Urteil

Musikschullehrerin ohne Arbeitsverhältnis


Musikschullehrerin ohne Arbeitsverhältnis

Eine Musikschullehrerin, die vom Land Berlin als freie Mitarbeiterin beschäftigt wurde, war nicht abhängig beschäftigt. Zwischen ihr und dem Land Berlin als Arbeitgeber bestand kein Arbeitsverhältnis, entschied das Arbeitsgericht Berlin.

Wenn Mitarbeiter in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert sind und weisungsabhängig arbeiten, spricht dies für ein Arbeitsverhältnis. Dann kommt es auch nicht darauf an, ob der Vertrag die Beschäftigung als freies Mitarbeiterverhältnis deklariert. Im vorliegenden Fall kam das Arbeitsgericht Berlin jedoch zum Ergebnis, dass eine Musikschullehrerin ihren Unterricht persönlich unabhängig und frei von Weisungen durchführen und gestalten konnte.

Der Fall: Beschäftigung einer Musikschullehrerin als freie Mitarbeiterin

Das Land Berlin beschäftigt in den Musikschulen der Bezirke für den dort erteilten Musikunterricht sowohl angestellte Lehrkräfte in Arbeitsverhältnissen als auch freie Mitarbeiterinnen und freie Mitarbeiter. Die Musikschullehrerin im konkreten Fall war seit dem Jahr 1999 dort an einer Musikschule aufgrund mehrerer jeweils befristeter Rahmenverträge tätig. Die Rahmenverträge regelten ihre Tätigkeit als Musikschullehrkraft in freier Mitarbeit. Der letzte Rahmenvertrag aus dem Jahr 2022 enthielt Vereinbarungen zur Beauftragung der jeweiligen Unterrichtsverhältnisse durch Einzelaufträge und die Zahlung von Honoraren. Weiter war vertraglich vereinbart, dass die Musikschullehrerin Ort und Termin für den Musikschulunterricht frei mit den zu Unterrichtenden vereinbaren und über Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichts frei von Weisungen der Musikschule entscheiden konnte.

Musikschullehrerin will Arbeitsverhältnis feststellen lassen

Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Bund mit einem – bisher nicht bestandskräftigen – Bescheid von Juni 2024 feststellte, dass die Musikschullehrerin im Sinne des Sozialversicherungsrechts abhängig Beschäftigte des Landes Berlin sei, kündigte das Land Berlin als Arbeitgeber im August 2024 den Rahmenvertrag der Musikschullehrerin mit der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum 30.September 2024.

Die Musikschullehrerin forderte daraufhin gerichtlich die Feststellung, dass sie sich seit dem Jahr 1999 in einem Arbeitsverhältnis zum Land Berlin befunden habe, was der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres hätte kündigen dürfen. Sie gab an, weisungsgebunden beschäftigt und in den Betrieb der Musikschule eingegliedert gewesen zu sein.

ArbG Berlin: Vertraglich und tatsächlich kein Arbeitsverhältnis

Das Arbeitsgericht stellte fest, dass im Ergebnis der Gesamtbetrachtung weder vertraglich noch tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

Nach § 611a Absatz 1 BGB ist Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis: die Verpflichtung zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit bei einer Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers. Dies konnten die Berliner Arbeitsrichter vorliegend nicht feststellen.

Im Rahmenvertrag war die Tätigkeit der Musikschullehrerin eindeutig als freie Mitarbeit aufgrund von Einzelaufträgen mit weisungsfreier Gestaltung des Unterrichts gegen Zahlung von Honorar deklariert.

Auch die tatsächliche Durchführung der Zusammenarbeit ergab kein anderes Bild für das Arbeitsgericht Berlin: Die Musikschullehrerin sei frei in der örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen Erteilung des Musikunterrichts gewesen. Sie habe zwar die Räume der Musikschule nutzen können und tatsächlich genutzt, sei dazu aber nicht verpflichtet gewesen. Sie habe auch, anders als die in Arbeitsverhältnissen beschäftigten Musikschullehrkräfte, keine Verpflichtung zum Unterricht bestimmter Schülerinnen oder Schüler gehabt, sondern habe diese ohne Begründung annehmen oder ablehnen können.

Wirtschaftliche Abhängigkeit ist keine persönliche Abhängigkeit

Auch eine mögliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Musikschullehrerin von den Aufträgen ändere nichts an ihrer persönlichen Unabhängigkeit, teilte das Arbeitsgericht Berlin mit. Die Lehrkraft hätte jederzeit auch für andere Auftraggeber arbeiten können, so die Begründung.

Wesentlich war für das Gericht bei der Beurteilung zudem, dass die Musikschullehrerin auch in der Praxis bei der Gestaltung der Unterrichtsinhalte und Arbeitszeiten durch eigenständige Terminvereinbarungen mit den Schülern völlig frei war. Zudem wurde sie anders als die angestellten Lehrkräfte nicht zu Fortbildungen oder Klassenvorspielen der Musikschule verpflichtet, sondern nur auf ihren Wunsch. 

Gegen die Entscheidung kann die Musikschullehrerin Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.

Hinweis: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15. Juli 2025, Az. 22 Ca 10650/24


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