Die tatsächlichen und vorstellbaren Beeinträchtigungen der Allgemeinheit durch Streiks in der Daseinsvorsorge, insbesondere im Luft- und Eisenbahnverkehr sowie in den Krankenhäusern bleiben mithin vom Tarifeinheitsgesetz unberührt. Ein speziell auf diese Problemfelder zielender Gesetzgebungsvorschlag aus der Wissenschaft[1] hatte ebenfalls keinen Erfolg. Ausgehend von teilweise überbordenden Festlegungen dessen, was zur Daseinsvorsorge zählt – letztlich wäre wohl der größte Teil des Zuständigkeitsbereichs der Vereinten Dienstleistungs-Gewerkschaft (ver.di) betroffen –, wurden dort im Wesentlichen vier Regelungskomplexe mit unterschiedlicher Regelungsintensität vorgeschlagen:

  • Vor jeder Kampfmaßnahme im Bereich der Daseinsvorsorge soll die zum Arbeitskampf aufrufende Gewerkschaft verpflichtet werden, eine Urabstimmung unter ihren Mitgliedern durchzuführen; ein Arbeitskampf soll nur statthaft sein, wenn mindestens 50 % der Mitglieder abgestimmt und davon wiederum 50 % der Arbeitskampfmaßnahme zugestimmt haben
  • Es soll in diesem Ausschnitt des Arbeitslebens stets eine Ankündigungsfrist für Arbeitskampfmaßnahmen von 4 Tagen einzuhalten sein; die von solchen Maßnahmen betroffenen Dritten sollen ausreichend Zeit zur Verfügung haben, im Hinblick auf die voraussichtlich ausfallenden Leistungen der Daseinsvorsorge Vorkehrungen zu treffen.
  • Darüber soll vor jedem Arbeitskampf in der Daseinsvorsorge ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden; für den Fall eines besonderen öffentlichen Interesses soll die Möglichkeit eröffnet werden, Schlichtungssprüche für verbindlich zu erklären und so eine Friedenspflicht begründenden den Tarifabschluss ersetzenden Regelung geschaffen werden.
  • Schließlich soll vor jeder Arbeitskampfmaßnahme die Grundversorgung in den betreffenden Bereichen durch die Arbeitskampfparteien gemeinsam sichergestellt werden; kommt es nicht zu einer Einigung hierüber, muss ein den Arbeitskampfbeginn herausschiebendes Einigungsstellenverfahren durchgeführt werden, um den Umfang der Notdienste und die Personen, die daran teilnehmen, festzulegen.

Dass es zu einem derartigen Gesetz kommt, ist auch in Zukunft höchst unwahrscheinlich. Es ist aber angesichts der immer wieder einmal entstehenden erheblichen Beeinträchtigungen Unbeteiligter durch derartige Kampfmaßnahmen nicht auszuschließen, dass die gesetzesvertretende höchstrichterliche Rechtsprechung bei konkreten Anlässen aus besonders empfindlichen Bereichen der Daseinsvorsorge einzelne dieser Vorschläge aufgreifen wird (Ankündigungsfristen, die für Drittbetroffene weit wichtiger sind, als für den sozialen Gegenspieler; obligatorisches Schlichtungsverfahren). Sie wird möglicherweise auch Einschränkungen erwägen, was die Dauer der Arbeitsniederlegungen, insbesondere von Warnstreiks, angeht und den konkreten Bereich, in dem es hierzu kommen darf.

[1] Franzen/Thüsing/Waldhoff, Arbeitskampf in der Daseinsvorsorge, 2012; Überlegungen aufgrund aktueller Entwicklungen bei Bayreuther, NZA 2023, S. 411.

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