Stellenanzeige in Social Media schalten: Vorsichtig vorgehen

Amazon und T-Mobile haben ihre Stellenanzeigen auf Facebook gezielt nur für ein jüngeres Publikum anzeigen lassen. Nun klagt in den USA eine Gewerkschaft wegen Diskriminierung. Ob ein solches Vorgehen auch in Deutschland zu Entschädigungsklagen führen könnte, erläutert Arbeitsrechtler Marcus Richter.

Haufe Online-Redaktion: Wie ist der Fall aus den USA nach deutschem Recht zu bewerten? Verstößt es gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wenn Unternehmen Stellenanzeigen auf Internet-Plattformen nur an jüngere User ausspielen?

Marcus Richter: Grundsätzlich ist eine nicht altersneutral gefasste Stellenausschreibung, etwa mit einem Anforderungsprofil "jung und dynamisch", ein Indiz für eine altersdiskriminierende Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers und damit ein Verstoß gegen das im AGG verankerte Benachteiligungsverbot. Nichts anderes kann gelten, wenn ein Arbeitgeber gezielt veranlasst, dass seine Stellenausschreibung nur User sozialer Netzwerke einer bestimmten Altersgruppe erreicht. Allerdings wird es in diesen Fällen einem Stellenbewerber trotz der im AGG zu seinen Gunsten vorgesehenen abgestuften Darlegungs- und Beweislastverteilung regelmäßig schwer fallen, den erforderlichen Indizienbeweis zu führen. 

Indizienbeweis für Diskriminierung bei Targeting von Stellenanzeigen

Haufe Online-Redaktion: Welche Voraussetzungen für einen Indizienbeweis müsste der Bewerber erfüllen? 

Richter: Der Bewerber müsste zumindest Indizien darlegen können, dass ihn in dem sozialen Netzwerk eine Stellenausschreibung infolge der Vorgaben des Arbeitgebers im Vergleich zu anderen, jüngeren Usern nicht erreichen konnte - mehr noch, er erfährt vielleicht nie von der zu besetzenden Stelle. Aber unabhängig von diesen prozessualen Fragen stellt sich im Ausgangspunkt die Frage, wo hinsichtlich von Ort und Medium der Veröffentlichungen einer Stellenausschreibung die Grenzen verlaufen, also wann einer Anzeigenschaltung (noch) keine solche indizielle Wirkung zukommen kann. Insofern gilt bisher in Deutschland der Grundsatz, dass der Arbeitgeber grundsätzlich bei der Wahl des Mediums wie einem Aushang, in der Zeitung, im Internet et cetera für die Veröffentlichung der Stellenausschreibung frei ist - und das, obschon allein hierdurch natürlich in gewisser Weise Einfluss auf den Kreis potentieller Stellenbewerber genommen wird. Dies ist gleichwohl unter Berücksichtigung der Privatautonomie des Arbeitgebers ebenso wie der Medienfreiheit zuzulassen.

Haufe Online-Redaktion: Wie beurteilen Sie es, wenn Unternehmen Stellenanzeigen nach Zielgruppen entsprechend platzieren?

Richter: Wenn der Arbeitgeber in zielgruppenorientierten Medien inseriert, beispielsweise auf der Website eines Männermagazins mit einer männlichen Leserschaft oder eines Lifestyle-Magazins mit einer überwiegend weiblichen Leserschaft, dort aber unterschiedslos für alle User, wird die Bewertung schwieriger. In solchen Fällen wird es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Meines Erachtens ginge es zu weit, allein die zielgruppenorientierte Anzeigenschaltung generell als Indiz für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot eines abgelehnten Stellenbewerbers ausreichen zu lassen, was aber teilweise auch anders gesehen wird. Anders kann dies selbstverständlich zu beurteilen sein, wenn darüber hinaus noch weitere Umstände, etwa eine bestimmte inhaltliche Inszenierung der Stellenausschreibung, hinzutreten.


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Haufe Online-Redaktion: Welche Folgen können Unternehmen in solchen Fällen drohen?

Richter: Die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen potentieller Verstöße für Unternehmen sind in Deutschland im Vergleich mit den USA überschaubar. Verstößt eine Stellenausschreibung gegen das Benachteiligungsverbot des AGG, werden hierdurch unmittelbar zwar keine Entschädigungsansprüche ausgelöst, weil allein durch die Stellenausschreibung regelmäßig kein Schaden eintreten wird. Allerdings wird hierdurch die Vermutung begründet, dass der betroffene Stellenbewerber aus diskriminierenden Gründen nicht eingestellt wurde. Für abgelehnte Stellenbewerber besteht damit die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, welche auf Ersatz von Vermögensschäden oder entgangenen Gewinns gerichtet sind. Hinzu tritt ein Entschädigungsanspruch allein aufgrund der Nichteinstellung. Seine Einstellung kann der abgelehnte Stellenbewerber demgegenüber nicht verlangen. 

Diskriminierungsklagen von Verbänden

Haufe Online-Redaktion: Klagen von Gewerkschaften gegen deutsche Unternehmen kommen nicht in Betracht?

Richter: Nein, dem deutschen Recht ist die Möglichkeit von Verbandsklagen fremd. Das heißt, deutsche Unternehmen müssen – anders als derzeit in den USA – nicht befürchten, möglicherweise von Gewerkschaften oder Antidiskriminierungsverbänden in Anspruch genommen zu werden. Auch ist es mittlerweile anerkannt, dass im Falle einer diskriminierenden Stellenausschreibung nicht unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten abgemahnt werden kann. Ebenso wenig drohen dem Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtliche Sanktionen. Entstehen kann ab einer gewissen Breitenwirkung eines Verstoßes natürlich ein erheblicher Imageschaden, der wiederum erhebliche wirtschaftliche Schäden auslösen kann.

AGG-konforme Stellenanzeigen

Haufe Online-Redaktion: Worauf müssen Arbeitgeber bei der Einstellung und vor allem auch bei der Anwerbung von neuem Personal (in sozialen Medien) achten?

Richter: Für jede Stellenausschreibung gilt, dass jegliche Anknüpfung an sogenannte "verpönte Merkmale", also Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität, möglichst zu vermeiden sind. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, die Stellenausschreibung alters- und geschlechtsneutral zu formulieren. Dies meint nicht nur, dass das Anforderungsprofil keine ausdrücklichen Vorgaben hinsichtlich eines bestimmten Geschlechts oder Alters enthalten soll; zum Beispiel "Gesucht: Grafikdesigner, nicht älter als 30 Jahre". Vielmehr wird bereits die Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten als unzulässige Benachteiligung angesehen, etwa wenn sich die Stellenausschreibung an "Young Professionals" oder "Berufsanfänger" richtet. Darüber hinaus ist auch besonderes Augenmerk auf die Gesamtinszenierung zu legen, da auch hieraus Indizien für eine unzulässige Ungleichbehandlung gezogen werden können. 

Haufe Online-Redaktion: Was sollten Arbeitgeber hier insbesondere unterlassen?

Richter: Zu vermeiden sind zum Beispiel Abbildungen bestimmter Personen- oder Personengruppen, die ausschließlich ein bestimmtes Geschlecht oder Lebensalter aufweisen. Demgegenüber ist es meines Erachtens unschädlich, die Stellenausschreibung ausschließlich in bestimmten sozialen Netzwerken zu veröffentlichen. Von einer besonderen Zugänglichmachung der Stellenausschreibung nur an solche User einer Website oder eines sozialen Netzwerks, die einer bestimmten Altersgruppe oder eines bestimmten Geschlechts angehören, rate ich aus materiell-rechtlichen Gründen ab.


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Dr. Marcus Richter ist Partner mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht bei Görg Rechtsanwälte in Köln.