Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. Beteiligte

 

Normenkette

ArbGG § 83 Abs. 3; BetrVG § 18 Abs. 2, § 47 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 22.01.2004; Aktenzeichen 9 TaBV 71/03)

ArbG Kassel (Beschluss vom 01.04.2003; Aktenzeichen 6 BV 1/03)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Januar 2004 – 9 TaBV 71/03 – teilweise aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 1. April 2003 – 6 BV 1/03 – teilweise abgeändert.

Die Anträge des Gesamtbetriebsrats werden insgesamt zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten haben im Wesentlichen über die Frage gestritten, ob der zu 2) beteiligte Verein und die aus ihm ausgegliederte GmbH (Beteiligte zu 3) einen Gemeinschaftsbetrieb führen.

Der Beteiligte zu 2) unterhält in K… zwei Betriebe, eine Klinik und ein Altenpflegeheim. In beiden Betrieben war jeweils ein Betriebsrat gewählt. Die Betriebsräte beauftragten im Mai 2003 den Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 2 BetrVG mit der Durchführung eines Beschlussverfahrens zur Feststellung des Bestehens eines Gemeinschaftsbetriebs des Vereins und der GmbH in K… sowie der sich daraus ergebenden Beteiligungsrechte.

Soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, hat der Gesamtbetriebsrat beantragt,

festzustellen, dass der Beteiligte zu 2) und die Beteiligte zu 3) einen gemeinsamen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 BetrVG führen.

Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat dem im Beschwerdeverfahren als Hilfsantrag gestellten Antrag des Gesamtbetriebsrats entsprochen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Beteiligten zu 2) und 3) verfolgen mit der am 12. Mai 2004 eingelegten Rechtsbeschwerde ihren Zurückweisungsantrag weiter. Nach der Anhörung vor dem Beschwerdegericht sind die Einzelbetriebsräte zurückgetreten. Für die Betriebsstätten der Beteiligten zu 2) und 3) wurde in der anschließenden Betriebsratswahl am 3. Juni 2004 ein einheitlicher Betriebsrat gewählt. Dieser hat beschlossen, das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht als Antragsteller fortzuführen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen ist begründet. Sie führt zur vollständigen Abweisung der vom Gesamtbetriebsrat erhobenen Anträge. Der auf Feststellung eines Gemeinschaftsbetriebs gerichtete Antrag ist im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässig geworden, da er von einer nicht mehr am Verfahren beteiligten Stelle gestellt worden ist. Die Beteiligteneigenschaft des Gesamtbetriebsrats ist mit der Konstituierung des in der Betriebsratswahl vom 3. Juni 2004 gewählten Betriebsrats entfallen. Durch die Errichtung des von allen Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2) und zu 3) gewählten Betriebsrats ist die Amtszeit der bisherigen Einzelbetriebsräte beendet worden, was gleichzeitig zur Beendigung der Amtszeit des Gesamtbetriebsrats geführt hat.

I. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zB 28. September 1988 – 1 ABR 37/87 – BAGE 59, 371 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 14, zu B I 1a der Gründe) ist Beteiligter eines Beschlussverfahrens in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes die Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wird. Die Beteiligtenstellung beruht unmittelbar auf dem materiellen Betriebsverfassungsrecht. Sie ist nicht von Handlungen der betreffenden Stelle oder des Gerichts abhängig. Der Verlust der Beteiligtenstellung ist von Amts wegen zu beachten, und zwar auch dann, wenn er erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz eintritt (25. September 1996 – 1 ABR 25/96 – AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 2, zu B I der Gründe).

II. Nach § 47 Abs. 1 BetrVG ist ein Gesamtbetriebsrat zu errichten, wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen. Die Bildung des Gesamtbetriebsrats ist, sofern diese Voraussetzungen vorliegen, zwingend. Der Gesamtbetriebsrat ist eine Dauereinrichtung. Er hat – anders als der Betriebsrat – keine Amtszeit und bleibt über die Wahlperiode der einzelnen Betriebsräte hinaus bestehen. Das Amt des Gesamtbetriebsrats als Gremium endet jedoch, wenn die Voraussetzungen für seine Errichtung nicht mehr vorliegen. Dies ist etwa der Fall, wenn in dem Unternehmen nicht mehrere Betriebsräte bestehen (BAG 5. Juni 2002 – 7 ABR 17/01 – BAGE 101, 273 = AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 11, zu B I 1 der Gründe).

III. So verhält es sich im Streitfall. Der Gesamtbetriebsrat ist von der begehrten Feststellung über das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs nicht mehr betroffen. Seine Beteiligteneigenschaft im vorliegenden Verfahren beruhte auf der Beauftragung durch die Einzelbetriebsräte. Mit der Konstituierung des gemeinsamen Betriebsrats ist die Amtszeit der bisherigen Einzelbetriebsräte und auch die des Gesamtbetriebsrats beendet worden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des noch anhängigen Anfechtungsverfahrens zur Wahl vom 3. Juni 2004. Die erfolgreiche Anfechtung der Wahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG hat keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft (BAG 13. März 1991 – 7 ABR 5/90 – BAGE 67, 316 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 20 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 29 mwN). Sie führt nicht zur Fortsetzung des Amts der bisherigen Einzelbetriebsräte, sondern ggf. zu einer erneuten Betriebsratswahl. Eine Sachentscheidung über den in der Rechtsbeschwerdeinstanz angefallenen Antrag des Gesamtbetriebsrats konnte nicht ergehen. Der neugewählte Betriebsrat hat das Verfahren nicht als Antragsteller fortgeführt (zur Zulässigkeit eines Beteiligtenwechsels in der Rechtsbeschwerdeinstanz BAG 25. September 1996 – 1 ABR 25/96 – AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 2 mwN). Hierdurch werden die beteiligten Arbeitgeberinnen in ihren Rechtsschutzmöglichkeiten nicht unangemessen benachteiligt. Die von ihnen erstrebte Entscheidung über das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs hätten sie von vornherein durch Einleitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnungsverfahrens oder die Förderung des von ihnen eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahrens erreichen können. Der Abweisungsantrag im hiesigen Verfahren kann entgegen ihrer Auffassung nicht als selbstständiger Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG angesehen werden.

 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Koch, Günther Metzinger, Hoffmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1453739

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