Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug

Die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen vermeintlichen Arbeitszeitbetrugs war unwirksam. Das hat das LAG Niedersachsen entschieden. Der Arbeitgeber wollte unzulässigerweise auf Daten einer Videoüberwachungsanlage zurückgreifen, um den Arbeitszeitbetrug zu beweisen.

Mit einem System zur Zeiterfassung können Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten dokumentieren. Hierzu sind sie aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs auch bereits verpflichtet. (Lesen Sie dazu: Arbeitgeber haben Pflicht zur Arbeitszeiterfassung).

Beim Thema Arbeitszeiterfassung sind viele Aspekte zu beachten – auch der Datenschutz. Denn Aufzeichnungen über Arbeitszeiten sind personenbezogene Daten. Im konkreten Fall scheiterte ein Arbeitgeber damit, einen Arbeitszeitbetrug vor dem LAG Niedersachsen mit Auswertungen des Zeiterfassungsystems und einer Videoüberwachungsanlage zu beweisen.  

Fristlose Kündigung wegen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrugs

Der Mitarbeiter ist in einem Gießereibetrieb beschäftigt. Dort betreten die Beschäftigten das Werksgelände über ein sogenanntes Drehkreuz, indem sie ihre persönlichen Werksausweise vor ein Kartenlesegerät halten. Dadurch wird die Anwesenheit mit Datum und Uhrzeit in einem SAP-System registriert. Abweichend von den Anwesenheitszeiten erfolgt im Hinblick auf die vergütungspflichtigen Arbeitszeiten grundsätzlich keine Erfassung durch den Arbeitgeber.

Im Juni 2019 gab es über das Hinweisgebersystem des Unternehmens einen anonymen Hinweis, dass der Mitarbeiter wie auch Kollegen regelmäßig Arbeitszeitbetrug begingen.

Beweis durch Videoaufnahmen?

Der Arbeitgeber erteilte dem Mitarbeiter zunächst eine Verwarnung mit dem Vorwurf, dass er im April einmalig seinen Arbeitsplatz unerlaubt früher verlassen habe. Im Oktober 2019 kündigte er ihm dann fristlos. Grund waren Auswertungen von Videoaufnahmen vor dem Werksgelände, die weitere Unregelmäßigkeiten wie falsches Einstempeln für Kollegen oder ein früheres Verlassen des Arbeitsplatzes offenbarten. Aus Sicht des Arbeitgebers rechtfertigte dies die außerordentliche Kündigung auch ohne Abmahnung. Der Arbeitnehmer verneinte einen Arbeitszeitbetrug und beteuerte, er habe zu jeder Zeit ordnungsgemäß gearbeitet. Zudem seien die Videoaufzeichnungen nicht geeignet, die Arbeitszeiten zu überprüfen.

LAG Niedersachsen: Fristlose Kündigung war unwirksam

Das LAG Niedersachsen bestätigte das Urteil der Vorinstanz und erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam. Das Gericht stellte fest, dass die Vorwürfe zwar grundsätzlich geeignet seien, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Arbeitgeber müssten auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der Beschäftigten vertrauen können. Ein Arbeitszeitbetrug wie etwa der vorsätzliche Missbrauch einer Stempeluhr sei daher ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung. Die behaupteten Pflichtverletzungen des Mitarbeiters waren für das Gericht jedoch nicht erwiesen, auch ein hinreichender Verdacht lasse sich nicht begründen.

Videoaufzeichnungen kein Beweis für Arbeitszeitbetrug

Der Arbeitgeber durfte die Erkenntnisse, die er durch die Videoaufzeichnungen gewonnen hatte, laut LAG Niedersachsen nicht verwenden. In der Begründung wies das Gericht darauf hin, dass eine Videoüberwachungsanlage an den Eingangstoren eines Betriebsgeländes in der Regel zur Kontrolle geleisteter Arbeitszeiten weder geeignet noch erforderlich sei. Auch im konkreten Fall nicht, da die Arbeitszeit weder mit dem Betreten des Werksgeländes beginne noch erst mit dem Verlassen ende. 

Zudem sei der erstmalige Zugriff auf mehr als ein Jahr alte Videoaufzeichnungen, um einen behaupteten Arbeitszeitbetruges aufzudecken, regelmäßig nicht angemessen. Hinzu kam, dass der Arbeitgeber sich in einem Betriebskonzept verpflichtet hatte, die aus der Videoüberwachungsanlage gewonnenen Daten nur 96 Stunden lang aufzubewahren.

Unzulässige Verwertung der gewonnenen Daten

Eine Verwertung der im Zuge der Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse würde daher gegen datenschutzrechtliche Grundsätze verstoßen, so das Gericht. Auch eine personenbezogene Auswertung der Daten des Kartelesegeräts konnte der Arbeitgeber vorliegend nicht als Nachweis anbringen, da er sich in einer Betriebsvereinbarung dazu verpflichtet hatte, eine solche nicht vorzunehmen.

Hinweis: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 6. Juli 2022, Az: 8 Sa 1148/20


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