Schwieriger als bei unmittelbaren Diskriminierungen gestaltet es sich bei Formulierungen, die nicht derart klar wie "junges dynamisches Team" eine Präferenz für jüngere Bewerber ausdrücken. Teilweise stellen Arbeitgeber in der Ausschreibung neutral scheinende Anforderungen auf, hinter denen sich aber Diskriminierungen verbergen. Das passiert oft bei mittelbaren Diskriminierungen i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG.

 
Hinweis

Mittelbare Benachteiligungen

Eine mittelbare Benachteiligung besteht darin, dass eine Regel oder Maßnahme neutral auftritt, sich dahinter aber eine Schlechterbehandlung einer Person mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal verbirgt. Das liegt daran, dass manche Regeln bestimmte Personengruppen weitaus häufiger betreffen als andere.

Schreibt ein Arbeitgeber beispielsweise die Stelle aus und erwartet bestimmte Eigenschaften, die typischerweise nur bei jüngeren Menschen auftreten, lässt das möglicherweise eine mittelbare Diskriminierung vermuten, auch wenn das Wort "jung" oder ein Synonym hiervon nicht fallen. Ein Grenzfall ist die (häufig vorkommende) Präferenz von Berufsanfängern.

 
Praxis-Beispiel

Fall 1

Einen einschlägigen Fall entschied das LAG Düsseldorf im Juni 2016[1]: Potenzielle Anhaltspunkte für eine Benachteiligung fanden sich in der Stellenbezeichnung "Junior Sachbearbeiter Kreditorenbuchhaltung" und der Ansprache in der Stellenausschreibung mit dem informellen "Du". Außerdem suchte das Unternehmen "eine Person, die gerade frisch gebacken aus einer kaufmännischen Ausbildung kommt".

Unter anderem verteidigte sich das beklagte Unternehmen damit, dass der Sprachstil Teil der Selbstdarstellung des Unternehmens sei. Nachvollziehbarerweise lässt der bloßen Ansprache mit "Du" noch keine Alterspräferenz entnehmen. Es ist bei Unternehmen mittlerweile weit verbreitet, das "Du" als Ansprache auch gegenüber älteren Menschen zu verwenden. Der informelle Stil gehört hier zur Selbstvermarktung.

Kein Problem erkannte das Gericht in der Stellenbezeichnung "Junior Sachbearbeiter". Grund hierfür ist die Bedeutung des Wortes "Junior" in der Arbeitswelt. "Junior" meint im Arbeitskontext keine persönliche Altersbeschreibung, sondern das Dienstalter bzw. die Position in der Hierarchie des Unternehmens.

Schwieriger ist die Beurteilung der Passage "frisch gebacken aus einer kaufmännischen Ausbildung". Für sich genommen entspringt dem Zeitpunkt des Ausbildungsabschlusses nicht zwingend ein bestimmtes Alter. Möglich ist der Fall eines Quereinsteigers, der in fortgeschrittenem Alter den Beruf wechselt. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob es vorstellbar ist, dass es Fälle älterer Menschen gibt, auf die die Beschreibung zutrifft. Für die mittelbare Benachteiligung ist ausreichend, dass von der Beschreibung hauptsächlich jüngere Menschen erfasst sind. Wenn die Möglichkeit einer mittelbaren Benachteiligung daran scheitern würde, dass es Ausnahmen gibt, gäbe es nur wenige Fälle, in denen dem Kläger der Beweis einer mittelbaren Benachteiligung gelänge. Das widerspräche dem Zweck des AGG. Denn in diesem Fall könnten sich Unternehmen ihrer Pflicht zum diskriminierungsfreien Verhalten weitgehend entziehen, indem sie Anforderungen aufstellen, die für sich genommen niemanden direkt benachteiligen, aber bestimmte Gruppen aus dem Bewerberpool ausschließen. Da also Bewerber, die gerade erst ihre Ausbildung abgeschlossen haben, häufig jüngere Menschen sind, erkannte das Gericht in dieser Passage eine mittelbare Benachteiligung.

Konsequenzen für die Formulierung von Stellenausschreibungen

 
Praxis-Tipp

Formulierung der Anforderungen

Für die Formulierung der Anforderungen bedeutet das wiederum, dass Arbeitgeber möglichst auf eine Skizzierung des persönlichen Bewerberprofils verzichten sollten. Unternehmen handeln am besten, wenn sie sachlich und neutral beschreiben, was die Tätigkeit ausmacht. Wollen Unternehmen ein bestimmtes Flair ihres Unternehmens in der Stellenbeschreibung zeigen, können sie das mit einer Selbstbeschreibung tun. Neben einer direkten Selbstbeschreibung kann das Unternehmen sich auch präsentieren, indem es eine bestimmte Sprache (wie eben das "Du" als Ansprache) verwendet. Hiermit können Unternehmen den Bewerberpool filtern. Meist bewerben sich Menschen, die sich mit dem Auftritt des Unternehmens identifizieren können.

Auswirkung der Beweiserleichterung gemäß § 22 AGG (Beweislastumkehr)

Zu betonen ist an dieser Stelle die Auswirkung der Beweiserleichterung gemäß § 22 AGG. Nach aktueller Rechtsprechung genügt eine Stellenausschreibung, die gegen §§ 7 Abs. 1, 11 AGG verstößt, um zu vermuten, dass der Arbeitgeber den Bewerber diskriminiert hat.[2]

Der Bewerber muss also nur die Anhaltspunkte beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen.[3] Die Schwelle zur Vermutung ist deutlich niedriger als die Schwelle zum Beweis. Für die Vermutung bedarf es nur einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, für einen Beweis muss das Gericht von der Wahrheit einer Behauptung überzeugt sein.

 
Praxis-Beispiel

Fall 1, Fortsetzung

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