Rentnerbeschäftigung

Ein neues BAG-Urteil nennt erhöhte Anforderungen an die befristete Einstellung von Rentnern. Unser Arbeitsrechts-Kolumnist Alexander R. Zumkeller macht sich auf die Suche nach machbaren Lösungen für den zeitlich begrenzten Einsatz erfahrener ehemaliger Mitarbeiter in Rente.

Natürlich hat Rentnerbeschäftigung Vorteile. Wir brauchen nicht drumherum zu reden: Der Fachkräftemangel ist längst angekommen, auch und gerade wenn es nur darum geht, kurzzeitige oder überschaubare Ausfallzeiten der Stammbelegschaft zu überbrücken. Eine qualifizierte Vertretung einer erfahrenen Arbeitsrechtlerin für die Dauer einer zweijährigen Elternzeit? – schwierig, schwierig; einen qualifizierten Techniker für ein einjähriges Projekt? – kaum zu finden. Eine erfahrene Ingenieurskraft für eine Vertretung eines dreimonatigen Ausfalls wegen Pflegezeit? – unmöglich.

Dabei liegt die Lösung so nah: „Space Cowboys“, „Senior Experts“ oder „Rentner“, wie wir sie sozialversicherungsrechtlich korrekt bezeichnen – bevorzugt aus dem eigenen Haus, also ehemalige langjährig beschäftigte Fachkräfte. Sie kennen das Unternehmen, sie kennen die Kunden, sie kennen die Technologie, das soziale Umfeld. Kurz: Sie sind erste Wahl für Vertretungseinsätze.

BAG erschwert Rentnerbeschäftigung

Klingt gut? Nicht so ganz, meint das Bundesarbeitsgericht. Seit der  Entscheidung vom 11. Februar 2015 steht fest: Auch (oder gerade) für diesen Personenkreis braucht der Arbeitgeber einen Befristungsgrund. Alleine die Tatsache des Rentenbezugs hat das BAG nicht ausreichen lassen. Die Einarbeitung eines Kollegen könnte zwar als Befristungsgrund reichen – die Tatsache, dass das BAG die Rechtssache an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Tatsachenaufklärung zurückgewiesen hat, macht den Unternehmenspraktiker allerdings nervös. Wie wird der Prüfungsmaßstab sein? Welche Anforderung wird das BAG an die Prognose der Einarbeitungszeit stellen? Und wann werden die Unternehmenspraktiker die Antworten hierauf erfahren?

Wie so oft: Die Praxis sucht nach Lösungen

Gibt es ein "Rezept", Rentner rechtlich unanfechtbar (befristet) einzustellen? Nein, eher nicht; aber: Es gibt eine Reihe von Fallstricken, über die ein Arbeitgeber nicht unbedingt zu stolpern braucht. Beherzigen Sie deshalb folgende Regeln:

  • Stellen Sie den Rentner nicht in der gleichen Gesellschaft befristet ein, in der er bisher gearbeitet hat. Das ist eine Regel, die Konzernunternehmen nutzen können. Die Vorteile des Know-how ziehen auch in einer Schwestergesellschaft.
  • Nutzen Sie die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung des § 14 Abs. 2 TzBfG (maximal zwei Jahre, darin dreimalige Verlängerung). An dieser Stelle sei davor gewarnt, sich blindlings auf § 14 Abs. 3 TzBfG zu verlassen, der eine sachgrundlose Befristung bis zu fünf Jahren bei über 52-jährigen erlaubt. Zwar hat im Mai vergangenen Jahres das BAG die Regelung „gehalten“ (7 AZR 360/12), doch wie immer gilt auch hier: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Denn der EuGH hat sich noch nicht geäußert.
  • Leihen Sie den Rentner von einem anderen Arbeitgeber aus. Das kann auch eine konzerneigene "Verleihgesellschaft" sein. Achtung: Vertrauen Sie nicht auf das Konzernprivileg (soweit es noch besteht), beantragen Sie eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Und: Beschäftigen Sie den Rentner natürlich nur vorübergehend.
  • Diskriminieren Sie den Rentner nicht. Klar, er bezieht Rente, gegebenenfalls auch zusätzliche Firmenrente, was die Frage nahelegt, weshalb er zu gleichen Bedingungen beschäftigt werden sollte wie der Vertretene. Trotzdem gilt es, ihn regelgerecht einzugruppieren, ihm tariflichen (beziehungsweise gesetzlichen) Urlaubsanspruch und Sozialleistungen „as usual“ zu gewähren – schließlich, seien wir uns dessen klar, hilft uns als Arbeitgeber ja der Einsatz auch. Und eine Vertretung vom „regulären“ Arbeitsmarkt wäre auch nicht günstiger.
  • Achten Sie darauf, keine anderen Mitarbeiter oder gerade fertige Auszubildende durch den Rentnereinsatz zu verdrängen. Allen Beteiligten muss klar sein: Es handelt sich um Ausnahmesituationen, die befristet sind, die mit Einsatz von gerade Ausgebildeten oder anderen Beschäftigten (insbesondere wenn gleichzeitig ein Personalabbau erfolgen sollte) nicht abdeckbar sind. Wenig charmant wäre ein Widerspruch des Betriebsrats gegen die Einstellung wegen Benachteiligung anderer Beschäftigter nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Also: Streben Sie ein Commitment in diese Richtung zwischen Unternehmensleitung, Führungskräften und den betroffenen Rentnern an.

Fazit: "Rentnergangs als Motivationsfaktor"

Wenn dies alles beachtet wird, kann die Beschäftigung der "Rentnergang" ein großer Erfolg werden. Ein großer Erfolg vor allem dann, wenn Führungskräften durch deren befristeten Einsatz die Angst genommen werden kann, andere Mitarbeiter in Elternzeit oder Sabbatical oder Bildungszeit gehen zu lassen. Denn die Rentnerbeschäftigung hilft, die Führungskräfte bei Ihrer Aufgabe, den "Laden am Laufen" zu halten, nicht alleine zu lassen. Auch das ist Employer Branding und Motivationsinstrument.


Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU) blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.

Schlagworte zum Thema:  Befristung, Arbeitsrecht