Ob das Bundeskabinett meint, dass seine Entscheidungen im Sommerloch nicht wahrgenommen werden? Oder hofft man, dass angesichts sommerlicher Hitze die Befassung mit den Gesetzentwürfen doch zu schweißtreibend wäre? Schwer zu sagen. Aber trotz Sommerloch und Hitze werden die Gesetzentwürfe natürlich kritisch beäugt und das durchaus zu Recht.
In der 13. Sitzung des Bundeskabinetts am 6. August hat die Bundesregierung auch ein paar Entscheidungen getroffen, die uns als Arbeitsrechtler in den Unternehmen zum Nachdenken bringen.
Gegen Schwarzarbeit
Schwarzarbeit schadet. Den Kolleginnen und Kollegen, die nicht bereit sind, in der Schattenwirtschaft zu arbeiten. Den Unternehmen. Dem Staat – und damit uns allen. Moderne Datenanalyse wäre hier längst überfällig! Eine effiziente Bearbeitung dringend erforderlich. Doch Aufbewahrung der Unterlagen für mindestens 10 Jahre? Moment! War nicht auch von Entbürokratisierung die Rede? Sollen wirklich Kleinstarbeitgebenden, sogar Haushalten, derartige Aufbewahrungslasten aufgebürdet werden?
Kann es eines der wichtigsten Vorhaben dieser Regierung sein, die zum Zeitpunkt der Beschlüsse noch nicht einmal 100 Tage im Amt war, Barbershops und Nagelstudios in die Schwarzarbeitsliste aufzunehmen? Die Statistiken zählen zwischen 2.888 und 7.451 Nagelstudios und zwischen 835 und 1.200 Barbershops. Dort Geldwäsche zu kontrollieren über die Schwarzarbeitsmechanismen – dies soll auch ein Anlass sein – ist eher nicht zielführend und falls doch wird den Geldwäschern schnell etwas Neues einfallen. Die geringe Anzahl der Betriebe ist eher ungeeignet, einen wirklichen Effekt zu erzielen. Dagegen gibt es weit mehr als 100.000 Zeitungs- und Prospektausträger – sind die das nächsten "Opfer"?
Für eine höhere Tarifbindung
Ich bin – die regelmäßigen Leser dieser Kolumne wissen das – ein großer Anhänger der Tarifbindung. Faire Arbeitsbedingungen, keine Wettbewerbsverzerrung, Vorteile im Recruiting von Mitarbeitern sind nur ein paar Vorteile, die eine Tarifbindung mit sich bringt.
Aber ich stehe auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ich halte einen Tarifzwang für verfassungswidrig, denn die negative Koalitionsfreiheit ist eben auch Bestandteil unserer Verfassung!
Legen wir diese Bedenken einmal für ein paar Sekunden beiseite. Das Gesetz ist in dieser Form auch ungeachtet verfassungsrechtlicher Bedenken weder tauglich noch umsetzbar. Ich habe das in dieser Kolumne schon ausführlicher erörtert. Es ist das gute Recht des Bundeskabinetts, meine konstruktiven Vorschläge zu verwerfen. Aber dann wird sich diese Regierung, auf welche die Unternehmen so viel Hoffnung setzen (oder vielleicht muss man schon sagen, gesetzt haben) auch sagen lassen müssen, dass sie auf dem Holzweg ist. Es gibt, um das angestrebte Ziel, zu dem man unterschiedlicher Meinung sein darf, zu erreichen, nur einen Weg, der einfach und unbürokratisch ist: „Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, müssen, berechnet auf die tatsächliche Arbeitszeit, mindestens die Vergütung (Grundvergütung) zusätzlich gegebenenfalls Einmalzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) leisten wie der am Ort der Leistungserbringung geltende Branchentarifvertrag vorsieht“. Alles andere kann kein Unternehmer und, pardon, auch keine noch so qualifizierte Clearingstelle umsetzen. Leistungsentgelt? Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit? Alterssicherungsbetrag – je überhaupt schon einmal gehört?
Und, man weiß gar nicht, ob man die Regelungen ernst nehmen soll, das nur für den Zeitraum der Leistungserbringung und nur für die eingesetzten Beschäftigten. Das erinnert mich an Arik Brauers Songtext "Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix. Ober meiner, unter meiner siach i nix."
Einmal mehr Bürokratie at its best!
Viel schlimmer: Was fehlt
Wo bleiben elektronische Betriebsratswahlen? Mehr Demokratisierung und Beteiligung in den Betrieben? Fehlanzeige. Stattdessen gibt es 19. Jahrhundert in unveränderter Form.
Auch hinsichtlich des Themas Betriebsverfassung in Matrixstrukturen gäbe es Regelungsbedarf: Rechtlich sauber hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) herausgearbeitet, dass Führungskräfte, die Beschäftigte an mehreren Standorten anleiten, gegebenenfalls auch in mehreren Betrieben mitwählen dürfen. Recht gesprochen mit falschem Ergebnis. Vielleicht kann ich weniger unternehmensfreundlichen Politikern das so erklären: Möchte ein Betrieb mit zehn Beschäftigten einen Betriebsrat wählen, setze ich als bösartiger Unternehmer jedem der zehn eine andere, aus einem anderen Betrieb stammende Führungskraft vor. Und die haben aktives – aber auch passives! – Wahlrecht. Phantasie genug? Aber lassen wir das, bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung (womöglich gar für unterschiedliche Tarifgebiete), Kündigungsanhörung in mehreren Betrieben böten sich genug lohnende Felder für einen Bürokratieabbau. Nicht durch das BAG, sondern durch den Bundestag!
Vielleicht beim nächsten Mal
28 Gesetze an einem Tag im Kabinett durchzuwinken – das ist schon eine Aufgabe. Nicht viele können das qualifiziert – wie man leider sieht. Vieles bleibt da auf der Strecke. Viel lieber würde ich sagen "prima, das hilft uns allen" – vielleicht bei der nächsten Kabinettssitzung?
Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) sowie Vorstand und Arbeitsdirektor bei ABB, blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.