Entscheidungsstichwort (Thema)

Homeoffice, Mobile Office, Änderungskündigung, Verhältnismäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bei einer Änderungskündigung wegen Betriebsverlagerung eine Tätigkeit im Homeoffice oder Mobile Office anbieten zu müssen, besteht grundsätzlich nicht.

 

Normenkette

KSchG § 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 16.250,01 Euro.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.

Die Beklagte vertreibt verschiedene Produkte im Bereich Reinigung, Folien und Aluminiumverpackungsmittel (z.B. Feuchttücher, Brillenputztücher oder biologisch abbaubare Abfallbeutel, Frischhaltebeutel). Sie beschäftigt ca. 19 Arbeitnehmer und wird darüber hinaus von zwei Fremd-Geschäftsführern geleitet. Ein Betriebsrat ist bei der Beklagten nicht eingerichtet.

Die am …1970 geborene Klägerin ist geschieden und hat nach eigenen Angaben der Klageschrift keine Unterhaltsverpflichtungen. Sie ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2001 als Leiterin der Finanzbuchhaltung beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt, welches 13 × im Jahr gezahlt wird, beträgt 5.000.- Euro. Die Klägerin wohnt in ….

Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien (Anlage K1, Bl. 4 der Gerichtsakte) ist als Arbeitsort das „Verkaufsbüro …” vorgesehen.

Seit der Verlagerung des Unternehmenssitzes der Beklagten von … nach … im Jahr 2010 wurde die Klägerin in … tätig, ohne dass es hierzu eine schriftliche Vertragsänderung gab.

Im Jahr 2020 wurde die Beklagte von der WEPA-Unternehmensgruppe aufgekauft, die ihren Sitz in … im … hat. Im Zuge dessen erfolgte eine Umfirmierung der Beklagten.

Die Gesellschafter sowie die Geschäftsführer der Beklagten beschlossen unter dem 20.10.2020 die vollständige Verlagerung des (einzigen) Betriebs der Beklagten von … nach … und die Fortführung des Betriebs in … ab dem 01.08.2021. In … befindet sich der Sitz der Alleingesellschafterin der Beklagten. Durch die Betriebsverlagerung soll nach Darstellung der Beklagten eine Verbesserung der Zusammenarbeit innerhalb der WEPA-Gruppe erzielt werden.

Der neue Betriebssitz liegt ca. 150 Kilometer und ca. 1,5 Fahrtstunden (einfache Strecke) mit dem Auto entfernt vom bisherigen Betriebssitz. Vom Wohnort der Klägerin in … ist die Entfernung noch weiter.

Nach dem Beschluss ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer begann die Beklagte, die unternehmerische Entscheidung umzusetzen. Sie sprach gegenüber sämtlichen Mitarbeitern Änderungskündigungen zum 31.07.2021 aus bzw. stellte bei den zuständigen Behörden die erforderlichen Anträge auf Zustimmung zu den beabsichtigten Kündigungen. Eine Sozialauswahl führte die Beklagte im Hinblick auf die Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse nicht durch. Hinsichtlich der Anstellungsverträge mit den beiden Geschäftsführern wurden nach Angaben der Beklagten Änderungsvereinbarungen hinsichtlich des Dienstortes getroffen. Die Beklagte teilte ihrer Vermieterin der Betriebs- Räumlichkeiten in … mit E-Mail vom 20.11.2020 mit, dass der Mietvertrag über das Ende der vereinbarten, befristeten Laufzeit am 31.08.2021 hinaus nicht verlängert werde. Des Weiteren kündigte die Beklagte im Dezember 2020 verschiedene Dienstleistungsverträge im Bereich IT.

Die Beklagte erstattete mit Schreiben vom 05.11.2020 bei der Agentur für Arbeit in … eine Massenentlassungsanzeige (Bl. 97 ff. der Akte). Die Agentur für Arbeit in … bestätigte mit Schreiben vom 11.11.2020 (Bl. 103 d. A.) den Eingang der Massenentlassungsanzeige am 09.11.2020. In der Anlage zur Entlassungsanzeige „Angaben für die Arbeitsvermittlung” (Bl. 108 d. A.) erbittet die Agentur für Arbeit, Vollzeitbeschäftigte mit „VZ” und Teilzeitbeschäftigte mit „TZ” zu kennzeichnen. Weiter erbittet die Agentur für Arbeit u. a., schwerbehinderte Mitarbeiter mit „SB”, alleinerziehende Mitarbeiter mit „AZ” zu kennzeichnen und Mitarbeiter, die älter als 50 Jahre sind, mit „50+”.

Die Beklagte gab in dieser Anlage unter 18 laufenden Nummern insgesamt 18 Arbeitnehmer an. Zuvor hatte sie ihre Mitarbeiterzahl mit „21” angegeben. Die Arbeitnehmerin zur laufenden Nummer 11 wurde mit „TZ” gekennzeichnet. Bei der hiesigen Klägerin (laufende Nummer 2) ist keine Sonder-Kennzeichnung aufgeführt, insbesondere kein „AZ”.

Mit Kündigungsschreiben vom 05.11.2020 (Bl. 11/12 d. A.), der Klägerin zugegangen am 11.11.2020, erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.07.2020. Gleichzeitig bot sie der Klägerin an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.08.2021 zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Ändern sollte sich nur die Vertragsbedingung, nach der der Arbeitsort ab dem 01.08.2021 in der Rönkhauser Straße 26 in 59757 Arnsberg statt wie bisher in der … in … sei.

Im Zeitpunkt der Kündigung lag keine unternehmerische Entscheidung der Beklagten vor, den Arbeitnehmern anzubi...

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