesen Betrag schlüsselte sie wie folgt auf:

6 TE a DM 90,-- DM 540,--

Telefonkosten DM 22,50

---------

DM 562,50

13 % MWSt. DM 73,12

---------

DM 635,62

=========

Mit Rechnung vom 13. Juni 1981 forderte die Ermittlungsgesellschaft für die "Vernehmung" vom 11. Juni 1981 von der Klägerin weitere 1.773,30 DM . Diesen Betrag begründete sie im einzelnen wie folgt:

1 Detektiv, Anfahrt 5 Stunden

Vernehmung von 12.00 Uhr -

18.00 Uhr = 6 Std.

Rückfahrt 5 Stunden

Gesamt 16 Std. a DM 50,-- DM 800,--

10 % Grundhonorar DM 80,--

Gef. km 924 a DM 0,70 DM 646,80

Spesen DM 30,--

Telefonkosten DM 12,50

-----------

DM 1 569,30

13 % MWSt. DM 204,00

-----------

DM 1 773,30

===========

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihr aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes für die entstandenen Kosten einzustehen. Die Filialleiterin habe mehrfach beobachtet, daß die Beklagte sich Notizen gemacht habe. Als die am 28. Januar 1981 durchgeführte Inventur eine ungewöhnliche Minusdifferenz von über 11.000,-- DM (1,64 % des Umsatzes) ergeben habe, habe sie keine andere Möglichkeit gesehen, als die mit ihrem Betrieb seit langem vertraute Ermittlungsgesellschaft mit der Aufklärung der gegen die Beklagte sprechenden Verdachtsmomente zu beauftragen. Die Filialleiterin sei dazu außerstande gewesen. Auch besitze sie - die Klägerin - kein sonstiges Personal, das in der Aufklärung derartiger Veruntreuungen geschult sei. Die Kosten für die Ermittlungsgesellschaft seien somit notwendige und angemessene Aufwendungen, die die Beklagte als Schaden ersetzen müsse. Bei der Inventur vom 30. Juni 1981 habe der Fehlbestand 9.612,-- DM (1,37 % des Umsatzes) betragen. Seit dem Ausscheiden der Beklagten ergäben sich wieder normale Differenzsätze.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie

2.429,65 DM nebst 8 % Zinsen seit dem

6. November 1981 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung und im Wege der Widerklage beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie

779,27 DM nebst 4 % Zinsen seit dem

30. März 1982 zu zahlen.

Mit Schreiben ihres Prozeßvertreters vom 26. März 1982 hat die Beklagte das Schuldanerkenntnis wegen Drohung angefochten. Der Detektiv habe sie mit den Beschuldigungen verwirrt und gedroht, die Polizei zu holen, falls sie nicht unterschreibe. Die Klageforderung sei unbegründet. Daher müsse ihr die restliche Vergütung ausgezahlt werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 20,73 DM stattgegeben und sie im übrigen ebenso wie die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin die Beklagte zur Zahlung weiterer 240,-- DM verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen, ebenso die Anschlußberufung der Beklagten, mit der diese ihren Widerklageantrag weiterverfolgt hatte. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag in vollem Umfang weiter. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Verurteilung durch das Landesarbeitsgericht und verfolgt den Widerklageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet (A). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Beklagte muß über den Betrag von 20,73 DM, den das Arbeitsgericht der Klägerin rechtskräftig zuerkannt hat, und von weiteren 240,-- DM, den das Landesarbeitsgericht der Klägerin zugesprochen hat, hinaus 395,62 DM an die Klägerin zahlen. Im übrigen bedarf es bezüglich der Klage noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (B).

A. Revision der Klägerin.

I. Die Klägerin kann von der Beklagten Ersatz der Kosten verlangen, die ihr dadurch entstanden sind, daß ein Detektiv sechs Testkäufe durchgeführt hat. Da die Ermittlungsgesellschaft für diese Tätigkeit unstreitig den in der Rechnung an die Klägerin vom 9. Juni 1981 geforderten Betrag von 635,62 DM zu beanspruchen hat, ist die Klägerin in dieser Höhe geschädigt. Ihr sind daher über den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag von 240,-- DM hinaus weitere 395,62 DM zuzuerkennen.

1. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Detektivkosten folgt aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung (§§ 280, 286 BGB analog) und dem der unerlaubten Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 242 StGB).

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte aus der Kasse Geld entnommen und somit vorsätzlich ihre arbeitsvertraglichen Pflichten und das Eigentum der Klägerin verletzt hat. Dies hat die Revision nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen.

2. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten den Schaden verursacht, der der Klägerin durch die Beauftragung der Ermittlungsgesellschaft entstanden ist.

Überträgt der Arbeitgeber anläßlich eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers und läßt sich so eine vertragswidrige und unerlaubte Handlung nachweisen, so sind die durch das Tätigwerden des Detektivs entstandenen Kosten eine adäquate Folge des schädigenden Verhaltens. Ohne die Rechtsverletzung wäre die Beauftragung des Detektivs nicht erforderlich gewesen. Es liegt nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, daß der Arbeitgeber, der von Unkorrektheiten seines Arbeitnehmers erfährt, diesen von einer in der Ermittlungstätigkeit erfahrenen Person überwachen und überführen läßt.

Ohne daß die Revision dies angegriffen hätte, hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Beklagte sich während ihrer Tätigkeit als Kassiererin auf einem Zettel Notizen machte und die Beklagte dies zum Anlaß nahm, die Ermittlungsgesellschaft mit der Überwachung der Klägerin zu beauftragen.

3. Die Haftung der Beklagten entfällt nicht deshalb, weil sie gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen wäre.

a) Die Bestimmung des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG steht dem Schadenersatzanspruch nicht entgegen. Nach ihr besteht im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes. Diese Regelung begrenzt zwar nicht nur den prozessualen, sondern in dem geregelten Umfang auch den zivilrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (BAG 24, 486 = AP Nr. 13 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten). Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, werden die Detektivkosten jedoch von dieser Anspruchsbeschränkung nicht erfaßt (vgl. auch Lepke, DB 1985, 1231, 1233, 1234).

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Schadenersatzpflicht der Beklagten nicht auf den im "Schuldanerkenntnis- und Bürgschaftsvertrag" vom 11. Juni 1981 genannten Betrag von 800,-- DM beschränkt. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die vertragliche Festlegung, nach der die Beklagte den Betrag von 800,-- DM "zuzüglich Kosten" schuldet, nicht so zu verstehen ist, daß der zu ersetzende Schaden auf den Betrag von insgesamt 800,-- DM begrenzt werden sollte.

4. Dem Anspruch auf Ersatz der entstandenen Detektivkosten kann die Beklagte auch nicht Grundsätze der Schadensberechnung entgegenhalten.

a) Nicht zu dem adäquat verursachten und damit erstattungsfähigen Schaden rechnen sogenannte Vorsorgekosten (vgl. BGHZ 75, 230 ff. m.w.N.). Bei betrieblichen Vorsorgekosten, etwa für ein internes Kontrollsystem, entfällt der Aufwand nicht, falls die schädigende Handlung hinweggedacht wird. Derartige Kosten entstehen unabhängig vom konkreten schadenstiftenden Ereignis als ständige Betriebsausgaben. Deshalb sind auch die Personalkosten eines festangestellten Hausdetektivs nicht als Schadensfolge einzelner Unterschlagungen oder Diebstähle anzusehen; es fehlt der Bezug zur konkreten Rechtsverletzung (vgl. auch Lepke, aaO, S. 1235).

Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Ermittlungsgesellschaft sei praktisch der Hausdetektiv der Klägerin, da sie immer von dieser beauftragt werde und mit deren Organisation vertraut sei. Es hat dabei zutreffend darauf hingewiesen, daß es nicht darauf ankommt, ob der Hausdetektiv in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht; die Kosten, die er verursacht, können auch dann als Vorsorgekosten anzusehen sein, wenn ein selbständiger Detektiv die Funktion eines Hausdetektivs ausübt. So liegt der Fall jedoch nicht.

Unstreitig ist zwar, daß die Klägerin bei Verdacht eines Diebstahls oder einer Unterschlagung durch Arbeitnehmer immer die Ermittlungsgesellschaft mit der Aufklärung betraut. Der Sachverhalt läßt jedoch nicht erkennen und die Beklagte hat auch nicht behauptet, daß die Klägerin die Ermittlungsgesellschaft regelmäßig und selbst dann auf ihre Kosten tätig werden läßt, wenn sie keinen konkreten Verdacht hegt.

b) Daß die Beklagte die Detektivkosten freiwillig aufgewendet hat, nimmt diesen nicht den Charakter eines zu ersetzenden Schadens. Auch wenn die Voraussetzungen des § 249 Satz 2 BGB nicht erfüllt sind, erstreckt sich die Schadenersatzpflicht auf Aufwendungen des Geschädigten, soweit sie nach den Umständen des Falles als notwendig anzusehen sind (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 45. Aufl., Vorbem. 5 d bb vor § 249 m.w.N.). Als Schaden sind solche Aufwendungen nur dann nicht anzusehen, wenn sie dem Schädiger nicht zuzurechnen sind. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Beauftragung des Detektivbüros und damit die Entstehung der entsprechenden Kosten durch das Verhalten der Beklagten veranlaßt worden.

5. Soweit die Klägerin Ersatz für die Durchführung der sechs Testkäufe verlangt, ist die Klage auch der Höhe nach gerechtfertigt. Die Testkäufe waren erforderlich, um die Beklagte als Schädigerin zu überführen. Dies haben die von der Beklagten nicht bestrittenen Feststellungen des Detektivs ergeben. Die unrichtigen Eindrucke auf dem Kassenstreifen stimmten mit dem Inhalt der Kasse überein, die Beklagte entnahm der Kasse also den nicht eingedruckten Betrag. Unerheblich ist, daß der Klägerin die Zusammenhänge im einzelnen erst nachträglich deutlich wurden. Die vertragsbrüchige Partei hat der anderen sogar Aufwendungen zu ersetzen, die diese macht, um (auch nur vermeintlich) drohende Nachteile abzuwenden (vgl. BGH LM § 376 HGB Nr. 2; WM 1972, 556, 558; BAG JZ 1976, 720, 721). Einen Hinweis darauf, daß die Beklagte ihr Nachteile zufügen würde, hatte die Klägerin bereits durch die Beobachtung der verdächtigen Aufschreibungen der Beklagten erhalten.

II. Ob die Beklagte auch die weiteren 1.773,30 DM, die die Ermittlungsgesellschaft mit Rechnung vom 13. Juni 1981 gegenüber der Klägerin geltend gemacht hat, ganz oder teilweise ersetzen muß, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht beurteilt werden.

1. § 249 Satz 2 BGB begrenzt den Ersatzanspruch auf den Geldbetrag, der zur Herstellung des unbeschädigten Zustandes erforderlich ist. § 254 BGB verlangt vom Geschädigten allgemein die Rücksichtnahme auf das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung des Schadens. Daraus ist zu entnehmen, daß die Grenze für die Ersatzpflicht sich nach den Maßnahmen richtet, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich ergriffen haben würde; maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem die Maßnahme zu treffen war (Betrachtung "ex ante"), insbesondere das zu jenem Zeitpunkt Mögliche und Zumutbare (vgl. BGHZ 75, 230, 241; 66, 182, 192 m.w.N.).

Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze nicht ausreichend beachtet. Es hätte prüfen müssen, ob es im Hinblick auf die tatsächlichen Besonderheiten des Falles einer sechsstündigen Vernehmung der Beklagten (von 12.00 bis 18.00 Uhr) bedurfte und ob dafür die Beauftragung eines Detektivbüros aus L erforderlich war, was zu einer Verteuerung um weitere zehn Stundensätze in Höhe von je 50,-- DM und um Fahrtkosten in Höhe von 646,80 DM führte. Die Klägerin hat insoweit nur geltend gemacht, die Ermittlungsgesellschaft sei mit den Verhältnissen ihres Betriebes besonders vertraut. Dies ist jedoch nur eine Wertung der Klägerin und belegt nicht, warum nur die mehr als 450 km entfernt ansässige Ermittlungsgesellschaft für die Bearbeitung des Vorgangs in Betracht kam. Da es sich bei dem Verhalten der Beklagten um Verfehlungen handelt, wie sie auch in anderen Ladengeschäften jederzeit vorkommen können, hätte die Klägerin näher darlegen müssen, warum nicht ein Detektivbüro aus R oder dessen Umgebung das Geschehen aufklären konnte. Auch das angefochtene Urteil enthält insoweit keine Erwägungen. Dessen Aufhebung und die Zurückverweisung an den Tatrichter war deshalb geboten.

Sollte die Klägerin in der erneuten Berufungsverhandlung ihren bisherigen Vortrag nicht ergänzen können, wird das Berufungsgericht den entstandenen Schaden gegebenenfalls nach § 287 ZPO schätzen und einen Abzug wegen der unnötigen Mehrkosten vornehmen müssen.

2. Der Senat kann die Revision der Klägerin nicht deshalb zurückweisen, weil die Teilabweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht aus anderen Gründen im Ergebnis berechtigt wäre (§ 563 ZPO).

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klageanspruch stelle sich als Erfüllungsanspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen "Schuldanerkenntnis- und Bürgschaftsvertrag" dar. Es hat die Erklärung der Beklagten, sie schulde einen Betrag in Höhe von 800,-- DM "zuzüglich Kosten", als konstitutives Schuldanerkenntnis angesehen, das hinsichtlich der "Kosten" die Bestimmung der Leistung der Klägerin überlassen habe. Die von der Klägerin vorgenommene Leistungsbestimmung hat es als unbillig angesehen und statt dessen gemäß § 315 Abs. 3 BGB durch Urteil einen Betrag in Höhe von 30 % der anerkannten 800,-- DM bestimmt. Dies ist nicht überzeugend.

b) Allerdings ist ein Schuldner nicht gehindert, sich in einem konstitutiven Schuldanerkenntnis in der Weise zu verpflichten, daß die Leistung durch seinen Vertragspartner bestimmt werden soll. Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, § 315 Abs. 1 BGB auch auf Schuldanerkenntnisverträge anzuwenden. Bei der Erklärung der Beklagten vom 11. Juni 1981 handelte es sich jedoch nicht um ein konstitutives Schuldanerkenntnis. Die Beklagte war beim Diebstahl ertappt worden und gab diesen zu. Sie räumte damit ein, daß sie ihrem Arbeitgeber aus der Verletzung des Arbeitsvertrags und aus unerlaubter Handlung Schadenersatz schuldete. Das Anerkenntnis ist somit nach §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, daß die Parteien die Schuld hinsichtlich des durch die Diebstahlshandlungen eingetretenen Schadens der Höhe nach festlegen wollten; die Beklagte sollte nicht geltend machen können, der Schaden betrage weniger als 800,-- DM. Jedoch im übrigen, also hinsichtlich der "Kosten", wollten die Parteien auf die gesetzlichen Ansprüche der Klägerin Bezug nehmen. Die Beklagte erkannte an, neben den 800,-- DM die Kosten zu schulden, die sie aufgrund ihres Verhaltens nach §§ 249 ff. BGB zu tragen hatte.

Einer solchen Auslegung eines unmittelbar nach der Vertragsverletzung erteilten Schuldanerkenntnisses hat der Senat in seinem Urteil vom 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - (zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) in einem vergleichbaren Fall zugestimmt. Ihr steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, daß die "Kosten" möglicherweise höher sind als die "Hauptsumme" von 800,-- DM. Bei Beurteilung der Frage, welche Ermittlungskosten in einem Fall von Diebstahl, Unterschlagung oder Untreue wirtschaftlich vertretbar sind, muß von dem Schaden ausgegangen werden, der entstehen könnte, wenn die Vertragsverletzungen über längere Zeit unbemerkt fortgesetzt würden. Die in der Vergangenheit nachweisbar angerichteten Schäden sind nicht entscheidend. Dies verkennt das Landesarbeitsgericht, soweit es meint, die zu dem ziffernmäßig bezeichneten Betrag von 800,-- DM hinzukommenden Kosten dürften nicht höher sein, als ein Bruchteil dieses Betrages. Auch ein Arbeitnehmer, der sich auf eine vergleichsweise Regelung wie die vorliegende einläßt, muß davon ausgehen, daß die (zunächst unbezifferten) Unkosten, die dem Arbeitgeber durch den Nachweis der Vertragsverletzung entstanden sind, höher sein können als die bezifferte Ersatzsumme, mit der der Arbeitgeber sich im Hinblick auf seine Beweisnot vereinbarungsgemäß begnügt.

B. Revision der Beklagten.

I. Soweit die Beklagte sich dagegen wendet, daß das Landesarbeitsgericht sie zur Zahlung von 240,-- DM verurteilt hat, ergibt sich die Unbegründetheit ihrer Revision daraus, daß sie bereits aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen zur Zahlung in Höhe von 635,62 DM verpflichtet ist (vgl. oben A I).

II. Den mit der Revision weiterverfolgten Widerklageantrag hat das Landesarbeitsgericht zu Recht als unbegründet beurteilt. Die Klägerin hat mit ihrem Schadenersatzanspruch, soweit die Parteien diesen im "Schuldanerkenntnis- und Bürgschaftsvertrag" vom 11. Juni 1981 ziffernmäßig festgestellt haben, gegen den Anspruch der Beklagten auf Restlohn in Höhe der geltend gemachten 779,27 DM wirksam aufgerechnet.

1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Beklagte das Schuldanerkenntnis nicht wirksam angefochten und somit dessen einwendungsausschließende Funktion nicht rückwirkend beseitigt hat (§ 142 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Detektiv habe sie mit den ausgesprochenen Beschuldigungen verwirrt und ihr gedroht, die Polizei zu holen, falls sie nicht unterschreibe. Darin lag keine widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB, die die Beklagte zur Anfechtung des Anerkenntnisvertrages berechtigt hätte.

Die Willensbeeinflussung durch Drohung ist dann widerrechtlich, wenn die Benutzung des an sich zulässigen Mittels, hier der Strafanzeige, zu dem erstrebten - nicht widerrechtlichen - Zweck, hier Ersatz des Schadens, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Die Drohung mit einem an sich erlaubten Mittel ist in der Regel nicht widerrechtlich, wenn der Drohende einen Anspruch auf den erstrebten Erfolg hat (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, § 123 Anm. 3 b cc m.w.N.). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, den diese in der Erklärung vom 11. Juni 1981 anerkannte.

2. § 394 Satz 1 BGB, wonach eine Aufrechnung gegen eine Forderung nicht stattfindet, wenn diese nicht der Pfändung unterworfen ist, findet auf den unpfändbaren Teil der Restlohnforderung der Beklagten keine Anwendung. Der mit dieser Bestimmung zugunsten des Arbeitnehmers gewollte Sozialschutz greift nicht ein, wenn die Berufung auf die Aufrechnungssperre gegen Treu und Glauben verstößt. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich bei einer vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber verübten treuwidrigen und vorsätzlichen Nachteilszufügung nach den gesamten Umständen des Einzelfalls (vgl. BAG 9, 137, 144 = AP Nr. 5 zu § 394 BGB, zu 4 b der Gründe und BAG 16, 228, 236 = AP Nr. 9 zu § 394 BGB, zu III 2 der Gründe; Urteil vom 16. Oktober 1984 - 3 AZR 522/82 -, zu II 2 b der Gründe). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Klägerin fortgesetzt und vorsätzlich in strafbarer Weise geschädigt. Der Sozialschutz nach § 394 Abs. 1 BGB kann daher zugunsten der Beklagten nicht eingreifen.

Dr. Dieterich Griebeling Dr. Peifer

Weinmann Zilius

 

Fundstellen

BB 1987, 689

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