Neues Nachweisgesetz ohne Digitalisierung

Die europäische Arbeitsbedingungenrichtlinie ist am 31. Juli 2019 in Kraft getreten und verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, ihre Vorgaben durch den Erlass geeigneter Rechtsvorschriften bis zum 31. Juli 2022 umzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber will dieser Verpflichtung rechtzeitig nachkommen. Der Gesetzentwurf taugt allerdings nicht als Lehrstück für gelungene Digitalisierung, findet Gregor Thüsing.

Ganze 62-mal taucht das Wort Digitalisierung im Koalitionsvertrag auf. Doch wenn es konkret wird, dann scheut die Politik den Fortschritt. Die EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union muss umgesetzt werden. Ein Gesetzesentwurf liegt vor (BT-Drucks. 20/1636) und befindet sich in der parlamentarischen Beratung. Noch vor der Sommerpause soll die Regelung verabschiedet werden. Diesmal wird also – so scheint es – anders als beim Hinweisgeberschutz rechtzeitig gehandelt.

In Deutschland lieber noch schriftlich

Rechtzeitig – aber mutlos. In der EU-Richtlinie heißt es in Art. 3: "Der Arbeitgeber stellt jedem Arbeitnehmer die gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Informationen schriftlich zur Verfügung. Die Informationen sind in Papierform oder — sofern die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält — in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln." Durch die Möglichkeit der elektronischen Form soll – Erwägungsgrund 24 der Richtlinie – dem "verstärkten Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln" Rechnung getragen werden. Der Entwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes sieht diese Möglichkeit nicht vor. Da muss es immer schriftlich sein. Warum?

Der Gesetzentwurf hinkt der digitalen Wirklichkeit hinterher

Die Gesetzesbegründung formuliert es treffend: "Die Arbeitsbedingungenrichtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird". Dieses Ziel kann aber auch digital erreicht werden, eben wenn – wie die Richtlinie fordert – "die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können".

Wir alle haben spätestens in der Pandemie gelernt, wie notwendig Digitalisierung sein kann. Diese Entwicklung soll und will niemand zurückdrehen. Im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes ist nun seit drei Jahren die Einwilligung nicht nur schriftlich, sondern auch elektronisch möglich, eben weil man dies erkannt hat, § 26 Abs. 2 S. 3 BDSG (vergleiche hierzu Thüsing/Rombey, NZA 2019, Seite 1399).

Wenn aber hier der Schritt hin auf die digitale Wirklichkeit gegangen wurde, dann doch erst recht beim bloßen Nachweis der Arbeitsbedingungen. Denn nur um den Nachweis geht es ja. Es nutzt nicht nur dem Arbeitgeber, sondern auch in einer zunehmenden Zahl den Remote-Arbeitnehmenden.

Allein 15 Prozent kommen laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts perspektivisch nicht mehr ins Büro oder werden in der Zukunft irgendwo in der Welt arbeiten. Wann auch immer das so sein wird, aber warum soll man diesen Arbeitnehmern Papier senden (etwa, wenn sich ihre Arbeitsbedingungen ändern und sie auf Sabbatical in Südafrika sind)? Europa ist fortschrittlicher als Deutschland – das ist schade.

Mut zu modernen Regelungen ist gefragt

Das Fazit ist eindeutig: Schon in Bezug auf die elektronische Führung von Personalakten wäre es zu begrüßen, dass nicht wie bislang ein Arbeitsvertrag zwar elektronisch abgeschlossen werden kann, die Unterrichtung jedoch stets schriftlich, also in Papierform erfolgen muss - sondern der deutsche Gesetzgeber eine angemessene Regelung für die digitalisierte Arbeitswelt schafft. Nur Mut.


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