Agiles Arbeiten macht Vorgänge, Prozesse, Ergebnisse und Wissen transparent. Zudem gibt es typische prozessuale Abläufe und Teamverantwortlichkeiten bei agilen Arbeitsmethoden, wie z. B. bei Scrum oder Design Thinking.

Rechtliche Berührungspunkte können sich hierdurch zum Weisungsrecht des Arbeitgebers, zum Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, zur Mitbestimmung des Betriebsrates und auch zum Datenschutz ergeben.

2.1 Direktionsrecht bezüglich der agilen Methoden

Im Rahmen seines Weisungsrechts hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein subjektives Gestaltungsrecht, was Arbeitsmethoden und Arbeitsansätze betrifft.[492] Das basiert darauf, dass die im Arbeitsvertrag beschriebene Leistungsverpflichtung nur abstrakt in der Benennung der Tätigkeit dargestellt ist.

[492] ErfK/Preis, 19. Aufl. 2019, GewO § 106 Rn. 5–18.

2.1.1 Konkretisierung

Der Arbeitgeber darf und muss unter Umständen sogar durch eine genaue Anweisung bestimmter Handlungen und Unterlassungen die Arbeitsverpflichtung konkretisieren.[493] Das ergibt sich aus § 106 GewO, in dem das Weisungsrecht gesetzlich begründet ist.[494] Nach Satz 2 dieser Norm erstreckt sich das Weisungsrecht über die reine Arbeitsleistung hinaus auch auf die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb.[495] Der Arbeitgeber darf bestimmen, was gemacht wird und wie etwas gemacht wird. Je enger allerdings eine Tätigkeit im Arbeitsvertrag beschrieben ist, desto eingeschränkter ist der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts. Einschränkungen für das Direktionsrecht können sich aus Bestimmungen in Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen oder anderen in Gesetzen festgelegten Schranken ergeben sowie aus dem Grundsatz, sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen ausüben zu müssen.[496]

Somit darf der Arbeitgeber grundsätzlich agile Arbeitsmethoden und agile Arbeitsweisen im Rahmen der für ihn bestehenden rechtlichen Bedingungen kraft seines Direktionsrechts anordnen.

[493] Vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 162/09 = BAGE 134, 296.
[494] ErfK/Preis, 19. Aufl. 2019, GewO § 106 Rn. 1–4.
[495] ErfK/Preis, 19. Aufl. 2019, GewO § 106 Rn. 1–4.
[496] ErfK/Preis, 19. Aufl. 2019, GewO § 106 Rn. 5–16.

2.1.2 Billiges Ermessen

In diesem Zusammenhang könnte das Merkmal ›Transparenz‹ bei den agilen Arbeitsmethoden und Formaten einen besonderen rechtlichen Aspekt berühren. Durch die Anweisung von transparenten, agilen Arbeitsmethoden könnte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters aus Art. 2 GG tangiert sein. Die Ausübung des Weisungsrechts muss nach ›billigem Ermessen‹ erfolgen.[497] Billiges Ermessen bedingt, dass eine Anordnung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausreichend berücksichtigt wird.[498] Ob eine solche hinlängliche Berücksichtigung erfolgt ist, unterliegt auch der gerichtlichen Kontrolle.[499] Es besteht daher ein Interesse des Arbeitgebers, sein billiges Ermessen entsprechend ›richtig‹ auszuüben. Es kann sich die Frage stellen, ob die Anweisung von transparenten agilen Arbeitsmethoden mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Mitarbeiters kollidiert und hier ggf. ein entgegenstehendes überwiegendes Interesse des Mitarbeiters vorliegt.

[497] ErfK/Preis, 19. Aufl. 2019, GewO § 106 Rn. 5–16.
[498] BGH, Urteil vom 24.04.1996, NZA 1996, 1088.
[499] ErfK/Preis, 19. Aufl. 2019, GewO § 106 Rn. 5–16.

2.1.3 Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters

Das Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.[500] Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber hat er dafür zu sorgen, dass das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt nicht nur für den Arbeitgeber, sondern genauso für den Betriebsrat, was sich direkt aus § 75 BetrVG ergibt.[501] Sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsräte sind verpflichtet, Mitarbeiter in ihrem Arbeitsverhältnis vor Eingriffen in ihr Persönlichkeitsrecht zu schützen.

Die sehr sichtbare Information und Kommunikation über mitarbeiterspezifische Prozessabläufe, Arbeitsergebnisse und Austausch erzeugen gleichzeitig eine erhebliche soziale Kontrolle über das Leistungspensum und den Leistungsinhalt eines jeden Mitarbeiters.[502] Der Mitarbeiter wird dadurch in seiner Leistung, in seinen Beziehungen und in seinem persönlichen Ausdruck erkenntlich. Hierdurch könnte der Eindruck einer Überwachung und möglichen Kontrolle des Mitarbeiters entstehen.

Das Persönlichkeitsrecht ist nicht per se durch Überwachungsmaßnahmen unzulässig beeinträchtigt, sondern hier ist auf die Art und Intensität des Eingriffs abzustellen. Eingriffe können sich auf unterschiedliche Weise ergeben:

  • ständige physische Beobachtung (z. B. durch ›hinter einem stehen‹, Sichtkontrolle)
  • ständige Berichterstattung durch den Arbeitnehmer selbst (z. B. schriftlich oder mündlich)
  • Aufzeichnung von Verhalten durch technische Überwachungseinrichtungen (z. B. Kamera, IT-System etc.).

Soweit technologische Arbeitsmittel zum Einsatz kommen, kommt es darauf an, ob und inwieweit das Arbeitsverhalten überwacht wird. Hier bedarf es keiner besonderen Absicht, ...

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