Kolumne Arbeitsrecht

Sind Eckpunktepapiere wirklich die Lösung?


Kolumne: Kritischer Blick auf Eckpunktepapiere der Parteien

Die Regierung Merz ist mittlerweile losgelaufen und versucht, die Themen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Die Meinungsvielfalt innerhalb der Regierung wünscht man sich weniger ausgeprägt, als dies bei der Ampelkoalition der Fall war. Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller fragt sich daher, ob Eckpunktepapiere aus den Reihen einzelner Parteien wirklich hilfreich sind.

Noch rechtzeitig vor dem Sommerloch streut eine AG Finanzen einer gewissen Regierungspartei einige "Eckpunkte" genannte Papiere. Aktivrente und Teilzeitaufstockung nennen sich zwei der Papiere und zwar diejenigen, die die Arbeits- und Sozialpolitik betreffen. Nun, sie kommen von der AG Finanzen, sodass man allzu große Kompetenz im Bereich Arbeits- und Sozialpolitik vielleicht nicht zu unterstellen braucht; umso wichtiger ist es, dass Anregungen von Praktikern Gehör und Eingang finden.

Richtig: Verlängerte Arbeitszeit und Rückkehr aus Teilzeit

Nur durch Migration lässt sich die kommende Arbeitskräftelücke nicht stopfen. Es wäre auch der völlig falsche Ansatz, die besten Arbeitskräfte aus den Ländern zu holen, die am Ende unsere Produkte kaufen sollen – schließlich sind wir Exportnation und auf kaufkräftige Kunden in den Exportländern angewiesen. Also sind die Ansätze, Teilzeitpotenzial zu erschließen und längere Arbeitszeit zu ermöglichen, tendenziell nicht falsch.

Bei der längeren Arbeitszeit kann man sich vortrefflich streiten, ob es die Lebensarbeitszeit oder die wöchentliche Arbeitszeit sein soll. Beide Vorschläge stehen im Feuer der Gewerkschaften. Aber muss man gegen freiwillige zusätzliche Arbeit sein? Die "stille Reserve" aus der Teilzeit zu locken, ist ein lohnender Ansatz. Aber auch hier kann man personalpolitisch streiten, was der richtige Weg ist.

Auf dem Holzweg mit Steuerfreiheit

Die vorbenannte AG Finanzen meint in beiden Fällen mit Steuererleichterungen arbeiten zu können: Das Entgelt von Rentnern soll bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei sein. Und selbiges, also Steuerfreiheit, soll auch für Teilzeitrückkehrer in bestimmten Grenzen gelten. Beides halte ich, pardon, für personalpolitische Holzwege. Abgesehen von der Missbrauchsgeneigtheit in beiden Fällen (Ja, ich lese dort "Missbrauch werden wir ausschließen" – das ist schnell gesagt), sehe ich auch einen gewaltigen Administrationsaufwand, sei es beim Staat oder, noch schlimmer, beim Arbeitgeber. Die Finanzämter sind ohnedies schon überfordert. Wer jetzt schon 18 Monate auf seinen Steuerbescheid wartet, wird kaum geneigt sein, noch länger zu warten, weil die Teilzeitrückkehr die Steuererklärung verkompliziert.

Warum um alles in der Welt muss es unbedingt Steuerfreiheit sein? Das widerspricht schon dem grundsätzlichen Prinzip der gleichmäßigen Besteuerung bei gleichen Sachverhalten. Von praktischen Fragen abgesehen (Warum soll ein Rentner, der in vorzeitigen Ruhestand mit Abschlägen geht, ebenso begünstigt werden wie ein Rentner, der nach der Regelaltersgrenze arbeitet?) öffnet man hier ein Scheunentor für kreative Gestaltungen. Und die aktiven Beschäftigten finanzieren die Renten derer, die steuerfrei hinzuverdienen können, durch ihre Steuern über den Bundeshaushalt mit. So zündelt man am sozialen Frieden.

Andere Wege sind gangbarer und gerechter

Ich habe schon an anderer Stelle ausgeführt: Es ist sicher gerecht und billig, hinzuverdienende Rentner nicht weiter in die Renten- und Arbeitslosenversicherung einzahlen zu lassen. Das versteht auch jeder aktive Arbeitnehmer. Fairerweise muss ich sagen: Das hat die AG Finanzen auch erwähnt. Meine ehrliche Meinung ist jedoch, dass diese Entlastung dann aber auch reicht. Und auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen, bin ich der Meinung, dass hier die Aktivrentner entlastet werden sollten und nicht die Arbeitgeber, denn eine Wettbewerbsverzerrung – und das wäre es, wenn ich als Arbeitgeber Rentner billiger einkaufen kann – führt wieder, der geneigte Leser mag es ahnen, zu sozialem Unfrieden.

Ähnlich ist es bei Teilzeitbeschäftigten, die ihre Arbeitszeit aufstocken. Ein Teilzeitbeschäftigter, der in Teilzeit bleibt, zahlt die Sozialversicherungsabgaben aus dem Teilzeitentgelt. Stockt er die Arbeitszeit auf, ohne zugleich SV-Beiträge leisten zu müssen, schadet das niemandem. Es entsteht keinerlei Mindereinnahme der Sozialversicherung gegenüber dem Umstand, er bliebe unverändert in Teilzeit. Und das wäre auch gut steuerbar. Im ersten Jahr 100 Prozent Entlastung, im zweiten Jahr noch 66 Prozent und so weiter, bis im vierten Jahr wieder die volle SV geleistet wird.

Aber viel wichtiger wäre es, die Ursachen der Teilzeitbeschäftigung anzugehen. Kindergartenplätze schaffen! Die Vergütungen der Erzieherinnen und Erzieher angemessen anpassen, damit die Kinder auch betreut werden können! Das ist allemal sinnvoller als Steuergeschenke.

Die arbeitsrechtliche Komponente

Die Vorschläge – nicht nur die der AG Finanzen, sondern auch meine – sind systemisch zu sehen. Alleine eine Änderung des § 3 EstG und die Zusage, dass "Missbrauch verhindert" werde, reichen nicht.

Im SGB IX, im TzBfG, im BEEG sind Ansprüche auf Teilzeit normiert. Es kann nicht sein, dass diese Ansprüche geltend gemacht werden, um – dann im Ergebnis unabwendbar – die Steuervergünstigung (oder SV-Begünstigung) zu erhalten. Der Vorschlag der AG Finanzen möchte gar nur dann, wenn die Aufstockung mindestens 24 Monate andauert, die Begünstigung gewähren. Was aber, wenn sich unerwartet eine Schwerbehinderung oder ein weiteres Kind ankündigen? Eine Rückabwicklung wäre doch gerade in solchen Fällen unbillig und zudem verwaltungsaufwändig.

Richtigerweise möchte die AG Finanzen bei den Aktivrentnern das Vorbeschäftigungsverbot im TzBfG aufheben, um Befristungen zu ermöglichen. Aber was ist mit Tarifverträgen, die Altersschutz vorsehen? Auf die dürfte eine solche gesetzliche Regelung nicht durchschlagen. Und die Gewerkschaften zu überzeugen, hier entsprechende Vereinbarungen zu treffen, ist zwar nicht unmöglich, aber das hat dann wieder ein anderes Preisschild.

Fazit: Nicht die Symptome bekämpfen, sondern die Ursachen angehen

Das alles ist gut gemeint. Aber die Störung des sozialen Friedens im Betrieb sollte uns das nicht wert sein. Die Ursachen anzugehen wäre wichtiger. Aber ja, das ist vielleicht auch schwieriger, als systematisch nicht ganz zu Ende gedachte Vorschläge zu unterbreiten.


Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) sowie Vorstand und Arbeitsdirektor bei ABB, blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.


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